Neue Zürcher Zeitung - 29.08.2019

(Martin Jones) #1

42 SPORT Donnerstag, 29. August 2019


«Schlag ins Gesicht»


YB verpasst di e Champion s League – das Scheitern steh t für das Leben im Ha msterrad


BENJAMINSTEFFEN, BELGRAD


Es war weit nach Mitternacht, als der
Verkehr unweit desFussballstadions von
Roter Stern Belgrad zum Erliegen kam.
Alles, jede und jeder, hatte stillzustehen,
als einePolizeieskorte den Mannschafts-
bus derYoung Boys um1Uhr in Rich-
tung Hotel geleitete.Nicht viel anders
war es einige Minuten später, als Sire-
nen losgingen undPolizisten Anweisun-
gen schrien, damit ein Bus mit YB-Fans
freieFahrt erhielt.
Es waren die Abschiedsgrüsse nach
einer Begegnung, der mehr Bedrohung
zugeschrieben worden war, als sie letzt-
lich verströmte.Erstspät, nach derPar-
tie, spielten sich Szenen ab, wie sie nicht
überall zu sehen sind: wie Spieler von
Roter Stern auf ein Armeefahrzeug stie-
gen undmitFeuerwerk zu denFans fuh-
ren. Es gab etwas zu feiern: die zweite
Champions-League-Teilnahme inFolge



  • dieVorfreude auf grosse Spiele, auf
    viel Geld.Darauf wies auch Vladan
    Milojevic hin, derTr ainer des Klubs.Vor
    der Pressekonferenz applaudierten ihm
    Journalisten.Aus den monoton vorge-
    tragenen Antworten sprach Erleichte-
    rung, seinTeam sei «nervös» gewesen,
    vielleicht sei derRespekt vor dem Geg-
    ner etwas gar gross gewesen.


Enttäuscht, ernst,grimmig


YB hatte Eindruck hinterlassen, vor
allem imHinspiel. Niemand hätte ge-
staunt, wäre YB weitergekommen.
Gerardo Seoane sprach in Belgrad sehr
deutlich, damit jedem klar war, dass der
YB-Trainer diesenWorten besondere


Wirkung verleihen wollte. «Wir sind
heuteextrem enttäuscht», sagte er und
schaute ernst, wenn nicht: grimmig.
Die Fussballschweiz muss diesen
Tr ainer zuerst nochkennenlernen in
Momenten des Scheiterns. DasVerpas-
sen derKönigsklasse ist Seoanes bisher
grösste Niederlage, und er erlitt sie –

ohne Niederlage.Nach dem 2:2 in Bern
schafften dieYoung Boys beiRoter
Stern Belgrad nur ein 1:1, sie waren
lange zu zaghaft gewesen imRückspiel.
Mit YB hat Seoane in 56 Spielen
erst achtmal verloren, darunter gegen
Juventus,Valencia und zweimal gegen
Manchester United, 20 18 in der Cham-
pions League.Wie oft hatte er nach die-
sen Spielen denLerneffekt gepriesen.
Nach dem 0:1 in Manchester hatte er ge-
sagt, die Mannschaft habe nicht geern-
tet, was sie verdient gehabt hätte, aber
sie sei jung. Es stimmte, doch in Belgrad
klang es nicht anders. Seoane sagte, über
beide Spiele gesehen, habe YB vieleTor-
chancen gehabt, Effizienz und Genauig-
keit hätten gefehlt; aber die Mannschaft
sei jung, dank solchen Spielen werde sie
sich entwickeln. Und es wirkte abermals
glaubwürdig.

Darin zeigt sich,in welchem Hams-
terrad ein Klub wie YB gefangen ist;
immer wieder um- und aufbauen, auf
rasche Fortschritte hoffen. In dieser
Hinsicht hatteRoter Stern etwas vor-
aus. Der serbische Meister spielte in der
vergangenen Saison auch in der Cham-
pions League und bezwang den späte-
ren Sieger Liverpool.DieMannschaft
verlor zuletzt aber weniger Leistungs-
träger als YB, zudem stand mit Marko
Marin ein herausragender Einzelspieler
in ihrenReihen.Eshalf denYoung Boys
nicht,dass ihrewohl bestenFussballer,
Guillaume Hoarau und Miralem Sulej-
mani, in den vergangenenWochen ange-
schlagen waren; mit denJoker-Einsätzen
in Belgrad glichen sie Nothelfern, die zu
spät kamen.

