Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1
Handelsstreit

USA und Japan


wollen einen


schnellen Deal


D


ie USA und Japan ringen an diesem Don-
nerstag in Washington um einen Durch-
bruch in ihren Handelsgesprächen. Ho-
her Druck lastet dabei auf US-Chefunterhändler
Robert Lighthizer und seinem japanischen Ge-
genüber, Wirtschaftsminister Toshimitsu Motegi,
die ihre Gespräche am Mittwoch begonnen ha-
ben. US-Präsident Donald Trump und Japans Mi-
nisterpräsident Shinzo Abe wollen am liebsten
bereits Ende September einen Rahmenvertrag
unterschreiben.
Mit der Aussicht auf niedrigere Handelsbilanz-
überschüsse will Abe seinem Golffreund Trump
für den Wahlkampf wenigstens einen handelspo-
litischen Erfolg bescheren. Doch die Hürden sind
hoch und damit die Gefahr, dass sich die Gesprä-
che noch lange hinziehen. Die Verhandlungen
würden hart, schickten japanische Diplomaten
den Gesprächen bereits voraus.
Für Trump wäre das Verfehlen des Termins ein
Rückschlag. Der enge militärische Verbündete Ja-
pan ist mit einem Handelsbilanzüberschuss von
65 Milliarden Dollar im Jahr 2018 neben China
und Deutschland einer seiner handelspolitischen
Lieblingsfeinde. Nachdem die Japaner ihn zwei
Jahre lang hingehalten hatten, drängte er dieses
Jahr mit der Androhung eines Importzolls für Au-
tos in Höhe von 25 Prozent zur Eile.

Trump kämpft für US-Farmer
Seither verhandeln auch die Japaner ernsthaft.
Denn der Strafzoll würde das Land hart treffen.
Autos und Bauteile sind für zwei Drittel des Über-
schusses im bilateralen Handel verantwortlich.
Abe will daher mit einem positiven Ergebnis ver-
meiden, dass Trump seine Zolldrohung wie ange-
kündigt im November wahr macht, aber wahr-
scheinlich nicht um jeden Preis. „Damit Abe den
Deal politisch verteidigen kann, muss er wenigs-
tens einige Zugeständnisse der USA enthalten“,
meint Tobias Harris, Japan-Experte des Sicher-
heitsberaters Teneo Intelligence. Denn Trump
fordert viel.
Der US-Präsident will vor allem Japans Markt
für Fleisch und landwirtschaftliche Erzeugnisse
öffnen, um seinen Farmern eine lukrative Alter-
native zum chinesischen Markt zu bieten, den er
mit seinem Handelskrieg geschlossen hat. Das
Problem: Zu Beginn seiner Amtszeit war der US-
Präsident aus der multilateralen transpazifischen
Freihandelszone ausgetreten. Die hätte den USA
im Rahmen der Öffnung des eigenen Markts ge-
nau die gewünschten Zollerleichterungen ge-
währt, die nun allerdings nur die der TPP treu ge-
bliebenen neuseeländischen und australischen
Rivalen genießen.
Japans Regierung will diesen Vorzug
allerdings nicht ohne Gegenleistun-
gen gewähren. Sie drängt daher auf
Senkung der Zölle auf Autos, Bauteile
und Industriegüter, die für Trump
schwer zu schlucken ist. Zugleich
wehrt sich Japan vehement da-
gegen, ein von der US-Autoin-
dustrie ge fordertes Verbot von
Währungsmanipulationen in
den Handelsvertrag aufzuneh-
men. Die jetzigen Verhandlun-
gen werden vielleicht schon zei-
gen, wie wichtig Trump ein Er-
folg ist. Martin Kölling

Shinzo Abe:
Der japanische Regie-
rungschef fordert
niedrigere Zölle auf
Autos, Bauteile
und Industriegüter.

AFP

US-Wirtschaft unter Obama und Trump
Bruttoinlandsprodukt
Veränderung zum Vorjahr

+2,9 %

HANDELSBLATT

2010 2018

Obama Trump

Quellen: BEA, Thomson Reuters Datastream

+3,


+2,


+2,


+1,


+1,


+0,


0

Arbeitslosigkeit
Quote in Prozent

3,9 %

2010 2018

Obama Trump

10

8

6

4

2

0

US-Industrieaufträge
Veränd. zum Vorjahresmonat

Juni ’

-1,2 %

Jan. ’

Obama Trump

+

+









dass die Menschen zwar mehr Geld haben, aber es
zur Seite legen“, mahnt Daco.
Konkret erwägt Trump eine Senkung der Steu-
ern auf die Löhne und auf die Kapitalerträge. Wie
Trump selbst sagte, wäre es schwer, diese neuen
Senkungen durch den demokratisch dominierten
Kongress zu bekommen. Aber er ist davon über-
zeugt, dass er zumindest eine Änderung bei den
Kapitalerträgen auch selbst entscheiden kann.
Dabei geht es um die Indexierung der Kapitaler-
tragsteuer an die Inflation. Gemeint ist da-
mit, dass man bei der Berechnung der
Kapitalertragsteuer die Inflation be-
rücksichtigt. In der Praxis heißt
das, dass etwa beim Verkauf ei-
ner Aktie auf den Kaufpreis
der Aktie die Inflation aufge-
schlagen wird. Das bedeu-
tet, dass der Ertrag und da-
mit die fälligen Steuern
deutlich geringer ausfallen,
ohne dass dafür der Steuer-
satz geändert werden muss.
Die Demokraten kritisieren,
dass Trump mit seinen Plänen
nur den Reichen helfe, die mehr
als andere investieren können. „Wir
sollten Arbeit belohnen, nicht nur Ver-
mögen. Wir sollten die Kapitalertragsteuer erhö-
hen und die Steuern für die Mittelklasse senken“,
forderte etwa der ehemalige Vizepräsident Joe Bi-
den, der für die Demokraten gegen Trump antre-
ten will.

