National Geographic Germany - 09.2019

(Ann) #1

Alaska in Fairbanks misst das in den arktischen


Seen austretende Gas seit 20 Jahren. Ihre aktu-


ellen Berechnungen von 2018 zeigen: Die neuen,


durch abruptes Auftauen entstandenen Seen


könnten die aus dem Permafrost zu erwartenden


Treibhausgasemissionen fast verdreifachen.


Es ist nicht klar, wie viel von diesen neuen


Erkenntnissen bei den Politikern angekommen


ist. Im vergangenen Oktober stellte der Weltkli-


marat einen neuen Bericht zu den bei der Pariser


Konferenz 2015 verabschiedeten Temperaturzie-


len vor. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich der


Planet schon um ein Grad erwärmt. Durch die


Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 statt


zwei Grad, so der Bericht, würden 420 Millionen


weniger Menschen unter häufigen, extremen


Hitzewellen leiden. Die Zahl der Pflanzen und


Tiere, die von Habitatverlust bedroht sind,


würde sich halbieren. Auch einige Korallenriffe


könnten bewahrt werden – und bis zu zwei Mil-


lionen Quadratkilometer Permafrost, eine Flä-


che viermal so groß wie Frankreich. Aber um das


1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir die Emis-


sion von Treibhausgasen bis 2030 um 45 Prozent


und bis 2050 auf null reduzieren. Wir müssen


Technologien entwickeln, die große Mengen


davon wieder aus der Atmosphäre saugen.


D

IE HERAUSFORDERUNG
ist vielleicht sogar noch
größer. Für den zitier-
ten Bericht hat der
Weltklimarat erstmals
die Permafrostemissio-
nen berücksichtigt –
wobei allerdings die
Emissionen aus dem

abrupten Abtauen nicht enthalten waren. Noch


sind die Klimamodelle nicht ausgereift genug,


um einen solch raschen Wandel der Landschaft


abzubilden. Daher stellten Katey Walter An -


thony und der Klimawissenschaftler Charles


Koven vom kalifornischen Lawrence Berkeley


National Laboratory für NATIONAL GEOGRA-


PHIC grobe Berechnungen an, die auch die


Emissionen aus dem abrupten Abtauen einbe-


ziehen. Um den Temperaturanstieg bei 1,5 Grad


zu stoppen, so ihre Schätzung, müssten wir un-


sere Emissionen aus fossilen Brennstoffen


deutlich früher komplett einstellen – spätes-


tens 2044, sechs Jahre vor dem Zeitplan des


Weltklimarats. „Wir gehen mit unzureichenden


Instrumenten in eine ungewisse Zukunft“, sagt


Am Ninglick River brö-
ckeln die Permafrost-
klippen, das Wasser ist
noch ein paar Meter
von manchen Häusern
in Newtok entfernt.
Die Bewohner werden
deshalb 15 Kilometer
fluss aufwärts ziehen.
Dieser Schritt steht ver-
mutlich vielen Sied-
lungen in Alaska bevor.

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