Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1
gleichwohl. Anders bei Söder:
„Vermögensteuer machen wir
nicht.“ Dagegen forderte er: „Wir
brauchen eine Steuerreform, die
Mitte und Mittelstand entlastet.“
Kramp-Karrenbauer ist nach
ihren Patzern in den vergange-
nen Wochen offenbar unsicher
geworden. Zuletzt hatte sie Spe-
kulationen über einen Parteiaus-
schluss von Ex-Verfassungs-
schutzpräsident Hans-Georg
Maaßen befördert, was im Osten
gar nicht gut ankam. Einer Frage
dazu, wie sie dessen Rückzug aus
dem sächsischen Landtagswahl-
kampf bewerte, wich sie in Dres-
den aus. Generell formuliert sie
inzwischen sehr vorsichtig, läng-
lich, etwaige politische Pläne
werden noch häufiger als früher
zu Fragestellungen abge-
schwächt.
Wenige Tage vor den Wahlen
lässt sie Kämpfergeist, Angriffs-
lust und Mut vermissen. So über-
rascht es nicht, dass sie zur AfD,
immerhin die Hauptkonkurrenz
der CDU in Brandenburg und
Sachsen, nichts sagt. Söder
scheut die Konfrontation hinge-
gen nicht. „Zu viele Parteien be-
schäftigen sich nur mit dem Ges-
tern“, sagte er. „AfD und andere
reden nur, wie es mal hätte sein
können. Wir müssen optimis-

tisch an Probleme rangehen,
nicht ängstlich.“ Dieser letzte
Satz ist offenbar Söders Grund-
empfehlung für den Wahlkamp-
fendspurt im Osten. Denn dem
bayerischen Ministerpräsidenten
ist zu viel Verzagtheit bei der
CDU am Werk.
Als Aufbruchsignal wollte er
auch seinen Vorschlag verstan-
den wissen, schon bis zum Jahr
2030 anstatt, wie im Kohlekom-
promiss vorgesehen, erst bis
2038 aus der Kohle auszusteigen.
Doch damit setzte er sich nicht
gegen die CDU durch. Kramp-
Karrenbauer, aber auch Kretsch-
mer machten in Dresden deut-
lich, dass es bei 2038 bleibe. Sö-
der tat ihnen den Gefallen, dazu
nichts zu sagen. Er fügte sich of-
fenbar.
Mit dem Ausstiegsbeschluss,
der nun bald in Gesetzesform ge-
gossen werden soll, muss aber
ein Strukturwandel einhergehen.
Söder hat dafür schon Vorschläge
gemacht, er erneuerte sie in
Dresden. Er wolle „Sonderregio-
nen etablieren, Behördenverlage-
rungen machen“. Bei Kramp-Kar-
renbauer klang das wiederum
nicht ganz so eindeutig: „Sonder-
wirtschaftszonen haben etwas
mit der Frage des Strukturwan-
dels zu tun.“

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST2019 POLITIK 5


W


elchem ihrer beiden
Jobs Annegret
Kramp-Karrenbauer
auch nachgeht, überall wird sie
von der AfD geplagt. Als CDU-
Vorsitzende ringt sie um den
richtigen Umgang mit Ex-Verfas-
sungsschutzchef Hans-Georg
Maaßen. Der ist zwar Mitglied
der CDU; seine Wahlkampfauf-
tritte in Sachsen aber werden
von der AfD geschickt verein-
nahmt – und die Union steht dem
ratlos gegenüber.

