Neue Zürcher Zeitung - 29.08.2019

(Martin Jones) #1

34 REFLEXE Donnerstag, 29. August 2019


Wandel zumintegrierten Konzern


Die Jungfraubahnen


sind auch Detailhändler


DanielImwinkelried· Der sogenannte Overtou-
rism, also der massenhafte Andrang bei bekann-
tenWahrzeichen,reizt viele Einheimische bis aufs
Blut. Und er zwingtTourismusunternehmen dazu,
sich über ihre Strategie Gedanken zu machen.Eine
Lösung besteht darin,dieReisenden nicht bloss ab-
zufertigen, sondern mit ihnen mehr Geschäfte zu
machen. DiesenWeg scheint dieJungfraubahn-
Gruppezugehen, obwohl es bereits jetzt imAus-
flugsbereich wahrscheinlichkein so teures «Pro-
dukt» gibt wie dieReise auf dieJungfrau.
Die Gesellschaft will sich zum «integrierten
Freizeit- und Serviceunternehmen» weiterentwi-
ckeln.Dazu wird sie an derBahnlinie, die auf die
Jungfrau führt, weitereRestaurants übernehmen
und in Interlaken in einem ehemaligen Gebäude
der BernerKantonalbank einen Flagship-Store ein-
richten, wo unter anderem dieSwatch Group ver-
tretensein wird. Damit steigt zwar dieKomplexi-
tät der Gruppe, offenbar gewichtet derenFührung
aber dieVorteile einer solchen Geschäftsauswei-
tung höher.Die Firma versetzt sich erstens in die
Lage, die Wertschöpfung zu steigern, und kann so
zweitens die Qualität desKonsumangebots bestim-
men. Gerade Bergrestaurants sind ja häufig nichts
für Feinschmecker und eine schlechteVisitenkarte.
Als Erfolg wird man diese Geschäftsausweitung
bezeichnen dürfen, wenn bei derJungfraubahn-
Gruppe nicht bloss dieFrequenzen steigen, sondern
auch die Erträge pro Gast, wie das im ersten Semes-
ter erneut derFall gewesen ist.Das würde auch Kri-
tiker besänftigen, die in Interlaken fast zwangsläu-
fig auf den Plan treten werden.Viele halten die
Jungfraubahn-Gruppe bereits für zu mächtig – und
jetzt weitet sie ihrenRadius noch aus, konkurren-
ziert gar das einheimische Gewerbe. Nur ist wahr-
scheinlich die Zeit der Einzelkämpfer imTourismus
vorbei; nur integrierte Unternehmen sind wohl in
der Lage,inden Fernmärktenein stimmiges Pro-
duktauf den Markt zu bringen.


Allianz mit S uzuki


Das «Team Toyota»


ist nun komplett


MartinFritz, Tokio · Weltweit hat wohl kaum ein
Automanager ein solches Krisenbewusstsein wie
AkioToyoda,der Konzernchefvon Toyota. Der
63-jährige Enkel des Unternehmensgründers sieht
die Branche vor einer dramatischenWende und be-
fürchtet, dassAutobauer als Subunternehmer von
Google und Apple endenkönnten.Daher schmie-
det er seit einigenJahren Schrittum Schritteinen
japanischenVerbund für daskommendeZeitalter
der autonomen,elektrischen und «geteilten»Autos.
Von seinerVision konnte der charismatische
Manager selbst die traditionell stark auf Unabhän-
gigkeit pochenden Hersteller Mazda und Suzuki
überzeugen.Vor zweiJahren verkaufte Mazda 5%
ihrer Anteile anToyota, nun folgt, gemessen an
produziertenAutos,der Branchenvierte Suzuki.
An Subaru istToyota bereits mit knapp17% be-
teiligt.Damit ist das«Team Toyota» vorerstkom-
plett. Mit einerJahresproduktion von16 Mio. Fahr-
zeugen wird die Multi-Marken-Allianz derVolks-
wagen-Gruppe um fast die Hälfte übertroffen.
Die Team-Mitglieder sind bereits im Gemein-
scha ftsunternehmen«EV Common Architecture
Spirit» vereint,das gemeinsame Karosserien und
Komponenten für Elektroautos entwickeln will.
Der Toyota-Zulieferer Denso und Mazda gründe-
ten das Unternehmen vor zweiJahren. Nur Honda
und Nissan gehören nicht dazu. Honda nähertsich
General Motors an,Niss an und Mitsubishi ge-
hören zurRenault-Sphäre. Die Neuformierung von
Japans Autoindustrie ist weitgehend abgeschlossen.
Das Zugehen von Suzuki aufToyota ist so
logisch wie zwangsläufig: Die Kleinen müssen sich
aus Kostengründen im technologischenWettlauf an
die Branchenriesen andocken.Denn bald stirbt das
alte Geschäftsmodell,Autos nur zu bauen und zu
verkaufen.Beim Elektroauto müssen die Produ-
zenten die ganzeWertschöpfungskette abdecken.
Dank seiner imposanten Grösse hat das«Team
Toyota» wohl die besten Überlebenschancen.

Plädoyer für das Rahmenabkommen


Swissmem glaubt, viele


Wünsche offen zu haben


DominikFeldges· Es gibt sie noch – prominente
Vertreterder SchweizerWirtschaft, die den Glau-
ben an eine baldige Unterzeichnung desRahmen-
abkommens mit der EU nicht verloren haben. Der
Bundesrat müsse nun in die Hosen steigen und
in Verhandlungen mit Brüssel die noch offenen
Punkte beim Lohnschutz, bei der Unionsbürger-
richtlinie und den staatliche Beihilfen klären,sagt
Hans Hess, der Präsident des Maschinenindustrie-
BranchenverbandsSwissmem. Hess hält dasRah-
menabkommen für unerlässlich, um den bilatera-
len Weg gegenüber der EU und mit ihm die erfolg-
reiche Weiterexistenz vorab der exportabhängigen
SchweizerWirtschaftszweige zu sichern.
Wird die Unterzeichnung hingegen auf die lange
Bank geschoben, befürchtetSwissmem wie andere
Wirtschaftsverbände zuRecht, dass die Schweiz in
der Prioritätenliste derneu zusammengesetzten
EU-Kommission weit nach hinten rutscht. Nach
Ansicht von Hess würde den hiesigen Unterneh-
men in der Zusammenarbeit mit ihrem oft wich-
tigsten Handelspartner eine Phase der Unsicher-
heit von unbekannterDauer blühen.
Dies ist wohl das Letzte, was Schweizer Indus-
triebetriebe im gegenwärtigen Umfeld benötigen,
das aufgrund der globalen Handelsstreitigkeiten
sowie der weltweitenKonjunkturverlangsamung
ohnehin mit grossenFragezeichen behaftet ist. So
gesehen ist die Nervosität derSwissmem-Vertreter
mit Blick auf die Schweizer Europapolitik gut zu
verstehen. Anders als in aussen- würde demVer-
band in innenpolitischenFragen aber etwas weni-
ger Aktivismus gut anstehen. An seiner Halbjah-
reskonferenz präsentierte er einen ganzenWunsch-
katalog an die Arbeitsmarkt-, Sicherheits-, Sozial-
und Forschungspolitik des Bundes.Auffallend still
verhielt er sich zum Stand eigenerAnstrengungen.
Mehrhätte man gerneinsbesondere zu den mit
Spannung erwarteten neuartigen Umschulungen
für ältere Industriearbeiter (Passerelle) erfahren.

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