Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST2019 WISSEN 27


Bei einem davon werden die
Astronauten selbst zu Versuchs-
kaninchen. Vor dem Start, wäh-
rend ihres Aufenthalts an Bord
und nach ihrer Rückkehr werden
Mediziner ihr Blut und ihren Urin
aaauf Veränderungen hin untersu-uf Veränderungen hin untersu-
chen. So wollen sie herausfinden,
wwwie sich ihr Stoffwechsel im Allie sich ihr Stoffwechsel im All
verändert. Experimente dieser
AAArt wurden seit den Anfängen derrt wurden seit den Anfängen der
bemannten Raumfahrt schon oft
gemacht – aber für die Emirate ist
es eine Premiere.
Doch die „ISS“ ist erst der
Anfang von Arabiens Marsch

ins All. Im kommenden Jahr
will das Land erstmals eine
Sonde Richtung Mars schicken.
2021 soll diese ihr Ziel errei-
chen. Ihr Name: „al-Amal“ oder
„Hope“. „Hoffnung“ sei denn
auch der Schlüsselbegriff für
diese Mission, findet Mohsen
al-Awadhi, Ingenieur in der Ab-
teilung für Weltraumsysteme
am Mohammed-Bin-Raschid-
Weltraumzentrum. „Es geht
nicht nur darum, Neues über
den Mars zu erfahren, sondern
auch darum, dieser Region
Hoffnung zu geben.“ Sein Land
läge in einer ziemlich schwieri-
gen geopolitischen Gegend.
„Wir haben komplizierte Nach-
barn“, sinniert al-Awadhi. „Viel-
leicht können die Emirate eine
bessere Zukunft haben, wenn
wir allen zeigen, dass ein Land,
das noch nicht einmal 50 Jahre
alt ist, eine solche Herausforde-
rung meistern kann.“ Damit
war denn auch der optimale

D


er Countdown läuft:
„Zwei unserer
Astronauten trainie-
ren derzeit im Ster-
nenstädtchen bei Moskau“, sagt
ein stolzer Adnan al-Rais, Di-
rektor der Abteilung für Ferner-
kundung am Mohammed-Bin-
Raschid-Weltraumzentrum in
Dubai. Sie würden sich auf
einen elftägigen Flug zur „In-
ternationalen Raumstation“
(ISS) vorbereiten. „Parallel da-
zu entscheiden wir uns für Ex-
perimente, die wir während des
Aufenthalts auf der ,ISS‘ im All
durchführen wollen.“


VON GUIDO MEYER

Einer der beiden arabischen
Astronauten wird am 25. Sep-
tember ins All fliegen; der ande-
re bleibt Ersatzmann und
kommt vielleicht später mal
zum Einsatz – dann aber für
längere Zeit, ergänzt Salem al-
Marri, stellvertretender Direk-
tor für Wissenschaft und Tech-
nologie am Mohammed-Bin-
Raschid-Weltraumzentrum.
Diese Einrichtung ist für die
Emirate ungefähr das, was die
Nasa für Amerika und was die
Esa für Europa ist – eine Art Be-
hörde, die die Weltraumaktivi-
täten des Landes koordiniert.
„Als Nächstes wollen wir einen
Astronauten für einen Lang-
zeitaufenthalt von sechs Mona-
ten zur ISS schicken“, betont
al-Marri. So etwas steht sonst
nur den Partnerländern zu, die
kontinuierlich auf der Station
zusammenarbeiten, also den
USA, Europa, Japan, Kanada
und Russland. „Das ist ziemlich
ehrgeizig, und wir freuen uns
auf unsere Mitwirkung.“
Es wäre völlig utopisch, dass
Russland vorschlagen würde,
zur Abwechslung mal einen
Astronauten aus dem befreun-
deten China zu einem Langzeit-
aufenthalt oder auch nur zu
einem elftägigen Kurzbesuch
auf die „ISS“ zu schicken. Die
gerade von US-Präsident Do-
nald Trump immer wieder zur
Schau gestellte Freundschaft
zur arabischen Welt jedoch er-
möglicht nun einen solchen
Deal. Dies wird der erste Araber
sein, der die „ISS“ betritt. Via
YouTube und über andere so-
ziale Medien soll er von dort
oben mit der arabischen Welt
interagieren, den Usern eine
Tour durch die „ISS“ auf Ara-
bisch liefern und ein paar einfa-
che wissenschaftliche Versuche
auf Arabisch vorführen. „Das
sind für unser Land wichtige
Dinge, die wir so noch nie ma-
chen konnten“, betont al-Marri.
Was klingt wie Spielerei, be-
inhaltet dennoch ein kompak-
tes, in elf Tage gepresstes wis-
senschaftliches Programm. Ei-
nige der Experimente haben die
Emirate gemeinsam mit der eu-
ropäischen Weltraumagentur
Esa konzipiert. „Unser Astro-
naut wird da oben sehr beschäf-
tigt sein“, sagt al-Marri. Allein
im europäischen Raumlabor
„Columbus“ werde er gleich
drei Experimente durchführen.


