Neue Zürcher Zeitung - 29.08.2019

(Martin Jones) #1

Donnerstag, 29. August 2019 ZÜRICH UNDREGION 19


A LA CARTE


Welcome


to Thaiwil


Urs Bühler·Nein,dasistkeinDruckfehler
imTitel.EineSchwalbemachtzwarnoch
keinen Sommer und ein verfärbtes Blatt
nochkeinen Herbst.Aber dem Kalauer
zuliebe dürfen doch zweiThai-Lokale
diese Seegemeinde vorübergehend zum
Thaiwil mutieren lassen.
Oft haben wir inThalwil schon wun-
derbar indisch gegessen,rein privat.
Unsere ers te Begegnung mit einem
sü dostasiatischenRestaurant in die-
semDorf führt uns aber ins «Ruen
Thai» (der Name ist einem traditionel-
len Gebäudetyp entliehen und deshalb
in der ganzenWelt für Lokale beliebt).
Es lockt ein hübsches, mit Rosens träu-
chern begrüntes Gärtli,das sich seinen
Charme auch von einer Strassenbau-
stelle vor dem Hausnicht nehmen lässt.
Diese erklärt aber wohl die geringe Be-
sucherzahl an diesem Abend.
Die Freundlichkeit des Personals
jedenfalls, die auch eine liebenswür-
dige Verabschiedung durch das ganze,
weiblich geprägte Team einschlies-
sen wird, wirkt sehr einladend. Aber
auch dieKüche lohnt den Besuch. Die
reichhaltige Karte ist vonRezepten aus
dem Süden desLandes geprägt, wozu
natürlich das Phanaeng- oderPaneng-
Curry gehört,diese eher cremige,süss-
lich-salzige Version mit Erdnussnote.
Wir geniessen sie mitPoulet (Fr. 31.–)
und finden sie formidabel, wie fast
alles hier. Bei denVorspeisen begeis-
tern dieThungen, knusprig gebackene
Ravioli mit Schweinefleischfüllung
(Fr. 13.50), ebenso wie dieTom-Kha-
Gai-Suppe (Fr. 20.–). Als Hauptgang
überzeugt etwa das würzige PlaPad
Taoschio (Fr. 34.50), ein frittierterFisch
mit Austernsauce,Ingwer, Cherrytoma-
ten. Seinen Preis absolut wert ist auch
das Dessert (Fr. 15.50), das man mit
Vorteil vorbestellt: Eine kunstvoll zum
dünnenFächer geschnittene Mango ruht
auf Klebreis, lilafarben – der Schmet-
terlingsblume seiDank –, nicht zu süss
und mit einem Hauch von Salz.
Statt Löffeln liegen zwar Messer und
Gabel neben denTellern, aber das Es-
sen soll mit Anpassungen an westeuro-
päische Gaumenrecht authentisch sein,
wiewirun ssa genlassen.Undeswird,was
für die Qualität spricht,uns in der Nacht
darauf nichts auf dem Magen liegen.
Unserer aufmerksamen Leserschaft
ist nicht entgangen, dass das zweite an-
gekündigte Lokal noch fehlt. In dieses
verschlug uns einigeWochen zuvor ein
Missverständnis, das sich wie so oft mit
dem Zufall paarte. Unseren ursprüng-
lichen Plan, schon damals das«Ruen
Thai» zu besuchen, durchkreuzte eine
freieInterpretationdiesesNamensdurch
liebeFreunde.Solandetenwirvoreinem
mässig einladenden Büroblock, in dem
namentlich IT-Firmen eingemietet sind.
Umso mehr staunten wir beim Be-
treten, als uns asiatischeFiguren wie ein
prächtiger Drachen sowieTopfpflan-
zen und Blumen in eine andereWelt
entführten: ImParterre, das einst nur
als Kantine diente, ist seit einigenJah-
renein öffentlicher Gastbetriebnamens
«GoldenThai Food» eingemietet, den
seit 2015 ein deutsch-thailändisches
Paar pachtet. Es bietet dem bei unse-
remBesuch bunt gemischten Publikum
zumindest mittags auch einige gutbür-
gerliche helvetische Speisen als Alter-
native zur exotischenKost. Auch hier
mundeteuns von der grossenAuswahl
an Curry-Typen die Panang-Version
richtig gut, (Fr. 30.–), die Mango kam
in Form einerköstlichen hausgemach-
ten Crème (Fr. 8.50) auf denTisch. Der
Service war nicht ganz so herzlich wie
im «RuenThai», aber doch so nett, dass
die Umbenennung in«Thaiwil» gerecht-
fertigt erscheint.

