Süddeutsche Zeitung Magazin - #35 - 30.08.2019

(Brent) #1
AXELHACKE

ieInternetseiteSpiegelonlinebefass­
tesichmitdemMenschheitsthema
»Essensdiebstahl durch Möwen«.
InverschiedenenKüstenorten,namentlich
Warnemünde,scheintdaseingrößeresPro­
blemzusein.OffensichtlichkönnenTouris­
tendortnuruntergrößtenVorsichtsmaß­
nahmen an derStrandpromenade ihren
Proviantverzehren,inGruppendichtüber
ihreFischsemmelngebeugt,gehetzte,schlin­
gende Gestalten. FischkutterkapitänTilo
Rössler:»ManhatdasGefühl,dassdiesich
taktischweitergebildethabenundjetztzu­
sammenarbeiten.«EineMöweschreieeinen
Fischsemmelinhaberanundlenkeihnab,
andereflögenausandererRichtungherbei
undgriffendieBeute.
KennerderMaterieerinnertdasaneinen
BerichtvonDr.OmmoHüppop,Leiterder
VogelwarteHelgoland,dereineMöwebeob­
achtete,wiesieeinGeschäftbetrat,mitdem
SchnabeleineTüteHaribo­Konfektschnapp­
teundverschwand,ohnezuzahlen,wohl­
gemerkt.
NunistdieIntelligenz,ja,dieGerissenheit
derMöweebensoLegendewieihrAppetit,
dersichaufallesVerschluckbarezurichten
scheint,ja,demVerdauungsapparateiner

Möwescheintnichtsgewachsenzusein,ab­
gesehenvonSamsung­Handys,Sonnenbril­
lenundStehrollern.IhreSchläueließFach­
leutestets sowohlstaunenalsauch fast
schaudern,vorJahrenschon,alsdieTiere
nochmittraditionellerNahrungauskamen
und ingrößerenGruppensolange mit
ihrenFüßchenaufeinemAckerherumtrap­
pelten,bisdieWürmerdasfürRegenhielten
undhervorkrochen,praktischdirektindie
Möwenschnäbel.
Wastun?MadeleineGoumasvonderUniver­
sityofExeterberichtetindenBiologyLetters
voneinemExperiment:Nutzemananeinem
StrandPommesfritesalsKöder,näherten
sichvondenanwesendenMöwen 36 Prozent
demFraß,wennsiesichunbeobachtetwähn­
ten.BlickehingegenjemanddenTierentap­
ferinsAntlitz,wagtensichnur 26 Prozent
herbei.Außerdemließensiesichindiesem
FallmehrZeit.DerSchluss:Eshilft,Möwen
mutigzufixieren,wennmaninMeeresnähe
zuessenbeabsichtigt,undtatsächlichsieht
manseitdiesemSommeranunserenKüsten
vieleMänner,dieaufMöwenstarren.
Brehmberichtetübrigens,dieBewohnerder
Färöer­Inselnhättensicheinst,wennsiesich
ausderLuftattackierenderMöwenerwehren

wollten,einMesserüberdieMützegehalten,
»aufwelchessichdieherabstoßendenAlten
spießen«.DamalsaßmanabernochdieEier
derMöwenundauchdasFleischjungerTie­
re,»wirklicheinerträglichesGericht«,so
Brehm.ChristianMorgensternschriebhin­
gegen:
IchschießekeineMöwetot,
ichlaßsielieberleben–
undfüttresiemitRoggenbrot
undrötlichenZibeben.
Zibeben?Rosinen.DergleichenwirdinWar­
nemündemitbiszu 5000 EuroBußgeldbe­
straft,FütternderTiereistuntersagt,wäreja
nochschöner.
SeitehundjeistdieseKolumne,wielang­
jährigeLeserwissen,demtieferengegensei­
tigenVerständnisvonMöweundMensch
verpflichtet.Daherhiernun–Brehmfol­
gend–einkleinesmöwensprachlichesWör­
terbuch.
SiehöreneinDjau,kau–achachachach?Das
istderLautderMantelmöwe,dieversucht,
SievomNestabzulenken.
SievernehmeneinKerreckeckeckoderein
heiseresGirr–Kriah?EinewütendeLach­
möwe.
KakatoioderHäiäoderDack,dack,das
»baldwiedasSchreieneinesweinendenKin­
des,baldwiederKlangeinerKindertrompe­
te«klingt?Unverkennbareine Stummel­
möwezurFortpflanzungszeit.Je,jeaber,
verschiedenbetont,dasistdieSchmarotzer­
raubmöweimLiebesrausch.
EintiefesHoh?EineangreifendeRiesenraub­
möwe.
UndwasbedeutetSchleichtseich!,liebeMö­
wen?DasisteinBayer,derinRuheessen
will.DieserAnweisungistunbedingtFolge
zuleisten.

Das Beste aus aller Welt


ÜbertaktischeWeiterbildungenundsprachlicheFinessenhungrigerMöwen–unddieFrage,
wiemanihnenalsMenschgegenübertretensoll

AXELHACKE

D


willbeiseinemnächstenBesuchderFäröer-Inseln
besserdieMöwenspracheerlernen.Augenblicklich
beherrschternurdastiefeHohderangreifenden
Riesenraubmöwe.NachdiesemStudienaufenthalt
sollspätestens 2020 eineersteKolumnenurauf
Möwischerscheinen. Illu

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42 SÜDDEUTSCHEZEITUNGMAGAZIN
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