Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1

sen zu. Diese müssen Beklagte dann
zahlen, wenn sie eine unerlaubte
Handlung begangen haben.
Dass Volkswagen „unerlaubt han-
delte“, steht zunehmend außer Zwei-
fel. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat be-
reits für eine ganze Riege von Moto-
rentypen festgestellt, dass der
Konzern unerlaubte Abschalteinrich-
tungen verbaute, um die Abgaswerte
zu manipulieren. Kann ein Kunde ei-
ne solche Einschätzung des Kraft-
fahrt-Bundesamts für sein Fahrzeug
vorlegen, nehmen die Gerichte dies
als Tatsache zu den Akten und ent-
scheiden in der Regel gegen VW. Das
Handelsblatt hat die Bescheide der
Behörde veröffentlicht.


Zinszuschlag für Kläger?


Hat der Kunde Volkswagen eine un-
erlaubte Handlung nachgewiesen,
steigen die Chancen auf mehr Ent-
schädigung. Anders als Prozesszinsen
für die Zeit des Prozesses werden de-
liktische Zinsen oft ab Kaufdatum auf
den vollen Kaufpreis angerechnet.
Anwalt Rogert, der die Musterfest-
stellungsklage für die Verbraucher-
zentrale vertritt und Tausende Ein-
zelverfahren gegen VW führt, sagt
dazu: „Aktuell werden in rund 50
Prozent der Urteile den Klägern de-
liktische Zinsen zugesprochen. Seit
Ende vergangenen Jahres, als wir
zum ersten Mal deliktische Zinsen
geltend gemacht haben, hat sich der
Trend deutlich zugunsten unserer
Mandanten verschoben.“
Die Deliktzinsen haben daher ei-
nen enormen Hebel. Je länger die
Prozesse dauern, desto höher fallen
die Beträge aus, die VW zahlen muss.
Unter der Annahme, dass die Muster-
klage noch vier Jahre dauert, die Ein-
zelprozesse ein weiteres Jahr in An-
spruch nehmen und die Autos dann
im Schnitt zehn Jahre alt sind, müsste
Volkswagen bei einem Durchschnitts-
preis von 25 000 Euro allein für die
vier Jahre 2,1 Milliarden Euro Zinsen
zahlen. So könnte VW eine Verzöge-
rung am Ende nicht nur Kundenver-
trauen kosten, sondern auch Geld.
Sicherheit gibt es bei diesen Re-
chenspielen nicht. Im Zweifel wür-
den auch die Deliktzinsen nicht ver-
hindern, dass sich eine Verzögerung
für VW finanziell lohnt, sagt Evers-
berg: „Sofern die Gerichte delikti-
schen Zins ab Zahlung des Kaufprei-
ses den Käufern zusprechen, mildert
dies nur teilweise die Verringerung
des Schadensersatzes durch die Nut-
zungsentschädigung.“ Denn letztlich
übersteige das Ersparnispotenzial die
Deliktzinsen. Nur in dem Fall, dass
Prozesszinsen zusätzlich zu den de-
liktischen Zinsen gezahlt werden,
würde die Rechnung für VW nicht
mehr aufgehen.
Für VW spricht zudem die Be-
quemlichkeit vieler potenziell Ge-
schädigter. Ein relevanter Teil der
430 000 Kläger werde den individu-
ellen Schadensersatz gar nicht for-
dern, vermutet Eversberg. Er ver-
weist auf Erfahrungen aus dem
Flugverkehr. Nur zehn Prozent der
betroffenen Passagiere machten ih-
re Rechte geltend.
Dass Volkswagen am Ende keinen
Nutzungsersatz zugesprochen be-
kommt und gleichzeitig deliktische
Zinsen an seine Kunden zahlen
muss, halten Anwälte aber für un-
wahrscheinlich. Im Gegensatz zum
US-Recht geht es in Deutschland da-
rum, den ursprünglichen Zustand
wiederherzustellen. Zwar soll ein
Schädiger den Schaden ausgleichen
und vor Wiederholungstaten abge-
schreckt werden. Dass die Geschä-
digten am Ende Gewinne machen,
ist nicht beabsichtigt.


Vapiano

Geschlossene Veranstaltung


Der Restaurantbetreiber lud
„aus Platzgründen“
Pressevertreter bei der
Hauptversammlung aus.

E


s ist kaum möglich, eine Haupt-
versammlung unter noch
schwierigeren Voraussetzungen
durchzuführen. Angesichts hoher Ver-
luste erwarteten die Aktionäre des Res-
taurantbetreibers Vapiano Antworten
auf die Frage, wie es weitergehen soll.
Doch genau dazu war das Unterneh-
men am Mittwoch in Köln kaum in der
Lage. Denn Noch-Vorstandschef Cor-
nelius Everke hat seinen Rücktritt für
Ende August angekündigt. Deshalb
konnte er nur einen Rückblick auf das
abgelaufene Geschäftsjahr werfen. Und
das sah mit einem Verlust von 101 Mil-
lionen Euro bei einem Umsatz von 372
Millionen Euro mehr als düster aus.
Auch die künftige Interimschefin Va-
nessa Hall konnte noch keine Details
zu ihrer Strategie verraten. Denn sie
musste auf der Hauptversammlung zu-
nächst als Aufsichtsratsmitglied wie-
dergewählt werden. Erst danach kann
sie das Gremium wie geplant in den
Vorstand entsenden.
Wie das Unternehmen in dieser Si-

