Die Welt - 27.08.2019

(Michael S) #1

,,


A


us Wirtschaft und Politik
hagelt es Kritik am ersten
Entwurf für einen Mieten-
deckel in Berlin. Manche
Akteure sprechen von
„Enteignungsfantasien“ im Berliner
Senat für Stadtentwicklung und Woh-
nen. Andere erwarten, dass Haus-
eigentümer ihre Immobilien in der
Hauptstadt künftig „verkommen“ las-
sen würden. Selbst unter Genossen-
schaften, die regelmäßig nur in kleinen
Schritten ihre Mieten anheben, ist man
verunsichert.

VON MICHAEL FABRICIUS
UND CHRISTIAN HUNZIKER

Am Wochenende war ein Arbeitspa-
pier bekannt geworden, „das nicht für
die Öffentlichkeit bestimmt“ war, wie
es im Senat für Stadtentwicklung
heißt. Darin standen Details für einen
absoluten Mietendeckel. Demnach sol-
len Mieter, die in einem Gebäude woh-
nen, das vor 2014 errichtet wurde,
künftig nicht mehr als 7,97 Euro Miete
je Quadratmeter und Monat zahlen. In
älteren Gebäuden liegt der Deckel
noch niedriger, für Altbauten aus der
Gründerzeit bei 6,03 Euro. Neubauten
ab 2014 sind ausgenommen.
Bei Deutschlands größtem Woh-
nungskonzern Vonovia hat man die

Folgen eines Mietendeckels schon ein-
mal grob durchgerechnet. Eine Miet-
obergrenze würde die Mieteinnahmen
in Berlin im kommenden Jahr um 20
bis 25 Millionen Euro reduzieren, hieß
es aus Bochum. Das wären zehn Pro-
zent der Mieteinnahmen in Berlin und
rund ein Prozent der Gesamtmieten
von Vonovia.
„Sollte der vom Berliner Senat ge-
plante Mietendeckel kommen, würden
wir die ursprünglich für Berlin vorge-
sehenen Investitionsmittel weitestge-
hend oder vollständig in andere Regio-
nen umleiten“, teilte Vonovia gegen-
über WELT mit. Ob man das Portfolio
neu bewerten müsse, konnte der Kon-
zern noch nicht sagen. Die Deutsche
WWWohnen wollte sich auf Anfrage nichtohnen wollte sich auf Anfrage nicht
aktuell äußern. Man gehe davon aus,
dass das Gesetz ohnehin nicht in die-
ser Form umgesetzt werden könne.
VVVonovia-Aktien gaben am Montagonovia-Aktien gaben am Montag
leicht um 0,5 Prozent nach, Deutsche
WWWohnen sackten zwischenzeitlich umohnen sackten zwischenzeitlich um
fffünf Prozent ab. Seit Juni haben dieünf Prozent ab. Seit Juni haben die
AAAktien des Konzerns mit 110.000 Woh-ktien des Konzerns mit 110.000 Woh-
nungen in Berlin rund 33 Prozent an
WWWert verloren.ert verloren.
Schon die Ankündigung des Mieten-
deckels hat sich bereits auf die Strate-
gie großer Immobilieninvestoren aus-
gewirkt. Das geht aus Aussagen hervor,
die Marktakteure im Gespräch mit

WELT kurz vor Bekanntwerden der ge-
planten Einzelheiten des Mietende-
ckels am Wochenende tätigten. „Der
Mietendeckel hat in der professionel-
len Immobilienwelt eingeschlagen wie
eine Atombombe“, sagte beispielsweise
Jakob Mähren, Chef des Berliner Be-
standshalters Mähren AG.
Eine grundsätzliche Strategieände-
rung kündigt Ralf Spann an, Europa-
Chef des schwedischen Wohnungskon-
zerns Akelius. „Wir werden zukünftig
leere Wohnungen nicht mehr sanieren,
weil sich das wirtschaftlich nicht mehr
lohnt“, sagte Spann. Akelius, Eigentü-
mer von rund 14.000 Wohnungen in
der Hauptstadt, verfolgte bisher den
Ansatz, leer gewordene Wohnungen
aufwendig zu sanieren und anschlie-
ßend zu enorm hohen Mieten von teil-
weise deutlich über 20 Euro pro Qua-
dratmeter zu vermieten. Mit dem Mie-
tendeckel wird nun diesem Geschäfts-
modell der Boden entzogen – was aller-
dings genau das Ziel von SPD, Grünen
und Linken sein dürfte.
Eine Verschlechterung der Gebäu-
desubstanz befürchtete Jakob Mäh-
ren, dessen Unternehmen in Berlin
rund 700 Wohnungen besitzt. Am En-
de würden die Wohnungen „verkom-
men“, weil die Eigentümer nicht genü-
gend in die Instandhaltung investie-
ren würden.

