Neue Zürcher Zeitung - 29.08.2019

(Martin Jones) #1

Donnerstag, 29. August 2019 FINANZEN 29


Niedrigzinsen


fressen Sparern


die Vorsorge weg


feb.· Die von den Zentralbanken ver-
hängten Niedrig- bisNegativzinsenreis-
sen immer grössere Löcher in dieAlters-
vorsorge. Jüngere Menschen dürften
dies besonders zu spüren bekommen,
wie mehrere jüngst publizierte Studien
ze igen.Laut demVergleichsdienst Com-
paris sind dieRenditen aufVorsorgever-
mögen in den vergangenenJahren deut-
lich geschmolzen. Seit der Einführung
des Gesetzes über die beruflicheVor-
sorge imJahr 1985 seien dieRenditen
real – also nach Abzug der Inflation –
bei durchschnittlich 3,6% proJahr gele-
gen.Seit 2008 hätten diePensionskassen
hingegen jährlich imDurchschnitt nur
noch 2,8% erreicht.

Pluszinsen fastausgeschlossen


Ein heute 30-jähriger Berufseinstei-
ger würde laut demVergleichsdienst
bei einerrealen Rendite von 3,6% im
Rentenalter einVorsorgevermögen von
687 000 Fr. ansparen. Bei einerRendite
von 2,8% seienes hingegen nur599 000
Fr.Angesichts der ultraniedrigen Zinsen
könnte diese in Zukunft aber noch ge-
ringer ausfallen.Rechnet man also mit
einer durchschnittlichenrealen Rendite
von 1,2% proJahr,würde dasVorsorge-
vermögen desselbenVersichertenimAl-
ter von 65 nur no ch 463000Fr. betragen


  • und dabei ist sogar vorausgesetzt, dass
    es zukeiner weiteren Umverteilung von
    Aktiven zuRentnernkommt, wie sie in
    der beruflichenVorsorge grassiert.
    Gemässder Bundesverfassung soll
    die beruflicheVorsorge zusammen mit
    der AHV die «Fortsetzung der gewohn-
    ten Lebenshaltung in angemessener
    Weise» ermöglichen. DieRenten aus
    AHV undPensionskasse sollten zusam-
    men 60% des letzten Lohns eines Er-
    werbstätigen ersetzen.Laut einer jüngst
    vorgestellten Studie desFinanzdienst-
    leisters VZVermögenszentrum ist die-
    ses Ziel für die meisten Erwerbstäti-
    gen in weiteFerne gerückt. Ein Mann
    mit einem Einkommen von 100000 Fr.
    komme heute noch auf knapp 55% sei-
    nes letzten Lohns vorder Pensionierung.
    2002 waren es noch rund 62%.
    Um dieVorsorgelücken zu schliessen,
    gilt die Säule 3a als die beliebtesteVa-
    riante. In einer am Mittwoch in Zürich
    präsentierten Studie desVermögensver-
    waltersAxa Investment Managers schlu-
    gen 33% derVersicherten und 38% der
    Nichtversicherten dieseVariante vor.
    Für die von GfS Zürich durchgeführte
    Studie wurden im Mai undJuni dieses
    Jahres 951Personen befragt.


Säule3a nur alsTeil der Lösung


Comparis fordert derweil diePolitik auf,
die möglichen Maximaleinzahlungen in
die Säule 3a zu erhöhen, um den ge-
nannten Problemen entgegenzuwirken.
Zudem lobt derVergleichsdienst eine
hän gige Motion des Ständerats Erich
Ettlin. Diese fordert, dass Personen
mit einem AHV-Einkommen verpasste
Säule-3a-Einzahlungen unter bestimm-
ten Bedingungen steuerbegünstigt nach-
holenkönnen.Auch Werner Rutsch von
Axa Investment Managers wertete die
Initiative an dem Anlass am Mittwoch
positiv. Jüngere Arbeitnehmerkönnten
oft die Maximalzahlungen in die Säule
3a nicht aufbringen,sagte er. Bei einer
Einführung einer solchen Regelung
hätten sie die Möglichkeit, dies spä-
ter nachzuholen. Stärkeres Sparen in
der Säule 3a wird das von den Niedrig-
zinsenausgelöste Problem aber nur teil-
weise lösen. Schliesslich kann man sich
das dort gebildeteVermögen nicht als
Rente auszahlen lassen, sondern nur als
Kapital.Laut der Axa-Studie wünschen
54% der Befragten aber dieAuszahlung
ihresVorsorgevermögens inForm einer
monatlichenRente, jeder Dritte würde
sich für einen Mix ausRente und Kapi-
tal entscheiden.