tuation mit der Kritik der Aktionäre
umgegangen ist, ist nur über Umwege
an die Öffentlichkeit gedrungen. Denn
Vapiano hat überraschend die Presse
zur Hauptversammlung nicht zugelas-
sen. Als Begründung gab das Unter-
nehmen an, dass es mit einer hohen
Teilnehmeranzahl von Aktionären
rechne. Deshalb würden aus Platz-
gründen keine Gästekarten für Journa-
listen ausgegeben. Dass Unternehmen
die Presse von der Hauptversamm-
lung ausschließen, ist extrem selten.
Vergangenes Jahr hatte beispielsweise
die Fluggesellschaft Ryanair die Presse
ausgeladen.
Doch Teilnehmern zufolge haben
nur wenige Kleinaktionäre den Weg
nach Köln gefunden. Zu entscheiden
haben sie ohnehin nichts, verfügen
doch die drei Großaktionäre, die Fami-
lie Herz, Vapiano-Mitgründer Gregor
Gerlach und die Wella-Erben Hans Joa-
chim und Gisa Sander, zusammen
über rund 80 Prozent der Anteile.
Hans Joachim Sander kündigte bereits
an, Vapiano die Stange zu halten. So
geduldig sind viele Kleinaktionäre
nicht. Der Kurs der Vapiano-Aktie, die
beim Börsengang 2017 noch fast 23
Euro wert war, fiel am Mittwoch zeit-
weise unter 3,90 Euro. Florian Kolf

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Zulieferer

Kurzarbeit bei Schaeffler


Die Flaute in der
Autoindustrie zwingt den
fränkischen Zulieferer zur
Kurzarbeit an einem
Standort in Erlangen.

Axel Höpner, Roman Tyborski
München, Düsseldorf

G


erade einmal zwei Wochen
ist es her, dass Schaeffler-
Chef Klaus Rosenfeld in einer
Telefonkonferenz erklärt hatte, wie
er beim fränkischen Zulieferer Kurz-
arbeit vermeiden wolle. Doch nun ist
klar, dass die Maßnahmen nicht aus-
reichen und der weltweite Rückgang
der Automobilproduktion Schaeffler
doch zum Handeln zwingt.
Die Maßnahme sei für den Be-
reich Sondermaschinenbau am
Standort Frauenaurach (Erlangen)
geplant, sagte eine Sprecherin am
Mittwoch und bestätigte einen Be-
richt von Nordbayern.de. Die Kurz-
arbeit solle im September beginnen
„und bis auf Weiteres erfolgen“.
Laut Industriekreisen handelt es
sich aus derzeitiger Sicht um einen
Einzelfall. „Kurzarbeit ist nicht flä-
chendeckend geplant.“ Schaeffler
versuche, „zuerst einmal alle ande-
ren Register zu ziehen“. An diesem
Standort hätten Urlaube und der Ab-
bau von Zeitkonten nicht ausgereicht.
Dies sei in wenigen Einzelfällen auch
an anderen Standorten denkbar,
Schaeffler suche aber immer erst an-
dere Lösungen. Rund 400 Mitarbei-
ter arbeiten in dem betroffenen Un-
ternehmensbereich, wo vor allem
Sondermaschinen für den Eigenbe-
darf gebaut werden. Nicht alle müss-
ten in die geplante Kurzarbeit gehen.
Seit Schaefflers Börsengang hat
der Konzern die Investoren immer

wieder mit Gewinnwarnungen ver-
ärgert. Nach Informationen des Han-
delsblatts sitzt Rosenfeld dennoch
fest im Sattel. Die Schaefflers trauten
ihm zu, die Transformation in der
Autobranche zu schaffen, hieß es im
Umfeld der Familie. Er habe in der
Industriesparte gezeigt, dass er er-
folgreich restrukturieren könne. Die
Sparte war über Jahre das Sorgen-
kind. Im ersten Halbjahr stabilisierte
die Industrie-Einheit die Schwäche
im dominierenden Autogeschäft.
Schaeffler steht wie die gesamte
Zulieferbranche unter Druck. Rosen-
feld rechnet mit einem Rückgang der
weltweiten Autoproduktion und kor-
rigierte die Erwartungen für das Ge-
samtjahr nach unten – genauso wie
Schaefflers Schwesterunternehmen
Continental. Nach einer Gewinnwar-
nung sucht auch der Dax-Konzern
nach Möglichkeiten, Kosten zu drü-
cken.
Schaeffler ist vom Wandel der Au-
toindustrie besonders stark betrof-
fen. Der Konzern ist ein Feinmecha-
nik-Spezialist und noch zu mehr als
der Hälfte vom Verbrennungsmotor
abhängig. Rosenfeld betonte kürz-
lich im Gespräch mit dem Handels-
blatt, auch in schwierigen Zeiten
dürften Zukunftsinvestitionen nicht
zurückgestellt werden.

Schaeffler-Werk: Die
Schwäche der Autoin-
dustrie hat Folgen.

Bloomberg

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MILLIONEN
Euro Verlust hat
Vapiano im vergange-
nen Jahr gemacht –
bei einem Umsatz von
372 Millionen Euro.

Quelle: Unternehmen

400

PERSONEN
arbeiten bei Schaeffler
in dem von Kurzarbeit
betroffenen Bereich.

Quelle: Unternehmen

Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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