Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1

18 INTERVIEW DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST


Z


um Schulanfang in
Nordrhein-Westfalen
erwartet die Gymnasi-
asten ein neues Schul-
fffach: Wirtschaft. Beim Inter-ach: Wirtschaft. Beim Inter-
view mit WELT in einer Kieler
Berufsschule erklären die Düs-
seldorfer Bildungsministerin
YYYvonne Gebauer (53, FDP) undvonne Gebauer (53, FDP) und
Schleswig-Holsteins Wirt-
schaftsminister Bernd Buchholz
(57, FDP), warum ökonomische
Zusammenhänge in die Lehrbü-
cher gehören und wie sie künf-
tig mit der Verletzung der
Schulpflicht durch die Demons-
tranten der „Fridays for Future“
umgehen wollen.


VON THORSTEN JUNGHOLT
UND MARTIN NIEWENDICK

WELT:Herr Buchholz, wie alt
sind Ihre Kinder?
BERND BUCHHOLZ: 2 5 und 22
Jahre.


Was sagen die beiden zur Be-
deutung von Klimaschutz?
BERND BUCHHOLZ: Dass es
wichtig ist. Und dass das eine
oder andere in den letzten Jah-
ren nicht mit dem genügenden
Nachdruck verfolgt worden ist.
Sie sagen aber auch, dass es
nicht einseitig nur um Klima-
schutz gehen darf, weil andere
Dinge auch eine Rolle spielen.
Meine Söhne sind eben etwas
älter als die Schüler von „Fri-
days for Future“ und bereiten
sich auf ein Berufsleben vor. Sie
sehen das etwas ausgewogener.
Ich sage aber auch: Es ist das
Recht junger Schüler, auch ein-
seitig in eine bestimmte Rich-
tung Forderungen aufzustellen.
Und es ist die Pflicht von Politi-
kern, ihnen nicht nur nach dem
Mund zu reden und für einen
vernünftigen Interessensaus-
gleich zu sorgen.


Und Ihr Sohn, Frau Gebauer?
YVONNE GEBAUER: Mein Sohn
ist auch schon bald 23 und hat
seine berufliche Ausbildung ab-
geschlossen. Als Mutter würde
ich ihm sagen: Es ist richtig, sich
zu engagieren, aber wäre er noch
Schüler, sollte er am Nachmittag
und am Wochenende demons-
trieren. Das Demonstrations-
recht kann problemlos auch au-
ßerhalb der Schulzeit ausgeübt
werden. Vorsätzliche Schul-
pflichtverletzungen sind also
überhaupt nicht notwendig


Die „Fridays for Future“-Bewe-
gung ist ausdauernder, als viele
gedacht haben. Auch während
der Sommerferien wurde de-
monstriert, in Dortmund gab es
einen großen Kongress. Wenn
es so bleibt – wie gehen Ihre
Landesregierungen damit um,
wenn weiter die Schulpflicht
verletzt wird?
GEBAUER: Wir haben gleich zu
Beginn gesagt, dass wir das ge-
sellschaftliche Engagement der
Schülerinnen und Schüler sehr
zu schätzen wissen und es unter-
stützen. Aber als zuständige
Schulministerin muss ich auf die
Einhaltung der Schulpflicht be-
stehen. Sie ist ein hohes Gut, das


vielen Kindern auf dieser Welt
leider nicht zur Verfügung steht.
Die Schulpflicht sorgt dafür, dass
jedes Kind in Deutschland völlig
unabhängig von seiner Herkunft
in den Genuss einer guten Schul-
bildung kommt. Das ist ein Privi-
leg. Um sich mit den vielen
Aspekten des Klimaschutzes
sachgerecht auseinandersetzen
zu können, braucht es ausgewo-
gene Informationen und eine so-
lide Urteilskompetenz auch
durch gute Schulbildung. Und

die bekommen sie nicht allein
auf der Straße, sondern vor al-
lem in der Schule. Natürlich
kann man Klimaschutz und die
Demonstrationen in den Unter-
richt, als außerschulischen Lern-
ort, einbetten. Aber das geht
nicht jede Woche, und es soll ei-
ne einmalige Aktion bleiben, die
vor- und nachbereitet werden
muss. Bei Verletzung der Schul-
pflicht können Zwangsmaßnah-
men wie Bußgelder zur Anwen-
dung kommen.