RuenThai, Ludretikonerst r 21, 8800 Thalwil.,
Tel. 043 443 59 89. Golden Thai Food,Zür-
cherstr. 59, 8800 Thalwil, Tel. 044 720 08 28.

Frischer Wind weht durch kleine Cafés

und Starbucks ins Gesicht

Die Grosskette gibt drei Standorte auf und spürt in Zürich den Druck der sich wandelnden Kaffeekultur


URS BÜHLER


Es hält sich hartnäckig das Gerücht,
erst Starbucks habe die Kaffeekultur
nach Zürich gebracht. Schön, das aber
trifft eher für Amerika zu. Dort grün-
dete 1971 in Seattle einTeam dieKette,
inspiriert demVernehmen nach von
Mailänder Espressobars und getragen
von der Idee, eine Gegenbewegung zu
Einheitsbrei und Supermarktkultur zu
schaffen.VierzigJahre später erkor die
Firma die Schweiz, die unter anderem
wegen der kulturellenVielfalt als ge-
eigneterTestmarkt erschien,zum Start-
punkt für ihren geplanten Siegeszug
durch Europa: Im März 2001 wurde am
Zürcher Central die ersteFiliale Konti-
nentaleuropas eröffnet.


Gratis-WLAN und Polster


Tatsächlich eroberte man von hier aus
Europa, und der Pilotbetrieb wurde
zu einem der bestlaufenden auf die-
sem Kontinent. In den folgendenJah-
ren kamen hierzulande, namentlich im
Zentrum grösserer Städte, Dutzende
Ableger hinzu, geführt imJoint Venture
mit der Bon appétit Group.
Aus der Limmatstadt waren die meis-
ten traditionellen grossen Kaffeehäuser
seit längerem verschwunden, und das
Unternehmen Starbucks erreichte in
diesemVakuum vor allem eines: Kaffee
wurde zum Lifestyle-Getränk, definiert
über dasAmbiente. Es gab unentgeltlich
WLAN füralle Gäste, was in Zürich Pio-
niercharakter hatte. Populär wurde die
Kombination ausLaptop-Arbeitsplatz
und Polstermöbeln, welche die Illusion
das Daheimseins weckten, vor allem in
Studenten- und Schülerkreisen – auch
weil einen nicht ständig jemand auffor-
derte, noch etwas zu bestellen. Zudem
profitierte das Unternehmen vomRuf
einer sozial engagierten Organisation,
der später unter arbeits- und steuer-
rechtlichenKonflikten leiden sollte.
Die an sich guten Bohnen waren und
sind für den Geschmack desVerfassers
dieser Zeilen zwar oft zu aufdringlich
stark geröstet, als dass der Espresso pur
zu empfehlen wäre. Doch die vorwie-
gend jungeKundschaft fuhr bei Star-
bucks ohnehin vor allem auf diekost-
spieligen Kaffee-Mischgetränke aller
Art ab, oft mit horrendem Zuckeranteil
und aromatisiert mit Caramel oderVa-
nille; der Frappuccinokommt heute
auch in Geschmacksrichtungen wie
«Strawberry Donut» daher.


VerschärfterWettbewerb


Heuteist Gratis-WLAN in vielen Cafés
eine Selbstverständlichkeit; und das
Bedürfnis,sich alsTeil einerkosmo-
politisch angehauchten Community zu
fühlen, stillen inzwischen eher Social-
Media-Kanäle.Und es ist neueKonkur-
renz herangewachsen.Bäckereien wie
Buchmann erschliessen sich zudem mit
Quartiercafés neue Marktsegmente,An-
gebote wie «Babu’s Bakery» kombinie-
ren hausgemachteKuchen mit Behag-
lichkeit, Buchläden wie jener desKul-
turh ausesKosmos oder das schon vor
zwanzig Jahren gegründete«Sphères»
positionieren sich als Mischung aus Café
und Arbeitsort.
Starbucks, dessen Logo heute welt-
weit gegen 30000 Filialen ziert und das
fast überall auf in der Schweiz gefertigte
Kaffeemaschinen setzt, hatte einst mit
seinem Expansionsdrang selbst zu einer
gewissen Belebung beigetragen: Die
Zürcher Cafetier-Branche musste ihr
sprödes Image ebenso hintersinnen wie
die Frage, ob der omnipräsente, dünne
Café crème wirklich das Mass aller Kaf-
feekultur sei. Aber erst lokale Klein-
betriebe und aufkommende Kleinst-
röstereien haben die Qualität und die
Szene in den letzten paarJahren zum
Blühen gebracht. Zu ihren Botschaf-
tern wurden Barista,die sich mitTattoos
auf den Unterarmen sowie mit Meister-
titeln schmückten und ihre Disziplin in


