Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1

30 PANORAMA DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST2019


CHINA

Chengdu in Zentralchina, weit
über 30 Grad Celsius, die feuchte
Luft klebt überall, an Händen, Ar-
men, im Gesicht. Doch die Erlö-
sung hängt an der Zimmerwand
meiner Airbnb-Unterkunft: eine
Klimaanlage, direkt auf das Bett
gerichtet. Ich schalte das Gerät
ein. Doch Sekunden später bläst
mir nicht etwa frischer Wind ins
Gesicht, nein, aus dem Kasten an
der Wand strömt trockene heiße
Luft. Ich sitze mit der Klimaanla-
genbedienung in der Hand fas-
sungslos vor dem Gerät, das sich
in einen monströsen Föhn ver-
wandelt hat. Hektisch drücke ich
auf die Knöpfe der Bedienung,
versuche die chinesischen Schrift-
zeichen zu interpretieren. Ich ha-
be meiner Vermieterin nicht zu-
gehört, als sie in gebrochenem
Englisch die Fernbedienung er-
klärt hat. Ein großer Fehler.
In der Volksrepublik sind Kli-
maanlagen weitverbreitet, zu-
mindest in den Metropolen. Mit
569 Millionen Kühlsystemen ist
die Volksrepublik das Land mit
den meisten Klimaanlagen welt-
weit, 60 Prozent der Haushalte
sind damit ausgestattet. In nur
20 Jahren hat hier eine regelrech-
te Kühlexplosion stattgefunden:
1990 waren es nur 79 Millionen
Klimaanlagen im Land, heute
sind es siebenmal so viele. An
vielen Wohntürmen sieht man
unzählige kleine quadratische
Abluftkästen hängen.
Wie ich schmerzlich gelernt
habe, werden Klimaanlagen aller-
dings nicht nur zur Kühlung ein-
gesetzt, sondern im Winter auch
als Heizung. Ich wurde nach eini-
gen noch heißeren Minuten von
meiner sehr amüsierten Vermie-
terin erlöst. Sie hat den Monster-
föhn gebändigt und in ein sanftes
kühlendes Fabelwesen verwan-
delt. Und mir die Fernbedienung
noch einmal erklärt. SONJA GILLERT

USA

In Amerika wird immer gekühlt,
wenn nicht gar geeist wird. An-
ders als in Deutschland haben
fast alle privaten Wohnungen ei-
ne Klimaanlage, zuweilen kombi-
niert mit der Heizung. Und die
„AC“, kurz für Air Conditioner,
wird kräftig genutzt. Viele Ame-
rikaner lieben es in ihren eigenen
vier Wänden kalt, nicht zu reden
von Büros, Hotels, Supermärk-
ten, Bussen und, und, und.
Je heißer es draußen ist, desto
kälter muss es drinnen sein. Be-
sondere Herausforderungen an
den menschlichen Organismus
stellt etwa die U-Bahn in New
York, in deren Stationen oft eine
unerträglich stickige Hitze
herrscht – und deren Züge hinge-
gen völlig heruntergekühlt sind,
gefühlt fast auf Gefrierschrank-
niveau. Willkommen, Erkältung!
Natürliche Maßnahmen zur
Kühlung sind mir, mittlerweile
ein Dreivierteljahr in den USA le-
bend, bislang eher selten begeg-
net. Das gilt etwa für die bewährte
Methode des Durchzugs. Ist es in
meinem Apartment zu heiß, öffne
ich Fenster und Wohnungstür.

Sogleich dringt aus dem – na-
türlich – heruntergekühlten Flur
frische Luft hinein, nach wenigen
Momenten ist es merklich ange-
nehmer. Bei meinen Nachbarn
habe ich eine zu diesem Zwecke
geöffnete Wohnungstür noch nie
gesehen. Als hier neulich 6000
Haushalte für zehn Stunden oh-
ne Strom waren, flohen meine
Nachbarn vor der Hitze aus dem
Haus, zum Beispiel in ein Café.
Ihr wunderlicher Mitbewohner
aus Europa öffnete einfach mal
wieder Fenster und Wohnungs-
tür. DANIEL FRIEDRICH STURM

AFRIKA

Als ich vor einem Jahrzehnt
meinen Posten als Afrika-Kor-
respondent angetreten bin,
lernte ich Klimaanlagen lieben.
WWWenn man bei schwüler Hitzeenn man bei schwüler Hitze
und über 30 Grad nachts um
zwei in einem Hotelzimmer in
Niamey, der Hauptstadt von Ni-
ger, liegt, freut man sich einfach
nur über Kühle.
Blöd nur, wenn sie kaputt sind.
In Niamey war das der Fall. Na ja,
nicht ganz, aber entweder man
schaltete das Ding auf 17 Grad –
oder aus. Ich entschied mich zu-
nächst für die 17 Grad, die sich
aber antarktisch anfühlten. Da
lag ich also schlotternd unter der
Bettdecke beziehungsweise dem
Bettlaken, denn eine Decke war
angesichts der Außentemperatu-
ren erst gar nicht im Zimmer vor-
handen. Alle paar Minuten schal-
tete ich das Ding aus, dann kurz
darauf wieder an. Ich hatte schon
friedlicheren Schlaf.