Zeitpunkt für die Reise zum
Mars gefunden: 2021 steht der


  1. Geburtstag der Staatsgrün-
    dung an. Und den wollen die
    Emirate auf dem Mars feiern –
    mit einer Sonde, die den roten
    Planeten umkreist.
    „Hope“ soll fast den gesam-
    ten Planeten binnen 72 Stun-
    den abbilden, also in nur drei
    Tagen. Die Sonde soll sich dabei
    nicht nur identische Stellen auf
    der Oberfläche zu unterschied-
    lichen Tageszeiten vornehmen,
    sondern ihre Beobachtungen
    auch über das ganze Jahr vertei-


len. Denn so lange, ein Mars-
Jahr, ist die geplante Lebens-
dauer der Sonde. „Wenn die
Jahreszeiten wechseln, können
wir Veränderungen beobach-
ten“, so al-Awadhi. „Wir haben
bislang nicht verstanden, wel-
che Auswirkungen Frühling,
Sommer, Herbst und Winter
auf die Atmosphäre haben.“
Die Atmosphäre des Mars ha-
ben sich die Emirate als
Schwerpunkt ihrer Mission
ausgesucht. Denn „Hope“ wird
weder landen, noch wird die
Sonde nach früheren Flussbet-
ten oder möglichem Leben su-
chen – denn das wäre das Übli-
che. „Wir wollen nicht das wie-
derholen, was andere Missio-
nen bereits ausführlich vor uns
getan haben“, sagt al-Awadhi
mit einem Lächeln. Die Atmo-
sphäre hingegen hätten bislang
nur wenige Länder untersucht.
„Das ist also eine echte Heraus-
forderung!“

Das Ziel ist, den Verlust der
Atmosphäre erklären zu kön-
nen. Warum ist sie fast voll-
ständig in den Weltraum entwi-
chen? Was ist einst mit dem
Mars passiert? „Wenn wir das
verstehen, hilft uns das auch,
die Erde besser zu verstehen“,
prophezeit der arabische
Raumfahrtingenieur. Denn das
Leben auf der Erde hänge von
der Beschaffenheit ihrer Atmo-
sphäre ab.
Das Gleiche gilt für den
Mars. Vermutlich war seine At-
mosphäre vor Milliarden von

Jahren dichter als heute. Sie
hätte somit flüssiges Wasser
auf der Oberfläche ermöglicht
und darin möglicherweise Le-
ben. „Die Atmosphäre des Mars
ist so interessant, weil sie heute
so dünn ist“ , glaubt auch al-
Marri. „Wir wollen wissen, ob
sie einst lebensfreundlich war,
warum sie aber heute so ausge-
dünnt ist und so gut wie über-
haupt keinen Sauerstoff ent-
hält, sodass Menschen dort
nicht überleben könnten.“
Um langfristig genaue Beob-
achtungen zu gewährleisten,
soll sich „Hope“ dem Planeten
auf 20.000 Kilometer nähern,
sich am weitesten Punkt aber
mehr als doppelt so weit von
ihm entfernen. Dieser stark el-
liptische Orbit soll im Laufe
eines Mars-Jahres – das ent-
spricht drei Erd-Jahren – eine
Erfassung von 80 Prozent der
Mars-Oberfläche ermöglichen.
Die Umlaufbahn liegt sogar