VON THORSTEN JUNGHOLT

Auf der Suche nach einem
Konzept, sich Maaßens Rufe
nach einem wehrhaften Rechts-
staat zu eigen zu machen, ohne
dabei in nationalistische Ab-
schottungsrhetorik zu verfallen,
ist Kramp-Karrenbauer noch
nicht sonderlich weit vorange-
kommen. Zu Buche steht bislang
nur eine missverständliche For-
mulierung zu einem möglichen
Parteiausschluss Maaßens, mit
dem die Parteivorsitzende die
Wahlkämpfer in Ostdeutschland
gegen sich aufbrachte.
Und auch in ihrem Amt als
Verteidigungsministerin spielt
das Thema AfD eine Rolle.
Kramp-Karrenbauers Partei-
freund Friedrich Merz hatte in
einem Interview im Juni die The-
se aufgestellt, dass die Union
„Teile der Bundeswehr an die
AfD“ verliere. In einem „Akt der
Verzweiflung“ würden Soldaten,
„die sich im Stich gelassen füh-
len“, auf „die einfachen Antwor-
ten einer selbst ernannten Alter-
native setzen“. Für die Behaup-
tung gibt es zwar kein valides
Zahlenmaterial, aber es gibt Indi-
zien. So kann die AfD im Ver-
gleich mit anderen Parteien auf
überdurchschnittlich viele Man-
datsträger verweisen, die früher
als Zeit- oder Berufssoldaten ge-
dient haben. Mit Joachim Wun-
drak kandidiert nun sogar erst-
mals ein pensionierter Drei-Ster-
ne-General für die AfD, als Ober-
bürgermeister von Hannover.
Merz’ Äußerungen jedenfalls
waren für Generalmajor Rein-
hardt Zudrop, den Kommandeur
des Zentrums Innere Führung
der Bundeswehr, der Anlass, sich
zu Wort zu melden. Die Schlag-
zeile habe ihn verärgert, sagte er
nach Teilnehmerangaben bei ei-
ner Dienstversammlung am 24.
Juni vor mehreren Dutzend Zu-
hörern in Koblenz. Was er da-
nach weiter sagte, ist umstritten.
In einer Beschwerde an Hans-
Peter Bartels (SPD), den Wehrbe-
auftragten des Bundestags, ist
nachzulesen, Zudrop habe „eine
Wahlentscheidung von Soldaten
zugunsten der AfD scharf verur-
teilt“ und sinngemäß geäußert,
dass die Partei keine „von Solda-
ten wählbare Partei“ sei – insbe-
sondere deshalb nicht, da es „in
der AfD Rechtsextremisten“ ge-
be. Der AfD-Bundestagsabgeord-
nete Rüdiger Lucassen verlangte
in einem Schreiben an Kramp-
Karrenbauer deshalb die „sofor-
tige Suspendierung von General-

major Zudrop“. Grund: Der Offi-
zier habe seine „Kommandoge-
walt zum Zwecke der parteipoli-
tischen Auseinandersetzung
missbraucht“.
In einer Stellungnahme des
Zentrums Innere Führung heißt
es dagegen laut „Spiegel“, Zu-
drop habe seine Äußerungen
„ausdrücklich als seine persönli-
che Auffassung gekennzeichnet“.
Zwar sei die AfD demokratisch
gewählt worden. Er persönlich
aber könne die Partei nicht wäh-
len, da sie im sogenannten Flügel
„eindeutig extremistische Posi-
tionen“ vertrete. Weiter habe der
General eine „kritische Ausei-
nandersetzung mit allen Partei-
programmen, so auch dem der
AfD“ empfohlen.
Für Kramp-Karrenbauer ist
der Fall heikel. Inhaltlich mag sie
die Positionen Zudrops guthei-
ßen. Als Ministerin aber hat sie
auf die Einhaltung des Dienst-
rechts zu pochen – und dagegen
könnte der Generalmajor versto-
ßen haben. So heißt es in Para-
graf 15 Absatz 4 des Soldatenge-
setzes unmissverständlich: „Ein
Soldat darf als Vorgesetzter seine
Untergebenen nicht für oder ge-
gen eine politische Meinung be-
einflussen.“ Hinzu kommt, dass
Zudrop die neben der Führungs-
akademie wichtigste Bildungs-
einrichtung der Bundeswehr lei-
tet. Das Zentrum für Innere Füh-
rung unterrichtet jährlich rund
12.000 Lehrgangsteilnehmer, ist
verantwortlich für Hunderte Se-
minare, Veranstaltungen und

