Neue Zürcher Zeitung - 29.08.2019

(Martin Jones) #1

26 WIRTSCHAFT Donnerstag, 29. August 2019


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Mit einer Lokalwährung gegen den Online-Handel

In La Chaux-de-Fonds soll das Zahlungsmittel «Abeille» das Gewerbe unterstützen – ander norts funktioniert das Systemkaum


ANTONIO FUMAGALLI, SITTEN


Noch gibt es sie nicht.Aber seit Dienstag-
abend ist klar, dass es nur noch eineFrage
der Zeit ist:Das Stadtparlament vonLa
Chaux-de-Fonds hat mit grosser Mehr-
heit entschieden, einem Projekt der Exe-
kutive grünes Licht zu geben – und damit
spätestens auf dieAdventszeit eine alter-
nativeWährung einzuführen.«L’A beille»
(die Biene)wird das Zahlungsmittel heis-
sen, das nicht inPapierform, sondern als
Plastikkarte daherkommt.Wer eine sol-
che besitzt und genügend Geld geladen
hat, kann damit in rund neunzig Geschäf-
ten und Institutionen – vom Quartier-
laden übersRestaurant bis zur Eisbahn



  • bezahlen.Technisch gesehen handelt es
    sich also vielmehr um einen Gutschein als
    um eineWährung, wobei der Begriff von
    den Urhebern bewusst verwendet wird.
    Die Idee dahinter istsimpel: Die
    «Biene» soll das lokale Gewerbe unter-
    stützen, das insbesondere unter dem
    zunehmenden Online-Handel leidet.
    ImFall der Neuenburger Uhrenmetro-
    polekommt hinzu, dass gleich ennet der
    (nahen) französischen Grenze grosse
    Supermärkte um SchweizerKundschaft
    buhlen. «Letztlichgeht es auch um
    Werte wie Nachhaltigkeit oder soziale
    Interaktion, damit die Stadt lebendig
    bleibt», sagt der zuständige Stadtrat
    Théo Huguenin-Elie (sp.). Die Behör-
    den wollen damit demTr end entgegen-


wirken, dassLadenflächen teilweise an
prominentesterLage leer stehen, weil
sich der Handel nicht mehr lohnt.

100 000 Franken pro Jahr


Um das Geschäft aufTouren zu bringen,
schenkt die Stadt aufWeihnachten hin all
ihren1460 Angestellten eine Karte mit
einem Guthaben von 50Fr.Auch Mit-
arbeiterprämien in der Höhe von 30 000
Fr. sollen auf dieseWeise ausbezahlt wer-
den.Insgesamt belastet das neueSys-
tem die öffentlichenFinanzen mit rund
100000 Fr. jährlich. Kann oder – bes-
ser gesagt – darf sich dies eine Stadt, die
ohnehin schon über knappeRessourcen
verfügt und zu den steuerlich unattrak-
tivsten Gemeinden der Schweiz gehört,
leisten? Huguenin-Elie verweist darauf,
dass die Löhne der Stadtangestelltenein-
gefroren worden seien und die Summe
imVergleich zum jährlichen Budget von
220 Mio. Fr. bescheiden sei. Zudem habe
man so die Sicherheit, dass das Geld der
lokalenWirtschaft zugutekomme.
Bevor die Exekutive ihre Pläne der
Öffentlichkeit präsentierte, hat sie die
bereits bestehenden Alternativen zum
Schweizerfrankengeprüft. Alleine in der
Westschweiz existieren mehrere,unter-
schiedlich ausgestaltete Lokalwährun-
gen – etwa der «Léman» am Genfersee,
der «Farinet» imWallis oder «La Grue»
imFreiburgerland.Auch international

gibt es zahlreiche Beispiele fürParallel-
währungen.
Allen gemeinsam ist: Ihre wirt-
schaftliche Bedeutung ist gering. In
Bern musste das Experiment mit dem
«Bonobo» nach dreiJahren eingestellt
werden.Auch in Sitten zeigt einAugen-
schein, dass sich der «Farinet» alles an-
dere als durchgesetzt hat. In mehreren
Geschäften der Hauptstrassekennen die