noch außerhalb der des Mars-
Mondes Deimos. Den soll „Ho-
pe“ so ganz nebenbei gleich
noch mit erforschen.
Und weil das so viele Aufga-
ben sind, brauchen die Araber
Partner. Eines ihrer Ziele war es,
die Sonde gemeinsam mit Hoch-
schulen in den USA zu entwic-
keln. „So lernen wir Dinge, die
wir noch nicht selbst beherr-
schen“, gibt al-Marri zu. „Mit
dieser Mission haben wir die
wissenschaftliche Kompetenz
von Universitäten in den Emira-
ten erhöht, vor allem in Rich-
tung Planetenwissenschaften.“
Die Universitäten von Colo-
rado, Kalifornien und Arizona
haben die drei Instrumente an
Bord der Mars-Sonde gemein-
sam mit ihren arabischen Kolle-
gen entwickelt. An Bord werden
zwei Spektrometer sein – eines
für Infrarot-, eines für ultravio-
lettes Licht – und eine optische
Kamera. Sie sollen Staubbewe-
gungen in der Mars-Atmosphä-
re beobachten, die Bildung von
Eiswolken, die Temperaturver-
teilung sowie die Ausbreitung
von Wasserdampf und Ozon.
Bleibt zu hoffen, dass sowohl
der Start im kommenden Jahr
als auch die Anreise von „Ho-
pe“ zum Mars gelingt und die
Sonde den Emiraten „Hoff-
nung“ auf einen runden Ge-
burtstag auf dem Mars machen
wird.
Ebenfalls 2020 wird das Land
den Internationalen Astronauti-
schen Kongress in Dubai aus-
richten, eine Art alljährlicher
Weltraumgipfel. Zur selben Zeit
soll in den Emiratenauch die
sogenannte Mars Science City
ihre Pforten öffnen, die das dä-
nische Architekturbüro Bjarke
Ingels Group entworfen hat.
Die Mars Science City soll das
Leben auf dem Mars simulieren.
Es geht vor allem um Forschung
in den Bereichen Energie, Was-
ser und Nahrung. „Diese Her-
ausforderungen haben wir auch
hier auf der Erde, in den Emira-
ten selbst“, erklärt al-Marri.
Aber es seien die gleichen Her-
ausforderungen, die sich bei der
Besiedlung des Mars stellen
würden. „Dies wird das erste
Projekt unserer 100-jährigen
Mars-Strategie werden.“
Die Emirate planen bereits
100 Jahre in die Zukunft. Das
Ziel am Ende dieses Zeitraums
haben sie schon ziemlich genau
vor Augen: „Das Programm
Mars 2117 ist unsere Vision, in
den kommenden 100 Jahren
den Mars zu besiedeln“, sagt al-
Marri. Natürlich werde sein
Land es sich nicht anmaßen, so
etwas alleine zu stemmen. Die
Emirate würden weltweit nach
Partnern Ausschau halten.
„Und da dies ein Projekt ist, das
es so noch nicht gibt, hoffen
wir, damit auch internationale
Geschäftspartner in die Emira-
te zu locken.“
Zum 50. Jahrestag ihrer
Staatsgründung scheinen die
Emirate die Zeichen der Zeit er-
kannt zu haben – nicht mehr
das Öl, sondern Ambitionen im
All stehen im Vordergrund.

Sarah Amiri, stellvertretende Projektleiterin der Mars-Mission, bei einer Eröffnungszeremonie

AFP/GETTY IMAGES

/KARIM SAHIB

Emirate starten


Raumfahrtprogramm


Die Vereinigen Arabischen Emirate schicken einen ersten


Menschen ins All – und schon bald soll es in Richtung Mars gehen

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