Die Welt Kompakt - 27.08.2019

(Nora) #1

„Wir werden den Handel aus-
bauen“, schwärmte Trump. „Wir
haben über Militär und Verteidi-
gung gesprochen. Über viele Din-
ge. Eine Menge wundervoller
Dinge haben wir abgeschlossen.“
Augenscheinlich erstaunt, ver-
suchte Merkel eine freundliche
Antwort, die dennoch den Ein-
druck völliger Übereinstimmung
relativierte: „Wir hatten sehr pro-
duktive Gespräche. Angesichts
der guten Beziehungen unserer
beiden Länder können wir auch
schwierige Themen gut miteinan-
der besprechen.“ Doch Trump
blieb im Charme-Modus, nannte
Merkel „brillant“ und „großartig“
und baute mehrere Witzchen in
seine Antwort ein: „Wenn du
auch eine Pressekonferenz
machst, komme ich. Nur zum Zu-
schauen!“, sagte er zur Kanzlerin.
Als diese etwas später deutsch
sprach, wartete Trump die Über-
setzung nicht ab, sondern scherz-
te über die schwere Sprache: „Oh,
das hört sich gar nicht gut an!“
Aber auch der freundlich auf-
gelegte Trump verletzte die Re-
geln der Diplomatie. Mehrfach
antwortete er auf Fragen, die ex-
plizit an die Kanzlerin gerichtet
waren, etwa als es darum ging, ob
Deutschland von den Amerika-
nern gefangene IS-Kämpfer zu-
rücknehmen müsse, die aus
Deutschland stammen oder
schon einmal dort gelebt haben.
Auch versuchte er Merkel für sei-
ne Chinapolitik zu vereinnah-
men: „Ich glaube, Präsident Xi ist
ein großer Führer. Du glaubst das
auch, oder?“ Da konnte Merkel
nur nicken, denn Trump redete
weiter.
Auf die Frage, ob die Kanzlerin
Druck auf ihn ausgeübt habe, den
Handelskrieg mit China zu de-
eskalieren, sagte Trump: „Nein.
Sie möchte, dass es funktioniert.
Denn es wäre gut für alle Leute.“
Hier setzte Merkel wieder be-
müht freundlich einen anderen
Akzent: „Wir sind alle miteinan-
der verbunden, ich habe schon
oft gesagt, dass ich mich freuen
würde, wenn es zu einem guten
Abkommen zwischen den USA
und China kommt.“
Starr geradeaus schaute Mer-
kel, als Trump zu einer kleinen
Tirade über seine politischen
Gegner ansetzte. Er schimpfte
auf Barack Obama und weitere
frühere US-Präsidenten und be-
zeichnete seinen möglichen de-
mokratischen Gegenkandidaten
Joe Biden mit dem Schimpfna-
men „Sleepy Joe“, der verschlafe-
ne Joe. Als das Treffen immer
mehr den Charakter einer
Trump-Soloshow annahm, ver-
suchte sich Merkel Gehör zu ver-
schaffen: „If I may ...“, was Trump
aber nicht daran hinderte, wort-
reiche Überlegungen zu äußern,
wie sehr eines seiner Golfressorts
in Florida als Austragungsort des
nächsten G-7-Gipfels geeignet
wäre. Am Ende kündigte Trump


auch noch einen Besuch in Berlin
an: „Vielleicht bald. Ich habe
Deutsches im Blut. Wir werden
sehr bald in Deutschland sein.“
Tatsächlich hat der Präsident auf
mehrere Einladungen Merkels
noch nicht reagiert.
Doch mit dem bemerkenswer-
ten Auftritt mit Merkel lief sich
Trump nur warm: Sein ebenbürti-
ger Partner war der französische
Gastgeber Macron. Die Kanzlerin
war schon auf dem Rückflug, als
die beiden zu ihrer großen Ab-
schlussshow vor die Presse traten.
VVVor dem alljährlichen Treffen deror dem alljährlichen Treffen der
Führer der westlichen Welt ist viel
spekuliert worden, was aus dem
erkennbar überkommenen G-7-
Format werden würde. Trump
hätte am liebsten wieder G8 da-
raus gemacht und den seit einigen
Jahren nicht mehr erwünschten
russischen Präsidenten Wladimir
Putin hinzugebeten. Der gegentei-
lige Vorschlag, auch Trump nicht
mehr einzuladen, und so aus G
eine G6 zu machen, war nur auf
der Arbeitsebene einmal ange-
dacht, aber von den Chefs sofort
verworfen worden. Es würde auf
eine G5 gegen zwei hinauslaufen,