den Stand einerKunst oder einerWis-
senschaft hoben, statt bloss auf einen
Knopfan Vollautomaten zu drücken.
Analogdazu hantieren mehrund mehr
Private, des verlässlichen Nespresso-
Einerleis überdrüssig, in der eigenen
Küche mit einer anspruchsvollen Sieb-
trägermaschine herum.
Die Emporkömmlinge bedrängen
nun den Riesen, ähnlich wie lokale Bur-
ger-Hersteller seit einigenJahren McDo-
nald’s.EinigemachenStarbucksauchdas
Take-awa y-Geschäft streitig,allen voran
dieEglisauerFirmaVicafé,derenErfolgs-
geschichte in Zürich 2015 mit der Eröff-
nungder«Kaffeeklappe»amBellevuebe-
gann.So weit,dass man fast überall einen
guten Espresso bekommt wie im süd-
lichen Nachbarland, sind wir zwar noch
nicht. Noch immer erhält man ab und zu
eine erbärmliche «Lürlibrühe», mitunter
zu einem völlig überrissenen Preis.Aber

die Richtung stimmt. Schliesslich leben
wir imLand mit dem dritthöchsten Pro-
Kopf-Kaffeekonsum derWelt.

Noch 16 Filialen in Zürich


Gewiss suchenTouristenaus allerWelt
noch immer erstaunlich oft das Be-
kannte, was Starbucks in die Hände
spielt.Dass dessen Zürcher Netz im
verschärften lokalenWettbewerb unter
Druck gerät,lässt sich dennoch erahnen.
Detaillierte Geschäftszahlen legt die
Firma nicht vor, aber zumindest auf-
horchen lässt nun die Schliessung von
gleich dreiAblegern. Es könnte eine zu-
fällige Häufung sein, klar. Und als die
Kette beispielsweise 2016 in der städ-
tischen Liegenschaft an der Stüssihof-
statt einemRaclette-Restaurant Platz
machte, wurde das kaum als Signal ge-
wertet. EinigeJahre vorher hatte sie

zwar schon das Flaggschiff an derBahn-
hofstrasse verloren,konnte das aber mit
dem Bezug edlerRäume amBahnhof-
platzkompensieren, die seither sozu-
sagen alsPerle derKette gelten.
Nun also ist soeben der Standort am
Zürcher Schaffhauserplatz aufgegeben
worden,die benachbarteBäckerei Gnä-
dingerübernimmtlauteinemBerichtdes
«Tages-Anzeigers»dieFläche.UndEnde
Monat werden das ebenfalls 2003 eröff-
nete Café am Oerliker Max-Bill-Platz
und jenes amWinterthurer Neumarkt
aufgelöst,wie die Starbucks-Pressestelle
auf Anfrage bestätigt. Als Begründung
liefert sie den Standardsatz, man über-
prüfe das Angebot an Standortenregel-
mässig im Sinne eines gesundenWachs-
tums. DieAssoziation zurWendung «ge-
sundschrumpfen»liegtdanichtfern,wo-
beialleininderStadtZürichnochimmer
16 Filialen verbleiben.

Cafés und Kleinströstereien habendie Kaffeequalität in den letztenJahren zum Blühen gebracht. ENNIO LEANZA / KEYSTONE

6½ junge Starbucks-Herausforderer


«Henrici»:Ein Geschwistertrio, das
dieses Lokal vor gut zehnJahren an der
Stüssihofstatt im Niederdorf eröffnet
hat, erkannte schon früh denTrend zu
hochwertigenKaffeespezialitäten.Inden
modernisiertenRäumen des vormaligen
«Franziskaner», eines beliebten Studen-
tentreffpunkts,erfreutsichdas«Henrici»
anhaltenderPopularität, namentlich bei
einem jungen Publikum.Es führteschon
früh inKooperation mit verschiedenen
Röstereien ein bemerkenswertes Ange-
bot, das von der Cold-Brew-Methode
über den klassischen Espresso bis zum
handgerührtenFilterkaffeereicht.