Nickel reit et auf der E-Auto-Welle


Das Metall macht Autobatterien effizienter, was unter Spekulanten eine (zu) grosse Euphorie auslöst


KRIM DELKO, SAN FRANCISCO


Zuerst Lithium, dannKobalt und nun
Nickel.Das Metall ändert sich zwar,
doch die Begeisterung bleibt. Im Mit-
telpunkt steht heute die Erwartung an
derWall Street,dass ein Nachfrageschub
bei Lithium-Ionen-Batterien zu erwar-
ten ist. Interessanterweise soll dabei
allerdings Nickel zum Schlüsselmetall
werden, zumal ein erhöhter Nickelan-
teil die Effizienz derBatterien stark er-
höht. Deshalb setzen Spekulanten nun
auf das Metall,nachdem sie zuvor schon
mit Lithium undKobalt ihr Glückver-
sucht haben. Und der Nickelpreis ist
heuer tatsächlich stark gestiegen.An der
London Metal Exchange ist der Preis für
eineTonne Nickel seitJahresanfang von
rund 10000 auf über15 000 $ gestiegen.
Der Kursschub ist zwar laut Händlern
auf andereFaktoren wie beispielsweise
den drohenden Exportbann in Indone-
sien zurückzuführen.Trotzdemist die
erwartete Nachfrage der Elektroauto-
industrie eingrosses Thema. Es wäre
allerdings nicht das erste Mal, dass die
Rohwarenmärkte von solchenVerände-
rungen zum Hype verleitet werden.


Bis zu 110 Kilo proElektroauto


Laut Schätzungen von Nornickel, dem
global zweitgrössten Nickelproduzenten
aus Russland, dürften in Zukunft zwi-
schen 30 und 110 kg Nickel pro Elektro-
auto ver baut werden. ImVergleich dazu
benutztTesla laut Branchenschätzun-
gen für ein durchschnittliches ModelS
rund65 kg Lithium.Es ist also durchaus
möglich, dass die Lithium-Ionen-Batte-
rie in Zukunft mehr Nickel als Lithium
enthalten wird.Insofern dürfte Nickel
zusammen mit Lithium der Schlüssel
zur Elektrozukunft imTransportwesen
werden. Die chemische Zusammenset-
zung derBatterien kann sich allerdings
je nach Stand derForschung ändern.
Doch davon lassen sich die Spekulan-
ten nicht abhalten. Nickel istreif für
eine Elektrobonanza.
Problematisch an der Preisentwick-
lung amRohwarenmarkt ist, dass diese
oft von unvorhersehbarenFaktoren ge-


trieben wird. Die Nickelnotierungist
laut Marktstimmen heuer nicht wegen
der Elektroautos so stark gestiegen, son-
dern weil Indonesien mit einem Export-
verbot gedroht hat.Solch politisch moti-
vierte Handelsbarrieren sind gerade
heutzutage durchaus ein Risiko und
können die Preise amRohwarenmarkt
stark bewegen.
Bisher ist Nickel hauptsächlich in der
Produktion von Edelstahl benutzt wor-
den. Falls künftig tatsächlich ein Gross-
teil der jährlich rund 90 Mio. produzier-
ten Autos vonBatterien angetrieben
wird, dürfte die Nachfrage nach Nickel
tatsächlich stark steigen. Doch selbst
wenn sich diese Prognosen bewahrhei-
ten, heisst das noch lange nicht, dass der
Nickelpreis hoch bleiben wird. Ein gutes

Beispiel dafür istLithium:Auch hier
haben dieAuguren vorJahren von der
rosigen Zukunft des Metalls geschwärmt.
Als Folge davon haben allerdings auch
die Produzenten ihre Investitionen in
neueFörderkapazität stark erhöht. Zum
Leid derAktionäre ist die Nachfrage bis-
her unter den Erwartungen geblieben,
was zu einerKorrektur des Lithiumprei-
ses geführt hat.AlsFolge davon sind die
Titel der führenden Produzenten, SQM,
Alb emarle, Ganfeng und Livent, heuer
stark ins Minus gefallen.

Preis spiegelt Produktionskosten


Von dieser Dynamik kann sich auch der
Nickelmarkt nicht abschotten.Falls die
Nachfrage tatsächlich stark anziehen

sollte,werden wohl auch die Hersteller
ihre Produktion entsprechend anpassen.
Aus Sicht der Anleger ist dabei wichtig,
dass man nicht zu hohe Nickelpreise
antizipiert. Nebst Nornickel haben auch
die brasilianischeVale und BHP grosse
Marktanteile im Nickelgeschäft.Das
sind dominante Bergbauunternehmen,
die bei Bedarf bestimmt das Kapital auf-
bringenkönnen, um die Produktion aus-
zudehnen.
Langfristig wird sich der Nickel-
preis laut Analytikern nicht weit über
den Produktionskosten haltenkönnen.
Das ist ein ehernes Gesetz,das dieAn-
leger in Zeiten der Begeisterung oft
ge rne vergessen. Zu viel Euphorie ist
deshalbkein gutesRezept amRoh-
warenmarkt.