Ganz so schlimm, wie es die Akteure
formulieren, scheint es dann aber doch
nicht zu sein. Denn offenbar wollen sie
trotz allem weiterhin in der Haupt-
stadt aktiv bleiben, allen voran Von-
ovia: „Grundsätzlich halten wir den
Berliner Wohnungsmarkt für langfris-
tig attraktiv und werden den Markt
weiterhin genau beobachten“, hieß es
dort am Montag. Akelius-Chef Spann
versicherte: „Trotz der politischen Ein-
griffe bleiben wir in Berlin. “
Klaus Mindrup äußerte Verständnis
für die grundlegene Idee eines Mieten-
deckels – kritisierte aber die vorliegen-
de Variante. Der SPD-Bundestagsabge-
ordnete ist Direktkandidat aus Berlin-
Pankow und beschäftigt sich intensiv
auch mit dem Wohnungsmarkt. „Die
Ziele einer sozialen und gerechten Mie-
tenpolitik in Berlin könnten teilweise
durch einen ‚atmenden’ Mietendeckel
erreicht werden“, sagte er WELT. Die-
ser müsse berücksichtigen, „dass die Ei-
gentümer steigende Kosten – etwa für
Personal und Instandhaltung der Ge-
bäude – weitergeben können.“
Faire und soziale Mieter dürften
nicht bestraft werden, so Mindrup.
Und es dürfe kein Anreiz für Umwand-
lungen von Miet- in Eigentumswoh-
nungen geschaffen werden, „indem die
‚normale Vermietung‘ völlig unrenta-
bel“ gemacht werde.
All dies sei beim Vorschlag der Se-
natorin Lompscher aber nicht gege-
ben. Vor allem Wohnungsbaugenos-
senschaften, die auf gelegentliche
Mietenanhebungen angewiesen sind,
könnten in Schwierigkeiten geraten.
Viele Genossen hätten schon ihre Ein-
wände vorgebracht, doch die Sena-
torin habe diese „ignoriert“, so Min-
drup, der selbst seit vielen Jahren Mit-
glied der Wohnungsbaugenossen-
schaft „Bremer Höhe“ in Berlin-
Prenzlauer Berg. Jetzt würden Genos-
senschaften „in einen Topf geworfen
mit Spekulanten, die schnellstmöglich
die maximale Rendite aus erworbenen
Häuser ziehen möchten, oftmals ver-
bunden mit dem Auswechseln der Be-
standsmieter oder der Aufteilung der
Mietshäuser und dem Verkauf als Ei-
gentumswohnungen.“ Der Vorschlag
sei deshalb „völlig inakzeptabel aus
genossenschaftlicher Sicht.“
Die Senatorin für Stadtentwicklung
und Wohnen, Katrin Lompscher, sah
sich am Montag dazu genötigt, auf die
VVVeröffentlichung ihres Arbeitspapierseröffentlichung ihres Arbeitspapiers
zu reagieren: „Bei dem Papier handelt
es sich um eine Vorbereitung für den
Referentenentwurf und nicht um den
Gesetzentwurf zum Mietendeckel“,
betonte die Linken-Politikerin.
Man befinde sich in Abstimmung mit
den Koalitionspartnern. „Die Lücke
zwischen Einkommens- und Mietent-
wicklung klafft in den vergangenen Jah-
ren immer weiter auseinander“. Das
Land Berlin handele deshalb „in Not-
wehr für die Mieterinnen, die Angst ha-
ben, sich ihr Dach über dem Kopf künf-
tig nicht mehr leisten zu können“.
Bis zum Freitag soll es einen Refe-
rentenentwurf für den Mietendeckel
geben, der dann an die Verbände zur
Anhörung geschickt werde. Am Don-
nerstag gibt es zunächst noch eine ak-
tuelle Stunde im Abgeordnetenhaus.