hatten angelsächsische Medien
spekuliert: Denn der neue briti-
sche Premierminister Boris John-
son würde sich auf die Seite
Trumps schlagen.
Es kam ganz anders: Putin
blieb fern. Trump blieb da. Und
Johnson blieb in außen- und si-
cherheitspolitischen Fragen ganz
auf der europäischen Linie. Statt-
dessen riss Macron die Initiative
an sich. Mit einer sehr selbstbe-
wussten Interpretation der G-7-
Präsidentschaft umgarnte und
provozierte er Trump gleicher-
maßen und schwang sich zu des-
sen weltpolitischem Sparrings-
partner auf. Die gemeinsame
Pressekonferenz dokumentierte
nur, was in Biarritz geschehen
war: Aus G7 war G2 geworden –
ein französisch-amerikanischer
Paartanz mit fünf Zuschauern.
Beim Macron-Trump-Tanz
führte eindeutig der Franzose: Er
gab nicht nur den Takt vor, son-
dern ging auch abwechselnd ei-
nen Schritt auf den Amerikaner
zu, um sich kurz darauf wieder
von ihm zu entfernen und dann
doch wieder zurück in die Nähe
zu wechseln. Schon am Samstag-
nachmittag – Merkel war noch
gar nicht an der Atlantikküste
eingetroffen – umgarnte Macron

Trump mit einem langen, eigent-
lich im Gipfelablauf nicht vorge-
sehenen Mittagessen. Es erntete
schöne Bilder und Lob des Ame-
rikaners.
Dann am Sonntag folgte der
entscheidende Ausfallschritt:
Macron ließ nicht nur für alle Be-
obachter völlig überraschend den
iranischen Außenminister Mo-
hammed Dschawad Sarif einflie-
gen. Also den höchsten Diploma-
ten des Landes, das Trump mit
Sanktionen überzieht. Biarritz
hielt den Atem an – war Trump
vorab informiert? Würde er den
Gipfel vielleicht sogar im Zorn
verlassen und damit G7 endgültig
begraben?
Er blieb. So sehr hatte Macron
ihn mit Freundlichkeiten einge-
sponnen, dass er ihm das diplo-
matische Husarenstück verzieh.
Zumal der Iraner den entschei-
denden Schritt nicht machen
durfte: Er war zwar in Biarritz,
nicht aber auf dem Gipfel. Tat-
sächlich trafen sich Macron und
Sarif im Hôtel de Ville des Bade-
ortes, dem Rathaus also: Das liegt
exakt gegenüber der roten Zone,
also dem Kernbereich des Gip-
fels. Trump behauptete später,
Macron habe ihn schon am Sams-
tagmittag in den Besuch Sarifs
eingeweiht. Dies dürfte kaum den
Tatsachen entsprechen. Die deut-
sche Kanzlerin jedenfalls stellte
es plausibel so dar, als sei die Ent-
scheidung, den Iraner nach Biar-
ritz zu bitten, erst nach dem ers-
ten Arbeitsessen der G7 am
Samstagabend von Macron ge-
troffen worden.
Gegen Trumps Behauptung, er
sei eingeweiht gewesen, sprechen
auch die ersten Reaktionen von
Vertrauten. So twitterte Trumps
ehemalige Botschafterin bei den
Vereinten Nationen, Nikki Haley:
„Das ist komplett respektlos ge-
genüber Donald Trump und den
anderen Führern auf dem G7.
Manipulativ von Macron, das zu
tun, und sehr unaufrichtig!“ Kein
Amerikaner war zugegen, als Ma-
crons außenpolitischer Chefbera-
ter nach dem Treffen mit Sarif
den außenpolitischen Chefbera-
ter der Kanzlerin, Jan Hecker,
und seinen britischen Kollegen
über den Verlauf des Gesprächs
informierte. Vieles spricht dafür,
dass Trump einfach entschied,
gute Miene zu Macrons Spiel zu
machen.
Und dann gab es noch eine
Überraschung bei der Pressekon-
ferenz: Frankreichs Staatschef
kündigte an, der US-Präsident
werde sich mit Irans Präsident
Hassan Ruhani treffen. „Wir ha-
ben die Bedingungen geschaffen
für eine Zusammenkunft“, so
Macron. „Wenn die Umstände
stimmen, wäre ich sicherlich be-
reit“, sagte Trump. So konnte der
Franzose einen Sieg erringen, der
ihm wichtig war: Mit dem Iran
wird wieder geredet. Und die
Amerikaner sind sogar dafür. Ein
Krieg im Nahen und Mittleren
Osten ist mit diesem Gipfel si-
cher nicht abgewendet, aber
doch etwas weniger wahrschein-
lich geworden. Kein Erfolg der
Methode Merkel, sondern der
Methode Macron.