Auffällig oft funktionieren die
Geräte allerdings auch in den
ärmsten Ländern der Welt. So
mancher Fahrer gibt mit seiner
Klimaanlage im Auto regelrecht
an, eine andere Erklärung habe
ich für die bisweilen eisigen Tem-
peraturen nicht. Und wer ein Ho-
tel oder ein Büro betreibt, ist auf
die Maschinen angesichts der oft
enormen Temperaturen schlicht
angewiesen.
Das kostet Strom, und den
gibt es in vielen afrikanischen
Ländern nicht flächendeckend.
So wird das Rumgepuste der Kli-
maanlagen oft vom Dröhnen der
Stromgeneratoren im Hinterhof
übertönt, die für die perfekt
temperierte Luft die Energie lie-
fern müssen – Soundtrack der
meisten Dienstreisen. Und
Grund für mehr Schlaflosigkeit.
Man kann es mir schlicht nicht
recht machen. CHRISTIAN PUTSCH

ITALIEN

Bevor ich nach Italien gezogen
bin, kannte ich die ausländische
Klimaanlagenkultur vor allem
aus den ländlichen USA, wo ich
während meiner Schulzeit acht
Monate gelebt habe. Noch heute,
knapp zwei Jahrzehnte später, er-
innere ich mich mit Grauen an
diverse Erkältungen und einen
durchgehend entzündeten Hals
in den Sommermonaten – der an-
dauernde Wechsel zwischen
brüllender Hitze und Eiseskälte
war für mich als Norddeutsche
einfach zu viel.
Entsprechend besorgt blickte
ich meinem ersten Sommer in

VISUAL CHINA GROUP/ GETTY IMAGES

INDONESIEN


Neue Hauptstadt soll


auf Borneo entstehen


Indonesien verlegt seine
Hauptstadt auf die Insel Bor-
neo. Die Entscheidung, vom
bisherigen Standort Jakarta
abzurücken, verkündete Prä-
sident Joko Widodo in einer
Fernsehansprache. Demnach
soll die neue Hauptstadt in der
Provinz Ost-Kalimantan und
damit strategisch im Zentrum
Indonesiens angesiedelt wer-
den. Das Vorhaben begründete
der Präsident damit, dass das
an der Nordwestküste der Insel
Java liegende Jakarta nicht nur
von Smog und Staus geplagt,
sondern auch regelmäßig von
Überschwemmungen heimge-
sucht werde. Fachleuten zu-
folge gehört Jakarta nicht zu-
letzt wegen unkontrollierter
Entnahmen des Grundwassers
zu den am schnellsten sinken-
den Megastädten weltweit.


BERLIN


Karlsruhe beobachtet


Mordermittlungen


Nach den tödlichen Schüssen
auf einen Georgier in Berlin
verfolgt auch die Bundesan-
waltschaft in Karlsruhe die
Ermittlungen sehr genau. „Wir
haben die Sache im Blick und
stehen im engen Kontakt mit
der Berliner Justiz“, sagte ein
Sprecher der obersten Straf-
verfolgungsbehörde. Für eine
Übernahme des Falls durch den
Generalbundesanwalt müsste
es allerdings den Verdacht
geben, dass hinter der Tat der
„Geheimdienst einer fremden
Macht“ stehen könnte. Der 40
Jahre alte Tschetschene mit
georgischer Staatsangehörig-
keit war am Freitag in einem


kleinen Park in Berlin-Moabit
erschossen worden. Der mut-
maßliche Mörder ist ein 49
Jahre alter Mann aus Russland.
Er soll dem Opfer mit einem
Fahrrad gefolgt sein und ihm
dann in den Rücken und in den
Kopf geschossen haben.

NORDRHEIN-WESTFALEN

Polizei soll künftig
Nationalität nennen

In Nordrhein-Westfalen soll
künftig in Presseauskünften die
Nationalität aller Tatverdächti-
gen genannt werden – soweit
diese zweifelsfrei feststeht. Der
Erlass zur Presse- und Öffent-
lichkeitsarbeit der Polizei in
NRW werde derzeit entspre-
chend überarbeitet, teilte das
Innenministerium in Düssel-
dorf mit. „Ich werbe seit mei-
nem Amtsantritt um Trans-
parenz. Das sollten wir in Zu-
kunft auch in der Pressearbeit
der Polizei noch konsequenter
umsetzen“, erklärte Innen-
minister Herbert Reul (CDU)
die geplante Änderung.

minister Herbert Reul (CDU)
die geplante Änderung.

minister Herbert Reul (CDU)

KÖLN

Toter am Ebertplatz:
Verdächtiger gefasst

Nach der Tötung eines 25 Jahre
alten Somaliers auf dem Kölner
Ebertplatz hat die Polizei einen
Landsmann des Opfers als
Tatverdächtigen identifiziert.
Es handele sich um einen 25-
Jährigen aus dem Raum Düren,
teilten Polizei und Staatsan-
waltschaft mit. Der Mann sei
unmittelbar nach der Tat an
einer benachbarten S-Bahn-
Haltestelle festgenommen
worden. Ihm werde vorgewor-
fen, seinem Landsmann in der
Nacht zum Sonntag in den
Hals gestochen zu haben.

KOMPAKT


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