Kulturreisezu Roter Stern


So verpasste YB die Champions League,
es ist eine Negativmeldung, wie sie sel-
ten geworden ist bei diesem Klub.
Seoane mochte nicht von einem «Rück-
schlag»reden, YB werde nicht nach hin-
ten geworfen, «aber es ist ein Schlag ins
Gesicht». Noch falle es ihm schwer, von
der Europa League zu sprechen, doch
nun sammle YB halt auf dieser Stufe
Erfahrungen. Sein Antipode Milojevic
brauchte derweil nichts schönzureden.
Er freue sich auf Gegner, die zur Crème
de la Crème gehörten – und die in Bel-
grad auchTr aditionundKulturken-
nenlernen dürften. DieseAussage hatte
etwas Sonderbares, derFussballtrainer
klangwie einReiseführer.Aber wer mit-
bekam, wie dasTeam draussen feierte,
der wusste, was Milojevic meinte.

LEICHTATHLETIK

Nicole Büchler im achten Rang
Weltklasse Zürich (im Zürcher Hauptbahnhof).Frauen.
Stabhochsprung (Indoor /kein Diamond-League-Final):


  1. Sidorowa (ANA/RUS) 4,87. 2. Nageotte (USA) 4,82. 3.
    Newman (CAN) 4,82. 4. Morris (USA) 4,72. 5. Bradshaw
    (GBR) und Silva(CUB) je 4,72. 7. Stefanidi (GRE) 4,62.

  2. Büchler (SUI) 4,52. – Moser (SUI) ohne gültigenVersuch.


MOUNTAINBIKE

Team-Gold für die Schweiz
zum WM-Auftakt
(sda)·Die Schweizer Mountainbiker
haben die WM in Mont Sainte-Anne
(Kanada) mit dem neuerlichen Erfolg
in derTeam-Staffel lanciert. Nino Schur-
ter, Jolanda Neff, SinaFrei,JoelRoth
undJanisBaumann setzten sich am ers-
tenWettkampftag derTitelkämpfe 16
Sekunden vor den USA und 28 Sekun-
den vor denFranzosen durch.

RAD

Lopez wieder Leader


  1. Spanien-Rundfahrt (WorldTour). 5. Etappe,
    L’Eliana–Javalambre (170,7 km):1. Madrazo (ESP)
    4:58:31. 2. Bol (NED) 0:10 zurück. 3. Herrada (ESP) 0:22.

  2. Angel Lopez (COL) 0:47. 5.Valverde (ESP) 0:59. 6. Roglic
    (SLO), gleiche Zeit. 7. Pogacar (SLO) 1:29. 8. Quintana
    (COL) 1:41. –Gesamt: 1. Lopez 18:55:21. 2. Roglic 0:14. 3.
    Quintana 0:23. 4.Valverde 0:28. 5. Roche 0:57.


TENNIS

Thiem ausgeschieden
US Open. Grand-Slam-Turnier (57,24 Mio. Dollar /
Hart). Männer. 2. Runde:Federer (SUI/3) s.Dzumhur
(BIH) 3:6, 6:2, 6:3, 6:4. Dimitrov (BUL) s. Coric (CRO/12)
w.o. (Rückenverletzung). Nishikori (JPN/7) s. Klahn (USA)
6:2, 4:6, 6:3, 7:5. – Federer in der 3. Runde gegen Pouille
(FRA/25) oder Evans (GBR). –1. Runde:Laaksonen (SUI)
s. Cecchinato (ITA) 7:6 (7:3), 7:6 (8:6), 2:6, 3:6, 7:6 (7:2).
Nadal (ESP/2) s. Millman (AUS) 6:3, 6:2, 6:2. Fabbiano
(ITA) s. Thiem (AUT/4) 6:4, 3:6, 6:3, 6:2. Zverev (GER/6)
s. A lbot (MDA) 6:1, 6:3, 3:6, 4:6, 6:2. Pospisil (CAN) s.
Chatschanow (RUS/9) 4:6, 7:5, 7:5, 4:6, 6:3. Monfils
(FRA/13) s. Ramos-Viñolas (ESP) 7:6 (7:2), 6:4, 6:3.
Shapovalov (CAN) s. Auger-Aliassime (CAN/18) 6:1,
6:1, 6:4. Schwartzman (ARG/20) s. Haase(NED) 6:3,
7:6 (8:6), 6:0. Kyrgios (AUS/28) s. Johnson (USA) 6:3,
7:6 (1), 6:4. Paire(FRA/29) s. Schnur (CAN) 6:2, 6:4, 6:4.
Andujar (ESP) s. Edmund (GBR/30) 3:6, 7:6 (7:1), 7:5, 5:7,
6:2. – Laaksonen in der 2. Runde gegen Shapovalov. –
Frauen. 2. Runde:Pliskova (CZE/3) s. Bolkwadze (GEO/Q)
6:1, 6:4. Switolina (UKR) s.Venus Williams (USA) 6:4,
6:4.–1. Runde: Mertens (BEL/25) s.Teichmann (SUI)
6:2, 6:2. Sabalenka (BLR/9) s. Asarenka (BLR) 3:6,6:3,
6:4. Kalinskaja (RUS/Q) s. Stephens (USA/11) 6:3, 6:4.
Andreescu (CAN/15) s.Volynets (USA) 6:2, 6:4.Wozniacki
(DE N/19) s.Yafan (CHN) 1:6, 7:5, 6:3.Vekic (CRO/23) s.
Hogenkamp (NED) 7:6 (7:4), 6:3.Babos (HUN) s. Suarez
Navarro (ESP/28) 6:2 Aufgabe(Rückenverletzung).
Bolsova (ESP) s. Strycova (CZE/31) 6:3, 0:6, 6:1. Gauff
(USA) s. Potapowa (RUS) 3:6, 6:2, 6:4.