Sogar die


Genossen sind


VERUNSICHERT


Aus der Immobilienwirtschaft kommt erwartungsgemäß heftige Kritik am konkreten Entwurf


zum Mietendeckel. Allerdings sind auch die Wohnungsbau-Genossenschaften nicht begeistert


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Entwicklung von ortsüblichen Vergleichsmieten


Quelle: Eigene Recherchen

Durchschnittliche monatliche Nettokaltmiete in Euro pro m�

Erhebung des Mietspiegels

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Berlin

München

HamburgHamburgHamburg

So soll der Berliner Mietendeckel aussehen


*mit Sammelheizung und Bad**in Westberlin***in Ostberlin Quelle: Eigene Recherchen

bis
1949*

1950
-1955*

1956
-1964*

Nach Baualtersklassen, Angaben in Euro Berliner Mietspiegel

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1965





1991





1973
-1983**

1984
-1990**

1973
-1990***

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Die stärksten Mietanstiege


Quelle: F+B

Durchschnittliche Angebotsmieten jeweils im zweiten Quartal in Euro pro m

± in %

Hamburg

Frankfurt/M.

Düsseldorf

Köln

Berlin

München

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Stadt 

TROTZ DER


POLITISCHEN


EINGRIFFE BLEIBEN


WIR IN BERLIN


RALF SPANN,
Europachef Akelius

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27.08.19 Dienstag, 27. August 2019DWBE-HP



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DIE WELT DIENSTAG,27.AUGUST2019 SEITE 9 *


WIRTSCHAFT


Verband fordert mehr Pfand


für Bierflaschen Seite 12


Brauereien


FACEBOOK


Netzwerk darf weiter


Daten sammeln


Facebook darf erst einmal weiter
ohne Einschränkung die Daten sei-
ner Nutzer sammeln und verarbei-
ten. Das soziale Netzwerk muss
eine einschränkende Entscheidung
des Bundeskartellamts zunächst
nicht umsetzen, wie das Oberlan-
desgericht Düsseldorf in einem
Beschluss zu einem Eilantrag von
Facebook entschied. Die Wettbe-
werbsbehörde in Bonn hatte im
Februar dem US-Unternehmen
Beschränkungen auferlegt, nach
denen Facebook nicht mehr ohne
Einwilligung der Nutzer Daten sam-
meln durfte. Jetzt beschloss das
Gericht, diese Anordnung aufzu-
schieben, bis es über den Rechts-
streit zwischen Facebook und dem
Bundeskartellamt endgültig ent-
schieden hat (AZ: VI-Kart 1/19 (V)).
Der 1. Kartellsenat des Oberlandes-
gerichts bezweifelt die Rechtmäßig-
keit der kartellbehördlichen An-
ordnung, wie es hieß.

AXEL SPRINGER


KKR erreicht mehr


als 40 Prozent


Der US-Finanzinvestor KKR hat
eine Beteiligung von 42,5 Prozent
beim deutschen Medienkonzern
erreicht. Nach Ablauf der weiteren
Annahmefrist am 21. August um
Mitternacht wurde diese Annahme-
quote erzielt, wie Axel Springer
(WELT, „Bild“) und KKR mitteilten.
Darüber hinaus seien außerhalb des
Übernahmeangebots Vereinbarun-
gen über den Erwerb von 1,04 Pro-
zent der Anteile abgeschlossen wor-
den. Der Vollzug des Angebots steht
unter dem Vorbehalt kartellrecht-
licher, außenwirtschaftsrechtlicher
und medienkonzentrationsrecht-
licher Freigaben. Nach Ablauf einer
ersten Frist am 2. August verfügte
der KKR bereits über 27,8 Prozent
des Grundkapitals. In der nach-
träglichen Frist wurde das Angebot
für weitere 14,7 Prozent der Anteile
angenommen.

