National Geographic Germany - 09.2019

(Ann) #1
in Alaska bis Mitte Januar an etwa 180 Mess-
punkten vollständig gefroren war. Als diese zu-
letzt unter einer dicken Schneedecke lagen,
verschob sich das Gefrieren allerdings erst auf
Februar, dann in den März. 2018 waren acht von

Romanovskys Messstellen in der Nähe von Fair-
banks sowie ein Dutzend auf der Seward-Halb-
insel im Westen Alaskas gar nicht ganz gefroren.

G

LOBAL GESEHEN enthält
der Permafrostboden
bis zu 1600 Gigatonnen
Kohlenstoff, fast dop-
pelt so viel wie die At-
mosphäre. Zwar rechnet
niemand damit, dass
der gesamte Permafrost
tauen wird. Aber wenn
die aktive Schicht im Winter nicht mehr ge-
friert, wird das Auftauen beschleunigt. Auf-
grund der zusätzlichen Wärme können Mikro-
organismen jetzt das ganze Jahr über – und
nicht nur ein paar Sommermonate lang – orga-
nisches Material im Boden zersetzen, sodass
Kohlendioxid und Methan entweichen. Außer-
dem breitet sich die Winterwärme im Perma-
frost aus, wodurch dieser schneller taut.
„Viele unserer Annahmen erweisen sich als
unhaltbar“, sagt Róisín Commane, eine Atmo-
sphärenchemikerin an der Columbia University
in New York. Sie und ihre Kollegen haben fest-
gestellt, dass die in Alaskas North Slope zu Win-
teranfang freigesetzte Kohlendioxidmenge seit
1975 um 73 Prozent gestiegen ist. „Wir versuchen
zu verstehen, was in der Arktis passiert, indem
wir uns auf den Sommer stützen. Aber wenn die
Sonne weg ist, zeigt sich, was wirklich los ist.“
Ein paar verschneite Winter sind noch kein
allgemeiner Trend. Zuletzt lag in Tscherski we-
niger Schnee, und der Boden kühlte wieder er-
heblich ab. Ähnlich in Fairbanks. Aber an eini-
gen von Romanovskys Messpunkten in Alaska
enthielt die aktive Schicht wieder genügend
Wärme, um das vollständige Gefrieren zu ver-
hindern. „Das ist wirklich erstaunlich“, sagt Max
Holmes vom Woods Hole Research Center in
Massachusetts, der den Kohlenstoffzyklus in
Alaska und auch in Tscherski untersucht hat.

„Ich habe mir das Tauen des Permafrostes im
Wesentlichen als lang samen, gleichmäßigen
Vorgang vorgestellt. Möglicherweise sind dies
nur fünf außer gewöhnliche Jahre. Aber was,
wenn sich alles viel schneller ändert?“

Die Wand des Bata-
gaika-Kraters erlaubt
einen Blick unter die
Tundraoberfläche: Der
Permafrostboden ent-
hält jahrtausende alte
Überreste von Blättern,
Gras und Tieren aus der
Eiszeit – kohlen stoff-
haltiges organisches
Material, das bisher
sicher im gefrorenen
Boden gebunden war.

FOTOASSISTENZ: LUBOW KUPRIJANOWA PERMAFROST 117

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