FUSSBALL

Champions League
Play-off-Rückspiele.SLAVIA PRAG - Cluj Hinspiel:1:0.
Rückspiel: 1:0 (0:0). FC BRÜGGE - LASK Linz Hinspiel: 1:0,
Rückspiel: 2:1 (0:0). AJAX AMSTERDAM - Apoel Nikosia
Hinspiel: 0:0, Rückspiel 2:0 (1:0).

Sport amFernsehen

SRF 217.50Volleyball. EM Frauen. Schweiz -
Weissrussland.19.30Leichtathletik.Weltklasse
Zürich.22.35Sport aktuell.

RTS215.30Golf. European Masters in Crans-
Montana.

«Wir sind
heute extrem
enttäuscht.»

Gerardo Seoane
KEYSTONE YB-Trainer

NEW YORK, NEW YORK


Manchmal irren


Abwesende nicht


Daniel Germann·Die Franzosenkennen
dieRedewendung «Les absents ont tou-
jours tort», die Abwesenden haben immer
unrecht. Oder etwas salopper übersetzt:
Wer dieParty verpasst, ist selber schuld.
Doch imFall von Andy Murrayirrt das
Sprichwort. Der32-jährige Schotte arbei-
tet nach einer schweren Hüftoperation
am Comeback. InWimbledonkehrteer
im Doppel auf den Court zurück, danach
versuchte er sich in Cincinnati undWins-
ton-Salem auch im Einzel wieder.
Murrayliegt nach seiner langen Lei-
denszeit imRanking noch auf Platz 328.
Doch für das US Open wäre ihm eine
Wild Card für das Hauptturnier sicher
gewesen. Schliesslich ist er eine ehe-
maligeWeltnummer 1 und hat 2012 in
Flushing Meadows den ersten von bis-
her drei Grand-Slam-Titeln gewon-
nen. Aber nach den Niederlagen gegen
Richard Gasquet undTennys Sandgren
entschied Murray, dass die Major-Bühne
für ihn noch zu gross sei, und schrieb
sich für das Challenger-Turnier auf der
Ferieninsel Mallorca ein.
Während seine ehemaligen Kon-
kurrenten undKollegen in NewYork
über die Plätze hetzen, arbeitet Mur-
raynun inRafael NadalsTennisakade-
mie in Manacor am «Rafa Nadal Open»
am Comeback und feiert erste Erfolgs-
erlebnisse. In der erstenRunde schlug er
den17-jährigenFranzosen Imran Sibille
bei dessen Profidebüt 6:0, 6:1, danach
denSlowaken Norbert Gombos 6:4, 6:3.
Dieser zweite Erfolg war schon einiges
mehr wert. Gombos liegt imRanking
auf Platz 115 und führt die Challenger-
Tour nach Siegen an.
Natürlich sieht Murrayseine Zukunft
nicht in der zweithöchstenTurnierkate-
gorie, und auch im Kreis der Besten er-
wartetman ihn sehnlichst zurück. Doch
zumindestRafael Nadal freut Murrays
temporärer Abstecher in sein Domizil.
Eine bessereWerbung für die Akademie
hätte er sich nicht wünschenkönnen.
Entsprechend grosszügig zeigt sich der
Mallorquiner.AusDank wurde Murray
offeriert, zur Zerstreuung jederzeit mit
seinerJacht in See stechen zu dürfen.

ZeitplanvonWeltklasse Zürich
Am Donnerstag
18.15 Uhr: DreiF20.41 Uhr: 200 m F
18.30 Uhr: HochM20.45 Uhr:Weit M
18.50 Uhr: StabM20.48 Uhr: 1500 m F
19.05 Uhr: SpeerF20.55 Uhr: Speer M
19.35 Uhr: KugelF21.02 Uhr: 400 m Hürden F
19.54 Uhr: 800 m F* 21.13 Uhr: 100 m M
20.04 Uhr: 400 mF21.21 Uhr: 5000 m M
20.13 Uhr: 800 mM21.44 Uhr: 400m HürdenM
20.23 Uhr: 3000 m St.F21.54 Uhr: 4×100 m F*
M = Männer; F = Frauen; * = keine Diamond-League-Disziplin