KKKüsschen, Küsschen: Die Firstüsschen, Küsschen: Die First
Lady der USA, Melania Trump,
begrüßt Kanadas Premier Justin
TTTrudeau (l.) beim Treffen zumrudeau (l.) beim Treffen zum
Gruppenfoto. Ihr Ehemann
Donald Trump schaut weg


DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,27.AUGUST2019 POLITIK 7


hen auf die Waldzerstörung zu-
rück“, heißt es in einer Erklärung
von Entwicklungshilfeminister
Gerd Müller (CSU) vom Sonntag.
Er hängt die Messlatte hoch: „Die
G-7-Staaten müssen bis zum UN-
Klimagipfel im September die
Zusage verbindlich einlösen, ab
2020 jährlich 100 Milliarden Dol-
lar für Klimaschutzprogramme
in den hauptbetroffenen Län-
dern zu investieren.“
Dass die Katastrophe das welt-
weite Umweltgewissen aufrüt-
telt, ist eine Sache. Eine andere
ist, dass die Feuersbrünste die
Versäumnisse der regionalen Po-
litik schonungslos aufdecken. Es
brennt in Brasilien, Paraguay, Bo-
livien, Peru und Kolumbien –
aber es gibt in der Amazonas-Re-
gion keine zentrale Leitstelle für
den Katastrophenschutz, keine
Einsatzzentrale, von der aus das
Feuer gezielt bekämpft werden
könnte.
Boliviens Präsident Evo Mora-
les musste in den USA bei einer
Spezialfirma nachfragen, um eine
Boing 747 zur Brandbekämpfung
ins Land zu holen. Die Ankunft
des sogenannten Supertankers
verfolgten die Menschen faszi-
niert via Liveticker. Eigentlich
wäre es klug gewesen, hätten sich
die Amazonas-Anrainerstaaten in
den vergangenen Jahren zusam-
mengetan und angesichts der
jährlich wiederkehrenden Brände
in einen überregionalen Brand-
schutz investiert. Doch ernsthaf-
te Initiativen gab es nicht. Eine
Konsequenz der tiefen ideologi-
schen Gräben zwischen dem lin-
ken und dem rechten Lager in
Lateinamerika, die unter ande-
rem in der Haltung zum brutalen
Regime in Venezuela völlig zer-
stritten ist.
Die brasilianische Umweltakti-
vistin Marina Silva, die 2008 aus
Protest gegen die verheerende
Umweltpolitik des damaligen
Präsidenten Luiz Inácio Lula da
Silva von ihrem Posten als Um-
weltministerin zurücktrat, sieht
im Desinteresse der brasiliani-
schen Parteien am Umwelt-
schutz ein generelles Problem:
„Weder die Linke noch die Rech-
te respektiert den Amazonas“,
sagte Silva der Tageszeitung „El
Espectador“.
Die wohl prominenteste Um-
weltpolitikerin des Landes hat
erst im Oktober vergangenen
Jahres am eigenen Leib erfahren,
welcher Stellenwert eine ökolo-
gisch ausgerichtete Politik in
Brasilien hat. Als Spitzenkandi-
datin der Umweltpartei Rede
kam sie im ersten Durchgang der
Präsidentschaftswahl gerade mal
auf 1,0 Prozent der Stimmen. Sil-
va, die es bei vorangegangen
Wahlen fast in die Stichwahl ge-
schafft hatte, setzte auch diesmal
auf eine ökologische Politik, war
am Ende aber chancenlos.