Verkäufer dieWährung nicht einmal, in
anderen heisst es: «Schon einmal davon
gehört – aber nicht daran interessiert.»
Sogar in jenen Geschäften, die sich
dazu entschieden haben, die «Farinets»
anzunehmen, harzt das Geschäft. Die
Mitarbeiterin eines Schönheitsinstituts
öffnet die Kasse und holt einen tau-

frischen Schein hervor, den die Betrei-
ber gleich bei der Einführung vor gut
zweiJahren gegen Schweizerfranken
eingetauscht hätten. Seither habekein
einzigerKunde in der Lokalwährung be-
zahlen wollen oder danach gefragt.
Etwas besser läuft es im «Intchiè
No», einem auf Regionalprodukte
spezialisiertenLaden. Er nehme den
Gegenwert von einigen hundertFran-
ken proWoche ein,sagt der Geschäfts-
führerRaphaël Bianco. Weil keiner sei-
ner Zulieferer die «Farinets» akzeptiere,
tausche er sie jeweils einfach wieder
inFranken um – was allerdings einen
administrativen Mehraufwand bedeute.
Immerhinkönne er zumKurs von eins
zu eins wechseln. Ursprünglich verlang-
ten die Betreiber, die ehrenamtlich tätig
sind, zur Deckung ihrer Unkosten eine
Kommission von 5%.

Ein steinigerWeg


Einer der Urheber derWalliser Lokal-
währung, David Dräyer, kaschiert auf
Anfrage nicht, dass sich das Projekt nicht
nachWunsch entwickelt habe.Die Er-
fahrung zeige, dass die Bevölkerung die
«Farinets» nicht breitflächig als alternati-
ves Zahlungsmittel akzeptiert habe, son-
dern derAustausch sich auf einen ohne-
hin schon für dieThematik sensibilisier-
ten Kreis vonPersonen beschränke. Dies
hänge auch damit zusammen, dass man

als Organisation vonFreiwilligen nur be-
schränkteKommunikationsmöglichkei-
ten und auch nicht die gleiche Glaub-
würdigkeit wie Behörden habe. Dabei
ist geradeVertrauen das A und O jeder
Währung. Derzeit sei man daran, ver-
schiedene Optionen zu prüfen, umden
Austausch anzukurbeln,so Dräyer. Zur-
zeit ist der Gegenwert von gut 180000
Fr. im Umlauf. In Zusammenarbeit mit
den Machern des «Léman» ist etwa die
Einführung eines elektronischen Bezahl-
systems angedacht, was Detailhändlern
und Zulieferern die Arbeit erleichtern
würde. Es sei allerdings auch denkbar,
dass man zum Schlusskomme, die lokale
Wirtschaft auf anderen Wegen – etwa mit
einemFestival oder einemFührer über
dieregionalen Produkte – besser unter-
stützen zukönnen.
Die Behörden vonLa Chaux-de-
Fonds sind überzeugt, die Lehren aus
den Schwierigkeiten der anderen Pro-
jekte gezogen zu haben. So steht die
Einführung einerPapierwährung nicht
zur Diskussion, und dieVerhandlungen
mit den Gewerbetreibenden dauern
an, damit diese ihreKunden mit einem
kleinenRabatt zurVerwendung der
«Abeille» animieren sollen. Doch auch
Stadtrat Huguenin-Eliekennt denstei-
nigenWeg.Auf dieFrage, wie gross er
dieWahrscheinlichkeit einschätze,dass
die Lokalwährung in dreiJahren noch
ex istiere, sagt er:«Fünfzig Prozent.»

Autounfall in Südafrika


sorg t für Spekulationen


Hat der Geschäftsmann Gavin Watson Selbstmord begangen?