Wie gehen Sie in Schleswig-
Holstein damit um?
BUCHHOLZ: In einem Rechts-
staat gibt es Regeln. Schulpflicht
gehört dazu, daran haben sich al-
le zu halten. Wer das nicht tut,
hat die Konsequenzen zu tragen.

Die Schüler erhalten teils Un-
terstützung aus der Wissen-
schaft und von Lehrern. An ei-
ner Gesamtschule in Dortmund
werden Fehlstunden nicht
mehr geahndet, wenn die Schü-

ler an der Demonstration teil-
nehmen. Was macht man da?
GEBAUER: Diesem Fall sind wir
nachgegangen. Die Schulleitung
hat deutlich gemacht, dass es
auch an dieser Schule keinen
Freibrief für Schülerinnen und
Schüler gibt, an Demonstratio-
nen teilzunehmen, die während
der Schulzeit stattfinden. Es ist
die Pflicht von Lehrern, Schüler
zu unterrichten – und zwar in der
Schule. Der Klimaschutz gehört
zum Unterricht selbstverständ-
lich mit dazu.
BUCHHOLZ: WWWas eine einzelneas eine einzelne
Lehrkraft für gut und richtig hält,
darf kein Maßstab dafür sein, ob
Schüler zum Unterricht erschei-
nen müssen oder nicht. Das wird
auf anderer Ebene geregelt. Und
daran haben sich auch Lehrer zu
halten.

War der Umgang der FDP mit
der Bewegung bisher klug?
BUCHHOLZ: Sie spielen auf die
Äußerung von Christian Lindner
an, Klimaschutz sei eine Sache
für Profis. Er hat mehrfach selbst
klargestellt, dass dies nicht grade
glücklich formuliert war. Es wäre
sinnvoller, eine inhaltliche Ausei-
nandersetzung mit den Schülern
zu führen, die bisher nur be-
grenzt geführt wird. Da muss
man sich mit den inhaltlichen
Positionen der Bewegung auch
auseinandersetzen und über die
Folgen reden. Davon ist vieles
nicht realisierbar. Wir alle wollen
CO 2 vermeiden. Aber wir müssen
einen sinnvollen Weg dahin fin-
den, der ökologische Verantwor-
tung mit ökonomischer Vernunft
verbindet.
GEBAUER: Die FDP hat sich mit
dem Thema Klimaschutz sehr in-
tensiv auf dem letzten Bundes-
parteitag befasst. Wir haben un-
ter anderem die „Fridays for Fu-
ture“-Demonstrationen und die
Debatte um Greta Thunberg zum
Anlass genommen, um uns in-
haltlich klarer aufzustellen und
alle Facetten zu beleuchten ...
BUCHHOLZ:... im Übrigen mit
einer inhaltlichen Positionie-
rung zum Thema CO 2 -Beprei-
sung zu einem Zeitpunkt, wo
andere noch ganz am Anfang
der Diskussion waren. Mit ei-
nem Punkt, den heute Sachver-
ständigenrat, Wirtschaftsweise
und andere aufgreifen und sa-
gen: Das wäre der richtige Weg.
Das findet auch der ein oder an-
dere Kollege bei mir am Jamai-
ka-Kabinettstisch.

Jeder Schritt von Greta Thun-
berg wird minutiös dokumen-
tiert. Sie hat den Papst getrof-
fen und bringt Politiker in Be-
drängnis. Hat die Bewegung zu
viel Macht?
BUCHHOLZ: Das sehe ich nicht.
Es gibt zurzeit einen interes-
santen Medien-Hype. Aber man
muss die Kirche im Dorf lassen.
Es geht um ein ernstes Anliegen


  • die „Fridays for Future“-Be-
    wegung hat mehr Sensibilität
    dafür generiert, als vorher vor-
    handen war. Das kann man ihr
    nicht absprechen. Jetzt geht es
    darum, vernünftige Lösungen
    zu finden.


Ortstermin an einer Kieler Berufsschule: NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer und Schleswig-
Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (beide FDP)

JOHANNES ARLT

„Bußgelder bei


Verletzung der


Schulpflicht“


Die FDP-Landesminister Yvonne Gebauer und Bernd Buchholz


über Sanktionen für die Klimademonstranten der „Fridays for


Future“, das Schulfach Wirtschaft und einseitige Lehrmittel

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