F


rankreichs Präsident Em-
manuel Macron spricht
von einem globalen Fonds
für den Amazonas, Kolumbiens
Staatschef Iván Duque bringt ei-
nen Regenwaldpakt unter Füh-
rung der Vereinten Nationen ins
Spiel. Und Bundeskanzlerin An-
gela Merkel (CDU) will die Län-
der in Südamerika, die von den
Bränden im Amazonas-Regen-
wald betroffen sind, bei der Wie-
deraufforstung unterstützen. „Es
folgt ein langes Engagement“,
versprach Merkel beim G-7-Gip-
fel im französischen Biarritz.
„Die Lunge unserer gesamten Er-
de ist betroffen, und deshalb
müssen wir hier auch gemeinsa-
me Lösungen finden.“

VON TOBIAS KÄUFER

Das alles sind neue Töne, wenn
es um die Zukunft des Amazonas-
Regenwaldes geht. Bislang er-
schöpfte sich das Interesse der
westlichen Industrienationen bei
Besuchen in Brasilien auf einen
kurzen Besuch irgendeines sym-
bolischen Umweltprojekts in Ma-
naus, den Rest der Zeit widmeten
die Politiker der Wirtschaftsme-
tropole in São Paulo und Gesprä-
chen in der Hauptstadt Brasília.
Doch die verheerenden Feuer in
Brasilien haben das Potenzial, ei-
nen notwendigen internationalen
Kurswechsel in der Amazonas-
Politik anzustoßen. Erstmals
nimmt die Weltgemeinschaft
wahr, was auf dem Spiel steht.
Millionen Menschen realisieren,
dass an den jahrelangen Warnun-
gen der Umweltschützer etwas
dran ist, wonach der Regenwald
nicht nur eine regionale Angele-
genheit ist, sondern als CO 2 -Spei-
cher eine enorme Bedeutung für
das Weltklima hat. Die Katastro-
phe könnte sich als eine Riesen-
chance für den Regenwald entwi-
ckeln – wenn die entsprechenden
Weichen gestellt werden.
In einer ersten Reaktion haben
die G-7-Staaten rund 20 Millio-
nen Euro an Soforthilfen zuge-
sagt, allein elf Millionen davon
stellt Großbritannien zur Verfü-
gung. Damit sollten vor allem
Löschflugzeuge finanziert wer-
den, sagte Macron am Montag
beim Gipfeltreffen im Seebad
Biarritz. Zudem einigten sich die
Länder auf einen Wiederauffors-
tungsplan. Über den solle bei der
UN-Vollversammlung Ende Sep-
tember weiter beraten werden.
Dafür sei aber die Zustimmung
aus Brasilia nötig.
„Als nächsten Schritt brau-
chen wir ein weitergehendes G-7-
Rettungsprogramm für die Re-
genwälder weltweit. Denn alle
vier Sekunden wird die Fläche ei-
nes Fußballfelds abgeholzt – vor
allem für riesige Soja- und Palm-
ölplantagen. Elf Prozent der
weltweiten CO 2 -Emissionen ge-

Die Brandkatastrophe als


Chance für den Amazonas


G7 geben Soforthilfe und wollen über eine
Wiederaufforstung beraten

,,


Wenn die


Umstände


stimmen, wäre


ich sicherlich


bereit


Donald Trump über ein Treffen
mit Irans Präsident Hassan Ruhani
Free download pdf