dies nicht annähernd ausreichen kann, um den
Verlust des Permafrostes auszugleichen. Inzwi-
schen dringen Tiere weiter nach Norden vor.
Schneeschuhhasen etwa finden nun überall bis
hin zum Nordpolarmeer Winternahrung und
Verstecke. Eigentlich Waldbewohner, haben sie
Alaskas North Slope besiedelt, Hunderte Kilo-
meter fernab von jeglichem echten Wald. Offen-
bar sind ihnen Luchse, zu deren Beutetieren
Hasen zählen, gefolgt.
D
IESE VERÄNDERUNGEN
brachten Ken Tape da-
rauf, Fotos der Tundra
nach Neuzugängen ab-
zusuchen. Er stieß auf
den Biber. „Kaum eine
Art hinterlässt so deut-
lich sichtbare Zeichen,
die man sogar aus dem
Weltall sehen kann“, sagt er. Auf Bildern von
drei Regionen aus den Jahren 1999 bis 2014
machte Tape 56 Komplexe von Biberteichen
aus, die es in den Achtzigerjahren dort nicht
gegeben hatte. Die Tiere rücken mit einem
Tempo von etwa acht Kilometern pro Jahr nach
Nordalaska vor. Tape schätzt, dass es schon bis
zu 800 Teichkomplexe im arktischen Alaska
gibt. Dazu gehört die Burg im Alatna River.
Was für ein Anblick: ein Hügel aus Ästen und
jungen Bäumen inmitten eines hüfthohen Sees,
etwa 2,50 Meter hoch und fast elf Meter breit und
bedeckt von Schlamm und Moos. Drumherum
Sumpfland. Das Wasser ist durch eine Reihe von
Dämmen aus dem Fluss abgeleitet worden. „Die-
ser gesamte Sumpf ist neu“, sagt Tape. „Noch vor
50 Jahren gab es hier nicht einen Biber.“
Entlang des Alatna finden wir weitere verlas-
sene Dämme. Tape ist überzeugt, dass die Biber
entlang des Flusses nach Norden ziehen. „Wir
erleben hier ihre Verbreitung in Echtzeit.“
Dass das mit dem Klimawandel zu tun hat,
kann der Forscher nicht beweisen, denn die
Biber population wächst schon seit dem Ende des
Pelzhandels vor 150 Jahren wieder. Aber er weiß,
dass die Baumeister in der Lage sind, die Perma-
frostlandschaft grundlegend umzugestalten.
Einen Vorgeschmack davon bekommt man
anhand von Fotos eines Nebenflusses des Ser-
pentine River auf der Seward-Halb insel in Alas-
ka. Zwischen 1950 und 1985 ist keinerlei Verän-
derung zu sehen. 2002 waren die Biber da und
hatten das Land geflutet. Zehn Jahre später
waren die Böden an einigen Stellen eingebrochen
und Feuchtgebiete entstanden. Ein paar Hundert
Biber werden zwar nicht gleich die Arktis verän-
dern, aber möglicherweise sind die Tiere auch
in Kanada und Sibirien unterwegs Richtung Nor-
den. Und sie pflanzen sich schnell fort.
In der Vision der Zimows von der Vergangen-
heit und Zukunft des arktischen Permafrost-
bodens spielen Wildtiere eine zentrale Rolle –
allerdings größere Tiere als der Biber und solche
mit zuträglicherem Einfluss.
Einst zogen Herden von Wisenten, Mammu-
ten, Pferden und Rentieren über die Steppen des
Pleistozäns, erklärt Sergej Zimow. Sie fraßen das
Gras nicht bloß, sie erhielten die Landschaft.
Düngten sie mit ihrem Kot und verdichteten den
Boden, trampelten Sträucher nieder und rissen
Baumsetzlinge aus.
Seit der letzten Eiszeit ist anstelle dieser tro-
ckenen, aber üppigen Graslandschaft im Osten
Sibiriens die feuchte Tundra, die weiter südlich
in die Nadelwälder der Taiga übergeht. Ein wich-
tiger Faktor für diesen Wandel waren Zimow zu-
folge menschliche Jäger, die bis vor etwa 10 000
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