Nickelerz ist heute so begehrt wie nochnie,dochdie grosse Nachfrage wirdauchdie Produktion ankurbeln. YUSUF AHMAD/REUTERS

Was Private vom nachhaltigen Anlegen abhält


Ausgerechnet die Finanzbranche entpupptsich als grösster Br emsklotz


MICHAEL SCHÄFER


Immer mehrHitzewellen in den hiesi-
gen Breiten, Waldbrände von Sibirien
bis Brasilien oderdie schmelzenden Eis-
decken an den Erdpolen. Nie zuvor hat
das Thema Klimawandel so viele Men-
schen bewegt wie derzeit, und auch die
Bereitschaft, etwas dagegen zu unter-
nehmen, scheint zu steigen. Diese Be-
reitschaft manifestiert sich unter ande-
rem darin, dass immer mehr Anleger
ihr Geld unter nachhaltigen Gesichts-
punkten investieren wollen – Umwelt-
verträglichkeit ist hiereinervon mehre-
renAspekten.Allerdings klaffenWunsch
und Realität noch weit auseinander.


Institutionelle sindvoraus


In denPortfolios von Privatanlegern
finden sich beispielsweise deutlich
weniger nachhaltige Anlagen als in
jenen von institutionellen Investoren
wie Pensionskassen oderVersicherun-
ge n. Eine vonVontobel Asset Manage-
ment (VAM) durchgeführte Erhebung
liefert nun Erklärungen, warum dem
so ist. So viel vorab: DieFinanzbranche
trägt eine Mitschuld.


Mit grosserRegelmässigkeit geben
Privatanlegeran, bei der Anlage ihres
Vermögens nachhaltige Aspekte be-
rücksichtigen zu wollen. Oft wird hier
von den sogenannten ESG-Kriterien ge-
sp rochen. Sie umfassen Umweltthemen
(«Environmental») wie CO 2 -Emissionen
oder dasAbfallaufkommen,sozialeThe-
men («Social») wie die Arbeitsbedin-
gungen oder die Einhaltung von Men-
schenrechten sowie dieFragen der guten
Unternehmensführung («Governance»),
wie die Besetzung derFührungsgremien
oder dasVergütungssystem.
In der bei 4600Personen in14 Län-
dern (darunter rund 500 in der Schweiz)
durchgeführten VAM-Studie gaben
viele an, ihr Vermögen nachhaltig an-
legen zu wollen. Allerdings war gut der
Hälfte der Befragten nicht bewusst, dass
man überhaupt auf diese Art undWeise
investieren kann. Lediglich ein knap-
pes Drittel derTeilnehmer legt einen
Teil ihresVermögens (durchschnittlich
ebenfalls ein knappes Drittel) nachhal-
tig an. Unter dem Strich sind damit nur
9% desVermögens der Befragten nach-
haltig investiert.Laut der Studie wäre
das Interesse aber deutlich höher – die
Antwortenden wären bereit, die Hälfte

ihresVermögens nachhaltig anzulegen.
Die Untersuchung benennt auch einen
Hauptgrund, warum der tatsächliche
Wert so stark demWunsch hinterher-
hinkt: Nur wenigeKunden werden von
ihrem Berater auf dasThema angespro-
chen.Im internationalen Schnitt war das
nur bei17% der Befragten derFall. In

der Schweiz, wo sich derFinanzplatz im
Bereich nachhaltige Anlagen als füh-
rend sieht, waren es gar nur 12%. Und
das, obwohles hierzulande schon seit
Jahren kaum eineBank gibt, die das
Thema nicht in irgendeinerForm for-
ciert. Diese dochüberraschende Er-
kenntnis hat anscheinend eine einfache
Erklärung: Häufig wüssten weder Be-

rater nochKunden, was sich hinter den
vielenFachbegriffen verbirgt.
Die Vermutung liegt nahe,dass vie-
lerorts zwar Angebote an nachhaltigen
Anlagen für jeneKunden in der Schub-
lade liegen, die solche fordern.Bei a nde-
ren Kunden ist man jedoch zurückhal-
tend. Mit nachhaltigenAnlagen verdient
man nämlich nicht substanziell mehr, die
damit verbundenenKosten sind aber
erst einmal höher, etwa inForm von
Schulungen für die Anlageberater und
längerenKundengesprächen.

Reiche undJunge wollen Infos


Glaubt man der Studie, werden die
Finanzdienstleister aber je länger,je
mehr nicht umhinkommen,an den Defi-
zit en zu arbeiten. Schon heute fordern
69% der wohlhabendenKunden mehr
Informationen zu nachhaltigenAnlagen.
Das Interesse ist auch bei denJüngeren
gros s. Und das zunehmende Interesse an
nachhaltigen Anlagen endetnicht beim
eigenenVermögen – fast die Hälfte der
Schweizer Antwortenden wünscht sich,
auch bei ihrer Pensionskasse zwischen
konventionellen und nachhaltigen An-
lagen wählen zukönnen.

Häufig wissen weder
Berater noch Kunden,
was sich hinter den
vielen Fachbegriffen
verbirgt.

Euro/Fr.
1,0874-0.09%

Dollar/Fr.
0,98180.05%

Gold($/oz.)
1538,10-0.19%

SMI
9758,19-0.28%

DAX
11701,02-0.25%

DowJones
26036,101.00%
Stand 22.1

Erdöl(Brent) 2Uhr
60,490.73%
Free download pdf