CLAUDIA BRÖLL, KAPSTADT

Er ist ein geachteter, aber derKorrup-
tion im grossen Stil bezichtigter Ge-
schäftsmann in Südafrika gewesen:
Am frühen Montagmorgenraste Gavin
Watson, Chef des Unternehmens Afri-
can Global Operations, früher Bosasa,
in einemToyota Corolla schnurstracks
gegen einen Brückenpfeiler auf einer
Autobahn.Wie Aufnahmen des völlig
zerstörtenAutos nahelegen, war der 71
Jahre alte Südafrikaner sofort tot. Er
hatte sich auf demWegzumJohannes-
burgerO.-R.-Tambo-Flughafen befun-
den. DerAutounfallhat in Südafrika
jetzt eineWelle von Spekulationen aus-
gelöst.Watson geriet Anfang desJahres
insRampenlicht,als ein ehemaliger Bo-
sasa-Manager vor einer Untersuchungs-
kommission zu denKorruptionsaffä-
ren während der Amtszeit des frühe-
ren StaatspräsidentenJacob Zuma aus-
sagte. Demnach hatte das Unternehmen
systematisch Minister, Beamte und ein-
flussreiche Mitglieder derRegierungs-
partei ANC bestochen, um hochdotierte
Staatsaufträge zu erhalten.Auf Video-
aufnahmen warWatson zu sehen, wie er
imTr esorraum Geldtaschen füllte.
Die Enthüllungen bestätigten, dass
das Netz derKorruption während der
Zuma-Ära weiterreichte, als man vor-
her vermutet hatte.Sie zeigten auch
einen Mann, den viele zuvor als Helden
gesehen hatten, in neuem Licht. In jun-
genJahren warWatson bekannt gewor-
den, weil er sich gemeinsam mit seinen
Brüdern gegen diePolitik der Apartheid
gestellt hatte. Er hatte sich geweigert,
an Sportveranstaltungen teilzunehmen,
von denen Schwarze ausgeschlossen
waren, hatte PrivilegiennurfürWeisse
abgelehnt. Später unterstützte er den
ANC. In einer Stellungnahme derPar-
tei hiess es,Watson habe auch andere
weisse Geschäftsleute dazu gebracht,
sich für ein demokratisches Südafrika
einzusetzen. Sein philanthropisches
Engagement habe vielen jungen Men-
schen Hoffnung gegeben. Am Dienstag
hätte er einenTermin bei der Steuer-
behörde Sars gehabt, um zumVerdacht
auf Steuerhinterziehung Stellung zu
nehmen.Das von ihm geführte Unter-

nehmen befindet sich im Insolvenzver-
fahren.Jüngst gerietWatson auch wegen
einerWahlkampfspende für den amtie-
renden Staatspräsidenten CyrilRama-
phosa in dieKritik.
SeinTod auf derAutobahn wirft jetzt
vieleFragen auf. In den sozialen Netzwer-
ken waren Nutzer schnell überzeugt, es
handle sich um Selbstmord. Erinnerun-

gen an den spektakulären Tod des frü-
heren Bergbau-Magnaten BrettKebble
tauchten auf, der 2005 inJohannesburg
erschossen wurde.Wie die Täter später
vorGericht erklärten, hatteKebble selbst
die Killer beauftragt.Ähnlich wieWatson
stand er dem ANC nahe, musste sich aber
gegen eineFülle vonVorwürfen wegen
Betrugs und anderer Delikte wehren.
Einige Indizien für einen Selbstmord
gibt es.So finden sichkeine Brems-
spuren auf derFahrbahn,Watson sass
allein imAuto, angeblich soll erkein
Handy und kaum Geld bei sich gehabt
haben.Statt in seinem eigenen BMW-
Geländewagen war er in einem kleinen
Fahrzeug seines Unternehmens unter-
wegs. Wie Medien weiter berichteten,
hatte er amWochenende mit Managern
eine Gebetsstundeabgehalten. Aller-
dings soll es solche Gebete auch schon
früher gegeben haben. Ein Unterneh-
menssprecher wiederum sagte,Watson
habe sich denToyota über dasWochen-
ende ausgeliehen, weil sein BMW
mechanische Probleme gehabt habe.
Auch Spekulationen über einen Mord
machen dieRunde, denn eine Stellung-
nahme des Bosasa-Chefs vor der Unter-
suchungskommission hätte womöglich
andere einflussreichePersönlichkeiten
in die Bredouille gebracht. Nach An-
gaben derPolizei gibt es derzeit jedoch
keine Hinweise aufFremdeinwirkung.

GavinWatson
Verstorbener Chef
von African Global
PD Operations

Die Behörden
wollen demTrend
entgegenwirken,
dass Ladenflächen
leer stehen, weil
sich der Handel
nicht mehr lohnt.

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