LUFTVERKEHR


Passagierrekord auf


deutschen Flughäfen


Von deutschen Flughäfen sind im
ersten Halbjahr dieses Jahres so
viele Passagiere gestartet wie nie in
diesem Zeitraum. Fast 58,9 Millio-
nen Passagiere reisten nach An-
gaben des Statistischen Bundes-
amtes in den ersten sechs Monaten
dieses Jahres von den 24 deutschen
Hauptverkehrsflughäfen ab. Das
waren 4,1 Prozent mehr als im Vor-
jahreszeitraum, hieß es. Die Zahl
der Fluggäste mit Zielen im Inland
erhöhte sich dabei um 2,3 Prozent
auf rund 11,6 Millionen. Das Passa-
gieraufkommen ins Ausland nahm
um 4,5 Prozent auf knapp 47,3 Mil-
lionen zu. Besonders kräftig legten
die Fluggastzahlen auf Strecken ins
europäische Ausland zu. Hier gab es
ein Plus von 4,8 Prozent auf 37,
Millionen Reisende.

AUTOS


Neue Technologie soll


Diebstahl verhindern


Eine neue Funktechnologie soll das
Diebstahl-Problem bei kontaktlosen
Schlüsselsystemen lösen. Der Chip-
konzern NXP und Volkswagen ha-
ben dafür ein Konzeptfahrzeug
vorgestellt, bei dem zum Entsper-
ren der sogenannte Ultra-Wide-
band-Funk zu Einsatz kommt. Heu-
tige Angriffsszenarien wie das Ver-
stärken des Signals vom Funk-
schlüssel sollen damit schlichtweg
nicht funktionieren. Die Ultra-Wi-
deband-Technologie soll mit der
Zeit auch zusätzliche Funktionen
rund ums Auto ermöglichen, die auf
präziser Positionserkennung basie-
ren: Der Kofferraum könnte sich
beispielsweise automatisch öffnen,
wenn man davor steht.

KOMPAKT


F


ür ihre Pläne für einen Mieten-
deckel hat die Berliner Bausena-
torin Katrin Lompscher (Linke)
die volle Rückendeckung der Bundes-
partei: Parteichefin Katja Kipping ver-
teidigt den Entwurf gegen die heftige
Kritik.

VON SABINE MENKENS

WELT:Frau Kipping, Ihre Partei-
fffreundin Katrin Lompscher ist vomreundin Katrin Lompscher ist vom
Berliner Senat damit beauftragt
worden, einen Gesetzentwurf für
einen Mietendeckel vorzulegen.
Danach sollen Mieten nicht nur ge-
deckelt, sondern auch auf feste
Obergrenzen gesenkt werden kön-
nen. Faktisch ist das eine Ent-
eignung der Wohnungseigentümer.
Hat Frau Lompscher dafür die Rü-
ckendeckung der Partei?
KATJA KIPPING: Selbstverständlich, wir
begrüßen den Vorstoß sehr. Es ist die
richtige Reaktion auf die soziale Ent-
wicklung und auf das Marktversagen
auf dem Wohnungsmarkt. Die Mieten
sind derart rasant gestiegen, dass weite

Teile der Bevölkerung von akutem
Lohnraub betroffen sind. Dieser Ent-
wicklung müssen wir etwas entgegen-
setzen. Dazu gehört der Mietendeckel,
dazu gehört eine Reduzierung der Be-
standsmieten, und dazu gehören Ent-
eignungen von Immobilienfonds wie
Deutsche Wohnen und Co. Wir stehen
an der Seite der Mieter, nicht der
Immobilienhaie.

Die Opposition, die Wirtschaft, auch
Teile der SPD sprechen von Sozialis-
mus. Halten Sie es wirklich für nötig,
solche planwirtschaftlichen Instru-
mente einzuführen? Oder schießen
die Berliner hier über das Ziel hinaus?
Ganz und gar nicht. Die Stadt wird zu-
nehmend sozial entmischt. Wir erleben
eine massive Verdrängung von Gering-
verdienern und Normalverdienern an
den Stadtrand. Wir wollen aber keine
nach Geldbeutel sortierten Wohnquar-
tiere und Innenstädte, die nur noch den
Reichen gehören. Wenn das Kind des
Polizisten nicht mehr mit dem Kind des
Bankers zusammen in die Kita geht und
sich die Lebensbereiche völlig ent-

mischen, hat das auch massive Auswir-
kungen auf den sozialen Zusammenhalt


  • und ist letztlich eine Gefahr für die
    Demokratie.