Die Konsumausgaben der Amerika-
ner sind überraschend stabil
Noch ist auch unklar, ob wirklich eine Rezession
droht. Die Konjunkturdaten waren zuletzt ge-
mischt. Vor allem die Umkehrung der Zinskurve
hatte zuletzt die Investoren und Ökonomen verun-
sichert: In den USA haben zuletzt zum ersten Mal
seit langer Zeit zweijährige Staatsanleihen eine hö-
here Rendite abgeworfen als zehnjährige. Dies war
in der Vergangenheit ein guter Indikator für eine
bevorstehende Rezession. Ob das auch dieses Mal
gilt, ist aber umstritten, weil die langfristigen Zin-
sen auch durch die Anleihekäufe der Notenbanken
stark gedrückt wurden.
Es gab aber auch überraschend positive Daten.
Dazu gehörten die starken US-Konsumausgaben.
Die US-Verbraucher haben auch im Juli wieder flei-
ßig geshoppt und Geld ausgegeben. Auch die Infla-
tion ist höher als erwartet ausgefallen, was nicht
gerade für eine Rezession spricht. „Die Binnenwirt-
schaft läuft gut. Probleme gibt es im verarbeiten-
den Gewerbe und im Exportsektor“, beobachtet

der Commerzbank-Ökonom Weidensteiner. Diese
seien für die US-Wirtschaft aber nicht so wichtig
wie zum Beispiel für die deutsche Wirtschaft.

Attacken auf Fed-Chef Powell
sind genau kalkuliert
Trump will von seiner eigenen Verantwortung für
den jüngsten Konjunkturabschwung nichts wissen.
Lieber zeigt er wieder einmal mit dem Finger auf
die Zentralbank Federal Reserve und fordert weite-
re, schnellere Zinssenkungen. „Wenn die
Fed ihre Arbeit machte, dann hätten
wir einen Wachstumsschub, wie
Sie es noch nie gesehen haben“,
sagte Trump und forderte er-
neut, die Zinsen „um mindes-
tens einen Prozentpunkt“ zu
senken. So stark hat die Fed
die Zinsen seit der Finanz-
krise 2008 nicht mehr ge-
senkt. Außerdem brachte
Trump neue Anleihekäufe
ins Spiel.
Die neuen Attacken auf den
Fed-Chef Jerome Powell sind
zeitlich genau kalkuliert. Sie kom-
men, kurz bevor sich die Spitze der
US-Notenbank und andere führende
Geldpolitiker ab Donnerstag im amerikanischen
Jackson Hole am Fuße der Rocky Mountains tref-
fen. US-Notenbankchef Jerome Powell, der am Frei-
tag auf der Konferenz sprechen wird, ist in einer
schwierigen Lage. Denn nicht nur der ungeduldige
amerikanische Präsident, auch viele Marktteilneh-
mer erwarten weitere Zinssenkungen.
Bereits auf ihrer Sitzung im Juli hat die Fed erst-
mals seit der Finanzkrise die Zinsen gesenkt. Da-
mals hatte Powell jedoch die Erwartungen auf wei-
tere Schritte gedämpft. Er sagte, dass keine Ära
weiterer Zinssenkungen zu erwarten sei – was für
Unruhe an den Märkten sorgte. Seither jedoch hat
auch in den USA die Angst vor einer Rezession zu-
genommen. Viele Investoren erwarten daher, dass
die Notenbank nun doch weitere Zinssenkungen in
Aussicht stellt.
„Powell wird wahrscheinlich ein Signal für weite-
re Zinssenkungen geben,“ sagt Weidensteiner von
der Commerzbank. Ähnlich äußert sich auch Tors-
ten Slok von der Deutschen Bank in New York. Po-
well und der geldpolitische Ausschuss der Fed wür-
den eine Zinssenkung anstreben, „um einen stärke-
ren Abschwung der US-Wirtschaft als Folge des
Handelskriegs zu verhindern,“ sagt er. Allerdings
dürfte ein solcher Schritt für Diskussionen sorgen.
Aus Sicht von Kritikern würde Powell wie ein Ge-
triebener von Trump und den Märkten wirken.

Die Diskussion


um Steuersen -


kungen zeigt,


dass sich die


US-Regierung


Sorgen um


die Konjunk -


tur und um


ihre Wieder -


wahl macht.


Bernd Weidensteiner
Ökonom bei der
Commerzbank

Leitzins

1


PROZENTPUNKT
So stark soll die Fed nach dem
Willen von US-Präsident Donald
Trump die Zinsen senken.

Quelle: Donald Trump

Wirtschaft & Politik


DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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