Harte Arbeit am verregneten Mittwoch

Roger Federer muss sich nach dem 3:6, 6:2, 6:3, 6:4 geg en Damir Dzumhur am US Open steigern


DANIEL GERMANN, NEWYORK


Eskommt in NewYorkrecht selten
vor, dassRogerFederer beiTageslicht
spielt. Und weil das am Mittwoch in sei-
nem Zweitrundenspiel so war, nutzten
zwei seiner vier Kinder die Gelegenheit,
umPapa bei der Arbeit zuzusehen. Und
genau das war es denn auch, was der
38-jährigeBaselbieter gegen den Bos-
nierDamir Dzumhur zu erledigen hatte:
Arbeit, harte sogar.Esdauerte über 80
Minuten, ehe einer seiner Punkte die
Zuschauer von den Sitzen und zu einer
stehenden Ovation riss.Viel häufiger
mussten sie sich mit ungewohnter Haus-
mannskost zufriedengeben.
Wie schon im ersten Match desTur-
niers gegen den Inder Sumit Nagal tat
sichFederer zu Beginn des Matchs äus-
serst schwer. ErreihteFehler anFeh-
ler, geriet 0:4 inRückstand und verlor
promptden ersten Satz.WiezweiTage
zuvor war ihm der Missmut ins Gesicht
geschrieben. Unumwundengab er nach
dem Match zu:«Es war frustrierend,
dass das Niveau so tief gewesen war. Das
einzig Gute daran ist, dass es eigentlich
nur noch besser werden kann.» Doch
weil ihm Dzumhur bei seinemAufschlag
immer wieder Gelegenheiten offerierte,
setzte sichFederer letztlich doch noch
einigermassen standesgemäss durch.


Problememitdem Service


Federer steht am US Open in der drit-
tenRunde wie bei allen 18 Teilnahmen
zuvor in Flushing Meadows. Doch will
er dieDurststrecke in NewYork nach
elfJahren beenden, muss er sich deut-
lich steigern.Federer hat in den ersten
beidenPartien nur selten geglänzt.Vo r
allem sein Serviceistweit weniger ver-
lässlich, als man dasvonihmgewohnt
ist.«Ich habe zu Beginn erneut viel zu
vieleFehler gemacht und dann versucht,
meinenAufschlag besser zu schützen.»
Im ersten Satz hatte die Anzahl ers-
terBälle, die imFeld landeten, ungenü-
gende 57 Prozent betragen.MitderFort-
dauer derPartie stieg diese Quote zwar,


trotzdem blieb er bei seinem Service un-
gewohntanfällig. Über den2:22 Stunden
dauernden Match musste er Dzumhur
acht Breakbälle zugestehen.Dass der
Bosnier nur gerade zwei davon zu nut-
zen wusste, war pures Glück.
Schon nach dem ersten Match hatte
RogerFederer gesagt, dieBälle spielten
sich anders als jene, mit denen er zuletzt
in der Schweiz trainiert und auch in Cin-
cinnatigespielt habe. Das kann jedoch
nur einTeil der Erklärung sein.
Bei seiner Niederlage in Cincinnati
gegen denRussenAndreiRublew war
sein Service bereits ungewöhnlich ineffi-
zient gewesen.

In der nächstenRunde trifft er nun
entwederauf denFranzosenLucasPou-
ille oder den BritenDan Evans.Wie das
Gros der Spieler warteten die beiden bis
zumRedaktionsschluss dieserAusgabe
auf ihren Einsatz. EineRegenfront hatte
am Mittwoch sämtlichePartien auf den
Aussenplätzen verhindert. Betroffen
davon war auch StanWawrinka, der am
Mittwoch gegen denFranzosenJérémy
Chardy hätte antreten sollen.

LaaksonensFleissleistung


In der Nacht auf den Mittwoch hatte
HenriLaaksonen mit dem Sieg gegen

den italienischen Sandplatzspezialis-
ten Marco Cecchinato dafür gesorgt,
dass alle drei Schweizer im Männer-
turnier die zweiteRunde erreichten.
Der 27-jährige schweizerisch-finnische
Doppelbürgergewann die drei nötigen
Sätze im fast vierstündigen Match alle
imTie-Break und wird dafür mit einem
Match gegen den kanadischenYoungs-
ter Denis Shapovalov (ATP 33) belohnt.
Laaksonen hatte zuvor bereits in Mel-
bourne undParis zumindesteineRunde
überstanden. Zuletzt allerdings kämpfte
er mit Hüftproblemen. Es ist nicht das
erste Mal, dassLaaksonens fragilerKör-
per streikte.

Einigermassen standesgemäss:Roger Federer stehtamUSOpen in der 3. Runde. EDUARDO MUNOZ ALVAREZ/AP
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