Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1
Tipps und
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24 MAGAZIN DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST2019


ne, die sich im chinesischen Xi’an
mit Seide, Porzellan, Gewürzen
und Pelzen auf den Weg machte,
zog in einem Marsch nach Vene-
dig oder Rom. Die meisten reis-
ten in Etappen. Sie verkauften ih-
re Waren in einer Stadt entlang
des Wegs, die Kaufleute dort
stellten neue Karawanen zusam-
men, und so ging es weiter.
Die Chinesen waren nicht Her-
ren der Seidenstraße, sondern ein
Teil von ihr; die Früchte ihrer Ar-
beit blieben den beteiligten Staa-
ten erhalten. Dabei waren die Ge-
winne gewaltig: Bis ein Seiden-
stoff Europa erreichte, konnten
sechs bis acht Jahre vergehen.
Was am Ursprungsort in heutige
Währung umgerechnet einen Eu-
ro kostete, war am Ende in Rom
stolze 200 Euro wert. Wo sich die
Warenströme aus Nord und Süd,
aus Ost und West trafen wie in
den heute zu Usbekistan gehören-
den Städten Chiwa, Samarkand
oder Buchara, wurden Händler
und Herrscher sagenhaft reich.
Nirgendwo werden der My-
thos Seidenstraße und die Ge-
schichte usbekisch-mongolischer
Herrscher greif- und begreifbarer
als in Samarkand. Der grausame
Eroberer Timur, heute usbeki-
sche Identifikationsfigur und Na-
tionalheld, ließ Samarkand zur
wohl schönsten Stadt Asiens aus-
bauen. „Wer an unserer Macht
zweifelt, mag sich unsere Bau-
werke ansehen“, soll er an die Bi-
bi-Chanum-Moschee geschrie-
ben haben. Die war mit Platz für

10.000 Gläubige das damals welt-
weit größte Gotteshaus seiner
Art. Ein Bauwerk, für das 95 Ele-
fanten und ungezählte Büffelkar-
ren Marmor aus Indien herbei-
schleppten. Nicht minder präch-
tig gerieten die Nekropole
Shah-e Sende, in der Samarkands
Adel und wichtige Imame bestat-
tet sind – und natürlich Timurs
Mausoleum, das reich mit Blatt-
gold und kunstvollen Fayencen
verziert ist. Beeindruckend sind
auch die Medresen am gewalti-
gen Registan-Platz – muslimi-
sche Universitäten, in denen
nicht nur der Koran, sondern alle
damals wichtigen Wissenschaf-
ten gelehrt wurden.

Von Zerstörungen durch Krieg
und Naturgewalten blieben die
herrlichen Städte nicht ver-
schont. Besonders hart hat es Bu-
chara getroffen, das im 13. Jahr-
hundert von Dschingis Khan und
1920 von der Roten Armee fast
dem Erdboden gleichgemacht
wurde. Drei Tage lang bombar-
dierten die Sowjets die Stadt und
die Festung Ark – nur um den
Menschen so drastisch wie mög-
lich vor Augen zu führen, dass die
Macht der alten Herrscher vorbei
ist. In der kommunistischen Ära
wurde Usbekistan zum Satelli-
tenstaat, der vor allem Baumwol-
le anzubauen hatte. Den Sowjets
verdankt das Land Monokultu-
ren und langsam versiegende
Seen und Flüsse, aber auch den
Anschluss an die Moderne: Flug-
häfen und Eisenbahnen, die auf
der Schnellstrecke von Chiwa
nach Taschkent mit bis zu 240
km/h über die Gleise düsen.
Es waren auch sowjetische Ar-
chäologen, die ab den 50er-Jah-
ren aus den Ruinen Usbekistans
in aufwendiger Arbeit wieder
wahre Schmuckstücke machten.
Heute ist ein Spaziergang durch
die Stadt Chiwa wie ein Besuch
in einem gepflegten Museum.
Von der Dschuma-Moschee mit
ihren 213 hölzernen Säulen führt
der Weg über die alte Koranschu-
le, die heute ein schmuckes Hotel
ist, zur Zitadelle des Khans.
Inzwischen sind Reisen ent-
lang der usbekischen Seidenstra-
ße relativ unkompliziert und

GETTY IMAGES

/ NANDO PIZZINI PHOTOGRAPHY

Am


seidenen


Faden


Samarkand, Chiwa,


Buchara: Durch


Usbekistan führt


einer der


spektakulärsten


Abschnitte der


legendären


Seidenstraße. Lange


Zeit nur schwer zu


bereisen, öffnet sich


das zentralasiatische


Land für Touristen


aus dem Westen


S


eidenstraße“ – der Na-
me der legendären Ka-
rawanenroute von Chi-
na nach Mitteleuropa
steht für freien Handel über viele
Grenzen hinweg, für blendende
Geschäfte, für sagenhaften
Reichtum und Macht.
Nicht zufällig hat die chinesi-
sche Führung ihr monströses, die
halbe Welt umfassendes Investi-
tionsprogramm deshalb „Neue
Seidenstraße“ genannt: Unge-
zählte Milliarden will Peking in
die eigene und die Infrastruktur
von 65 anderen Ländern stecken,
in Straßen, Eisenbahnen und
Energieprojekte. Eine internatio-
nale Wohltätigkeitsveranstaltung
ist das indes nicht. China plant
mit dem bereits angelaufenen
Vorhaben, das machtpolitische
Gefüge der Welt zu eigenen
Gunsten zu verschieben. Staaten,
die am Großprojekt teilhaben
möchten, dürften dank der engen
wirtschaftlichen und politischen
Bindungen in die Abhängigkeit
der Geber geraten. Dennoch ma-
chen viele mit, die dringend Geld
und Know-how brauchen.


VON JOACHIM HAUCK

Bei der historischen Seiden-
straße war das völlig anders.
Auch die bestand aus einem riesi-
gen Straßennetz, das auf fast
10.000 Kilometern zwei Konti-
nente überzog. Doch die Gewin-
ne aus dem Handel waren halb-
wegs fair verteilt. Keine Karawa-


AnreiseMit Uzbekistan
Airways von Frankfurt nach
Urgench nahe Chiwa, zurück
geht es von Taschkent
(uzairways.com). Aeroflot
unterhält Verbindungen
nach Taschkent, Samarkand
und Buchara mit Zwischen-
stopp in Moskau (aero-
flot.ru/de).

RundreisenGebeco etwa
bietet acht Tage „Usbeki-
stan zum Kennenlernen“ ab
1 395 Euro pro Person in-
klusive Flüge (gebeco.de).
Windrose: 17 Tage „Entlang
der alten Seidenstraße“ ab
5 490 Euro (windrose.de).

AuskunftUsbekistan unter-
hält im deutschsprachigen
Raum bisher keine Touris-
musagenturen. Aktuelle
Reiseführer mit Auflagen
von 2019 haben die Reise-
buchverlage Dumont und
Trescher im Programm.

USBEKISTAN

Samarkand

Buchara

Chiva Taschkent

KASACHSTAN

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