Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1
welchem Zeitpunkt auch im-
mer, sind die Kästen plötzlich
deutlich mehr wert. „Wer aber
zahlt die Differenz?“, fragt der
Brauer-Bund. Ein Ausweg
könnte die Kennzeichnung neu
ausgegebener Kisten oder gar
ein komplett neues Design
sein, um Ware mit altem und
neuem Pfandsatz unterschei-
den zu können. „Dieses Szena-
rio stellt die Branche aber vor
immense Probleme“, heißt es
beim Brauer-Bund.
Aber auch der Handel winkt
ab. Es sei zwar nachvollziehbar,
dass Brauereien darüber nach-
dächten, wie sie mehr Kisten
und Flaschen zurückbekämen,
sagt Kai Falk, Geschäftsführer
des Handelsverbands Deutsch-
land (HDE), gegenüber WELT.
„Dabei muss aber aufgepasst
werden, dass der Verbraucher
nicht verunsichert und überfor-
dert wird.“ Und zwar auch fi-
nanziell. Denn bei einer deutli-

chen Pfanderhöhung entstehe
schnell „ein Preisbild, das den
ein oder anderen Kaufimpuls
zum Erliegen bringt“. Und ge-
rade beim Bier ist der Preis ei-
nes der wichtigsten Kaufkrite-
rien. Nicht ohne Grund bieten
Supermärkte jede Woche Mar-
kenbiere zum Aktionspreis an:
Im Lebensmitteleinzelhandel
würden zwei von drei Kästen
als Angebotsware gekauft, sa-
gen die Marktforscher der GfK-
Gruppe. „Wenn eine Kiste Bier
zuzüglich Pfand plötzlich 20 bis
25 Euro oder sogar noch mehr
kostet, selbst im Angebot, ist
das dem Geschäft eher abträg-
lich“, prognostiziert Falk.
Dass der Pfandbetrag später
wieder zurückgezahlt wird,
spiele dabei keine Rolle. „Erst-
mal wird ein Signal gesetzt.“ In
einigen Medien werden die
Pfandforderungen daher be-
reits mit einer Preisexplosion
beim Bier gleichgestellt. „Psy-

chologisch kommt das einer
Bierpreiserhöhung gleich“, er-
klärt ein hochrangiger Manager
aus der Branche. Das aber sei
gefährlich, vor allem nach dem
schwachen ersten Halbjahr mit
fast drei Prozent weniger Ab-
satz hierzulande.
Alarm schlägt auch der Bun-
desverband des Deutschen Ge-
tränkefachgroßhandels (BV-
GFGH). „Wir müssen uns ganz
grundsätzlich Gedanken ma-
chen über das Mehrwegsystem
in Deutschland“, sagt Ge-
schäftsführer Dirk Reinsberg.
Das Thema Pfand sei dabei nur
ein kleines Detail. „Die Brauer
müssen sich die Frage stellen,
warum es deutlich länger dau-
ert, bis Flaschen und Kisten bei
ihnen ankommen.“ Reinsberg
spielt dabei auf die zunehmen-
de Individualisierung der ver-
gangenen Jahre an. „Manche
Bierflaschen können wegen Re-
liefs, Prägungen und speziellen
Formen nur von einer Brauerei
genutzt werden. Dass es dann
länger dauert, bis genug Leer-
gut für einen Lkw-Transport
gesammelt ist, darf niemanden
überraschen.“
Reinsberg bereitet jedoch
weniger ein steigendes Depot-
geld für die Kisten Sorge als
vielmehr eine Erhöhung des
Pflaschenpfands. Auch das ist
mittlerweile im Gespräch.
Statt acht Cent für eine klassi-
sche Bierflasche und 15 Cent
für eine Bügelflasche, soll der
Verbraucher deutlich mehr
hinlegen. Das aber hält Reins-
berg für gefährlich. „Bei einem
Flaschenpfand von über 30
Cent ist man jenseits des Be-
schaffungspreises für Fla-
schen“, erklärt er. „Die Brauer
könnten dann nur noch Neu-
ware einsetzen und sich die
Strom- und Wasserkosten für
die Reinigung der Flaschen
sparen.“ Andere Experten wie-