Der Wohnungsmarkt ist in Teilen tat-
sächlich den gesunden Marktmecha-
nismen entzogen. Aber was lässt Sie
glauben, dass der Staat es besser re-
geln kann?
Es ist schlichte Mathematik. Wer
WWWohnungen aufkauft, möchte Renditeohnungen aufkauft, möchte Rendite
machen, und diese Rendite geht zulas-
ten der Mieterinnen und Mieter. Bei
kommunalen oder gemeinnützigen
WWWohnungen werden hingegen alle Ge-ohnungen werden hingegen alle Ge-
winne in den Wohnungsbestand rein-
vestiert.

Ihr Koalitionspartner von der SPD
warnt bereits, wenn die Marktwirt-
schaft beim Mietendeckel ausgeblen-
det werde, gäbe es keine notwendigen
Sanierungen mehr, keinen Klima-
schutz und keinen Neubau bezahlba-
rer Wohnungen. Was sagen Sie?
Die SPD muss sich jetzt gut überle-
gen, ob sie auf der Seite der Mieter

steht oder auf der Seite der Immobi-
lienhaie. Wir haben uns klar positio-
niert. Hinzu kommt: Der Gesetzent-
wurf wird ja gerade noch erarbeitet.
Hier kann sich die SPD produktiv ein-
bringen dahingehend, dass notwendi-
ge Investitionen auch weiterhin er-
möglicht werden.

Freuen dürften sich vor allem die sol-
venten Mieter in den schicken Altbau-
quartieren in Prenzlauer Berg, die
derzeit doppelt so viel Miete zahlen
wie in den Obergrenzen vorgesehen.
Sozial gerecht ist das nicht. Oder?
Der Deckel soll zuallererst Menschen
mit niedrigem und mittlerem Einkom-
men helfen. Noch sind die Paragrafen
nicht endgültig ausformuliert. Aber
wenn zum Beispiel eine Einkommens-
prüfung dazukommt, gäbe es die von
Ihnen beschriebenen Fälle nicht.

Wenn man mit Immobilien nichts
mehr verdienen kann, könnte der
Wohnungsneubau zum Erliegen kom-
men – zulasten der Mieter. Schreckt
Sie das nicht?

Gerade die großen Immobilienfirmen
wie Vonovia und Deutsche Wohnen
schaffen kaum neuen Wohnraum, son-
dern kaufen nur bestehenden auf, um
dann die Mieten nach oben zu treiben.
Städtischer Grund und Boden lässt
sich nicht vermehren. Er ist begrenzt.
Wir sollten ihn deshalb vorrangig für
kommunalen, gemeinnützigen und so-
zialen Wohnungsbau nutzen anstatt
für Luxuswohnungen.

Der Mietendeckel wird zu einer mas-
siven Vermögensvernichtung führen,
auch bei kleineren Vermietern. Ein
vertretbarer Kollateralschaden?
Ich weiß, dass die Linke Berlin diese
Sorge von kleinen Vermietern ernst
nimmt. Deswegen ist auch eine Härte-
fallregelung im Gespräch.

Glauben Sie, die Rückendeckung der
Stadtgesellschaft zu haben?
AAAuf jeden Fall. Das habe ich auch beimuf jeden Fall. Das habe ich auch beim
Sammeln der Unterschriften für das
VVVolksbegehren „Enteignet Deutscheolksbegehren „Enteignet Deutsche
WWWohnen“ gespürt. Wohnen ist die zen-ohnen“ gespürt. Wohnen ist die zen-
trale soziale Frage unserer Zeit.

„SPD muss sich jetzt gut überlegen, auf welcher Seite sie steht“


Linke-Chefin Katja Kipping verteidigt den umstrittenen Entwurf ihrer Berliner Parteifreundin Katrin Lompscher


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