Ausstellungen. Es soll Soldaten
aller Ränge das Leitbild des
Staatsbürgers in Uniform ver-
mitteln. Parteipolitische Neutra-
lität ist dabei selbstverständlich.
Wie also geht Kramp-Karren-
bauer mit dem Fall um? Das Ver-
teidigungsministerium übte sich
bislang in Zurückhaltung. Man
werde den Sachverhalt nach den
Regeln der Geschäftsordnung
prüfen, hieß es lediglich. Zudrop
selbst dagegen ist mitteilsamer.
Nach WELT-Informationen ließ
er im Rahmen einer Mitarbeiter-
versammlung in Koblenz am
Montag voriger Woche wissen,
der Rechtsberater von General-
inspekteur Eberhard Zorn habe
Ermittlungen aufgenommen und
befrage die Teilnehmer der Ver-
anstaltung vom 24. Juni als Zeu-
gen. Das Zentrum für Innere
Führung ist dem Generalinspek-
teur direkt unterstellt.
Ein solcher Zeuge meldete sich
auch bei WELT. Der Mann, ein
erfahrener Offizier, legt Wert da-
rauf, kein Parteimitglied der AfD
zu sein und auch den Verfasser
der Beschwerde beim Wehrbe-
auftragten nicht zu kennen. Sei-
ne Erinnerung an Zudrops Auf-
tritt im Koblenzer Forum vor Zu-
hörern „vom Mannschaftsdienst-
grad bis zum stellvertretenden
Kommandeur“ aber ist eindeutig:
Der Generalmajor habe „fünf bis
zehn Minuten über die AfD ge-
wettert, richtig abgeledert und
seine Empörung über diese Par-
tei mehr als deutlich zum Aus-
druck gebracht. Ich war fas-
sungslos, das habe ich in meinen
vielen Dienstjahren noch nie er-
lebt“. Nach seiner Auffassung
handele es sich um ein „verita-
bles Dienstvergehen. Da kann
der Generalmajor zehnmal sa-
gen, dass es eine persönliche
Meinungsäußerung ist. Er
spricht als Kommandeur vor ver-
sammelter Mannschaft, und da-
mit ist es eine Stellungnahme,
die mit dem Soldatengesetz nicht
vereinbar ist“.
Abzuwarten bleibt nun, was
die Befragungen des Generalin-
spekteurs ergeben. Das Wehrres-
sort mochte auf Anfrage nicht
mitteilen, ob es sich dabei bereits
um ein Disziplinarverfahren oder
um vorgeschaltete Verwaltungs-
ermittlungen handelt. Die AfD
will den Gang des Verfahrens je-
denfalls genau beobachten. Wo-
bei sich nicht alle in der Partei
über Zudrop empören sollten.
Uwe Junge zum Beispiel, früher
Oberstleutnant und heute Partei-
sowie Fraktionschef der AfD in
Rheinland-Pfalz, hatte die Gene-
räle nach Kramp-Karrenbauers
Amtsübernahme zu einem „Auf-
stand“ aufgerufen: „Ab einer be-
stimmten Ebene scheint das
Duckmäusertum die wesentliche
Eigenschaft von Generalität zu
sein“, sagte Junge. „Unsere Ge-
neralität wird erst dann laut,
wenn sie in Pension ist oder kei-
ne Perspektive mehr hat.“ Zu-
drop hat ihm nun das Gegenteil
bewiesen – allerdings anders, als
der AfD-Mann sich das vorge-
stellt hat.

Warnung


vor der AfD:


Ermittlung


gegen


General


Ein weiterer Zeuge
belastet den
Kommandeur

des Zentrums
Innere Führung,
Generalmajor
Reinhardt Zudrop.
Verstoß gegen das
Soldatengesetz?

DPA

/ ROBERT MICHAEL

ahlkampfführung für den Osten


Generalmajor Reinhardt Zudrop

DPA

/THOMAS FREY
Free download pdf