derum warnen vor einer An-
gleichung der Pfandsätze von
Mehrweg und Einweg. „Es gibt
diese Unterschiede ganz be-
wusst, damit der Verbraucher
die Systeme besser differenzie-
ren kann“, sagt Ulrich Biene
von der Großbrauerei Veltins.
Das Familienunternehmen
aus dem Sauerland lehnt wie
auch andere Branchenriesen ei-
ne pauschale Erhöhung der
Pfandsätze ab. „Wir können
gerne darüber diskutieren, da-
für brauchen wir aber detaillier-
te und belastbare Zahlen“, sagt
Biene. „Wir können nicht er-
kennen, dass der Verbraucher
Zuhause Leergut hortet und da-
raus Möbel baut. Wir jedenfalls
kriegen unsere Kisten zurück.“
Ähnliche Aussagen kommen
auch von Krombacher, der
meistverkauften Biermarke in
Deutschland. „Das Thema steht
bei uns nicht oben auf der
Agenda“, heißt es. Das Signal
aus Bayern habe man wahrge-
nommen. „Für uns ist aber
wichtig, dass es eine Branchen-
lösung gibt.“
Damit droht nun eine Zer-
splitterung der Pfandsätze.
Denn die Kisten sind Eigentum
der Brauereien. Die jeweilige
Pfandhöhe können die Herstel-
ler selbst festlegen. Und etliche
Anbieter aus Bayern scheinen
fest entschlossen. „Wenn es bis
zum nächsten Frühjahr keine
Einigung gibt, werden 40 Brau-
er im Freistaat das Pfand auf
leere Bierkisten von März 2020
an aus sechs Euro erhöhen“,
kündigt Georg Rittmayer an,
der Präsident des Verbands Pri-
vate Brauereien Bayern. „Wir
wollen eine bundesweite Lö-
sung. Aber vielleicht geht es nur
mit Druck.“ In den kommenden
Wochen wird sich entscheiden,
wer sich durchsetzen kann: die
vielen kleinen Brauereien –
oder die wenigen großen.

Leere Bierflaschen in Kisten: Brauer beschweren sich, dass die Kunden sie nicht zurückbringen – und sie Ersatz kaufen müssen

PA/ IMAGEBROKER

/ TORSTEN KRÜGER

Mehrweg dominiert den Bierverkauf

Quelle: IRI, Statista

Absatzverteilung in Deutschland nach Gebindearten, ���� in Prozent

Mehrweg
PET
Dose
Partydose
Fass
Einweg

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ie heißen Fuhrmann-
strunk und Erntebier
oder auch Prinz Al-
bert Pils und Anno


  1. Insgesamt neun Speziali-
    täten stehen derzeit auf der
    Sommer-Karte der kleinen
    Handwerksbrauerei Grosch aus
    Rödental in der Nähe von Co-
    burg in Oberfranken. Doch
    über die mittlerweile gut 500-
    jährige Braukunst im Hause
    Grosch wird dieser Tage nicht
    geredet, wenn es um das kleine
    Familienunternehmen geht. Im
    Fokus steht Grosch-Chef Chris-
    tof Pilarzyk derzeit wegen et-
    was ganz anderem: dem Pfand
    für Kiste und Flaschen.


VON CARSTEN DIERIG

Neun Euro kassiert die frän-Neun Euro kassiert die frän-
kische Brauerei ab sofort pro
Kiste – das ist fast dreimal so
viel wie die bisherigen 3,10 Eu-
ro. „Jemand musste ja anfan-
gen“, begründet Pilarzyk lapi-
dar. Und tatsächlich ist Grosch
mit diesem Schritt nicht allei-
ne. Auch andere Bierhersteller,
vor allem kleine Regionalbrauer
in Bayern, haben die Pfandsätze
zuletzt erhöht. Der Grund: Die
Betriebe verlieren viel Geld,
weil die Kästen nur noch spär-
lich zurückgebracht werden.
„Manche Leute bauen aus lee-
ren Kästen die abenteuerlichs-
ten Dinge, wie zum Beispiel
Bars oder Couchtische“, heißt
es zum Beispiel bei Maisel’s.
Die Brauer müssen deswegen
regelmäßig Nachschub kaufen.
Bei Insellösungen wie im Fall
Grosch soll es aber nicht blei-
ben – zumindest nach Ansicht
des Verbands Private Brauerei-
en Deutschland. Die Interes-
senvertretung von insgesamt
800 Bierherstellern fordert ei-
ne bundesweite Pfanderhö-
hung für Bierkästen von aktuell
1,50 Euro auf mindestens fünf
Euro, zuzüglich Flaschenpfand.
„Das Pfand wurde bestimmt
seit 40 Jahren nicht mehr er-
höht“, sagt Geschäftsführer
Roland Demleitner.
Offene Türen rennt der Ver-
band mit seinen Forderungen
aber nicht überall ein. Vor allem
der Handel lehnt eine Pfander-
höhung ab. Aber auch der Deut-
sche Brauer-Bund (DBB), der
als Dachverband der Bier-Bran-
che neben den kleinen Herstel-
lern auch die Großbrauereien
vertritt, zeigt sich skeptisch.
„Wir stehen einer Diskussion
zu diesem Thema offen gegen-
über“, heißt es zwar. Eine ver-
bandsinterne Arbeitsgruppesei
auch längst eingerichtet, sogar
schon vor der öffentlichen For-
derung. „Festzustellen ist aber,
dass die Situation im Mehrweg-
Bereich äußerst komplex ist
und es mit Sicherheit keine ein-
fachen Antworten und keine
einfachen Lösungen gibt.“
Es geht um viel Geld. Schät-
zungen zufolge sind derzeit
rund 200 Millionen Bierkästen
im Umlauf. Ausgegeben wur-
den sie zu einem Pfandsatz von
1,50 Euro. Sollte es tatsächlich
zu einer Erhöhung kommen, zu


14 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST


Kampf


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Kasten


Kleine Brauereien in Bayern wollen das


Pfand für Bierkisten erhöhen, weil sie


die immer seltener zurückbekommen.


Der Einzelhandel jedoch ist skeptisch



  • und die Konzerne sind es auch

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