Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1
Dana Heide, Sha Hua Peking

E


s waren deutliche Worte, mit denen
sich Hongkonger Unternehmen in den
vergangenen Tagen zu den Protesten in
der chinesischen Sonderverwaltungs-
zone geäußert haben. Über die chinesi-
sche Zeitung „People‘s Daily“, ein Organ der Kom-
munistischen Partei, schlugen sich zahlreiche von
ihnen klar auf die Seite Pekings. Man sei „tief be-
sorgt“ über die Gewalt und Sabotage in Hongkong,
ließ etwa die Swire Group mitteilen, größter Anteils-
eigener der Hongkonger Fluggesellschaft Cathay.
Das Unternehmen unterstütze „nachdrücklich“ die
Hongkonger Regierung, die Regierungschefin Hong-
kongs und die Hongkonger Polizei in ihrem Bemü-
hen, die „Stürme“ zu beenden und die rechtliche
Ordnung wiederherzustellen, hieß es weiter. So wie
die Swire Group äußerten sich noch viele andere

Unternehmen – die Vermutung liegt nahe, dass sie
das auf Druck von Peking getan haben.
Aber nicht einmal die deutsche Wirtschaft soli-
darisiert sich mit den Demonstranten. Im Gegen-
teil: Sie tut sich schwer damit, zu den immer wei-
ter eskalierenden Protesten in Hongkong klar
Stellung zu beziehen. Dabei dauern die regie-
rungskritischen Demonstrationen inzwischen seit
mehr als zwei Monaten an. Erst am Wochenende
waren wieder Hunderttausende Menschen auf
die Straße gegangen.
Das Schweigen der deutschen Wirtschaft ist er-
staunlich angesichts der Bedeutung der chinesi-
schen Sonderverwaltungszone für viele Unter-
nehmen. Zwar berichten die meisten Firmen da-
von, dass die aktuellen Unruhen bislang keine
konkreten Auswirkungen auf ihre Geschäftstätig-
keit vor Ort haben. Das weitere Schicksal der chi-
nesischen Sonderverwaltungszone dürfte aber

entscheidend auch für die deutsche Wirtschaft
sein. Hongkong ist nicht nur das bedeutendste Fi-
nanzzentrum Asiens, sondern für ausländische
Firmen auch das Tor zum chinesischen Markt.
Rund 600 deutsche Firmen sind vor Ort vertre-
ten. Die Sonderverwaltungsregion Hongkong sei
nach wie vor ein wichtiges Umschlagszentrum für
den Handel zwischen der EU und China, heißt es
in einem Bericht der Außenhandelskammer zur
Bedeutung der Region. Laut EU beläuft sich die
Menge der über Hongkong transportierten Waren
auf rund 43 Milliarden Euro.
Gemessen daran sind es nur wachsweiche Ap-
pelle, die die deutsche Wirtschaft nach Peking
und Hongkong sendet, um eine Lösung des Kon-
flikts zu beschleunigen. Die deutsche Wirtschaft
schätze Hongkong seit vielen Jahrzehnten dafür,
dass dort freie Meinungsäußerung und Rechts -
sicherheit im Rahmen des für die Sonderverwal-

Das Schweigen der


deutschen Wirtschaft


Deutsche Unternehmen tun sich bislang schwer damit, zu den Protesten in Hongkong


klar Stellung zu beziehen. Ihr Dilemma: Sie haben viel zu verlieren.


Proteste in
Hongkong:
Deutsche
Unternehmen
halten
sich zurück.
Xyza Bacani/Redux/laif

43


MILLIARDEN
Euro beträgt der Wert
der Waren, die über
Hongkong in die EU
transportiert werden.

Quelle:
Außenhandelskammer

Unternehmen

& Märkte

DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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