«La Stanza» und Co.:Rund elfJahre
ist es her, dass vier junge Quereinstei-
ger in einem ehemaligenTeppichladen
am Bleicherweg 10 in Zürich 2 eine
Espressobar nach norditalienischem
Vorbild einrichteten.Das Interieur ist
in seinerSelbstverständlichkeiteinWurf
undwirkt,alswäreesschonimmerdage-
wesen. Und der Espresso – Café crème
sucht man bis heute vergeblich – gehört
zu den besten der Stadt,zum fairen Preis
von 4Franken (der Doppiokostet einen
Fünfliber).Inzwischen führt die Crew in
der Stadt ein halbesDutzend Betriebe
ganzunterschiedlicherPrägung,abermit
demselbenEspresso,vonder«Bar45»im
UBS-Hauptsitz an derBahnhofstrasse
bis zum «Campo» am Helvetiaplatz.

«Coffee»:Zu den bestenAdressen
für Liebhaber besonders hochwertiger

KoffeingetränkezähltdieseswinzigeLo-
kal an der Grüngasse 4 im Kreis 4.Shem
Leupin, Chef-Röster bei Stoll-Kaffee
und ehemaliger Schweizer Meister der
Barista-Gilde, braut mit seinemTeam in
einem puristisch eingerichtetenRaum
weit Überdurchschnittliches zusammen.
Sei es eine Probe des wieder in Mode ge-
kommenenFilterkaffees oder ein kräf-
tiger Schub aus der Espressomaschine:
Was hier in Gläser undTassen kommt –
für denPappbecher ist es eigentlich zu
gut –, hat Hand undFuss – oder zumin-
dest Charakter.

«Vicafé»:Die jungeEglisauerKette
hat an der Limmat einerstaunliches klei-
nes Imperium vonTake-awa y-Betrieben
aufgebaut.Ihren Erfolg verdankt sie der
Qualität der Produkte ebenso wie der
Freundlichkeit der Bedienung. Inzwi-
schen ist man an der edelstenLage der
Stadt angekommen (mit einerFiliale an
der Bahnhofstrasse 93) und darf auch
den Münsterplatz etwas beleben. Unser
Tipp:Falls dieWarteschlange vor derVi-
café-«Kaffeeklappe» am Bellevue wie-
der einmal zu lang ist, blöken Sie nicht
wie Schafe in der Herde, sondern wei-
chen Sie auf den wenige Schritte ent-
fernten Globus am Bellevueaus. Dort
stimmt das Kaffeeangebot ebenfalls –
und dieWartezeiten sind meist kurz.

«MameCoff ee:Das mehrfach preis-
gekrönte Barista-Paar EmiFukahori
und MathieuTheis zelebriert die hohe

Kaffeekultur im Kreis 5 und im Seefeld,
wo es sich den einladendenRaum mit
den Exponaten einerVelohandlungteilt.
Das sympathischeDuo hält für viele Ge-
schmäcker das passende Gebräu bereit,
von säurebetont bis nussig, wobei man
auf keinemFahr-, sondern auf einem
Aroma-Rad an derWand die entspre-
chenden Nuancen ablesen kann.

«Just Coffee»:Der ehemalige Lon-
donerBankerDavid Lewis hat sich,
der Arbeit imFinanzsektor überdrüs-
sig, letztesJahr demKoffein und der
Selbständigkeit zugewandt: In der un-
scheinbaren Hornergasse in der Innen-
stadt erfüllte er sich seinenTraum und
wandelte eine sehr bescheidene Fläche
zum Espresso-Miniparadies um. Die
Mischung der britischenRöstereiThe
RoastingParty ist eigens für dieKombi-
nation mit Milchprodukten oder vega-
nen Surrogaten ausgewählt worden,
doch der Espresso (Fr. 4.–) schmeckt
auch ohne Zugaben prima.

Zuriga-Maschine:Werzujenerwach-
sen denZahlvonLeutengehört,dieauch
daheim gerne ein hochwertiges Gebräu
trinken,könnte einKandida tfür die Zu-
riga-Espressomaschinesein.MoritzGüt-
tinger und seinTeam haben sie vor bald
drei Jahren zur Serienreife entwickelt
und schon weit über tausend Exem-
plare verkauft.Das überauskompakte
Produkt besticht durch ein schlichtes
Design und eine einfache Handhabung.
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