National Geographic Germany - 09.2019

(Ann) #1
Bisher bin ich diesen vergessenen Abenteurern
mehr als 16 000 Kilometer weit gefolgt. Derzeit
laufe ich durch Indien.
Unser Leben, sesshaft, wie es heute ist, hat
sich seit jenem Zeitalter des ziellosen Erkundens
fast vollkommen verändert. Könnte man den-
ken. Aber ist das wirklich so? Denn überall,
wohin ich kam, waren sie schon da: Migranten.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass mehr
als eine Milliarde Menschen innerhalb ihrer

Länder oder über Grenzen hinweg unterwegs
sind. Das ist einer von sieben Erdenbewohnern.
Noch nie waren so viele auf der Flucht wie heute:
vor Krieg, Verfolgung, Kriminalität, politischem
Chaos, aber auch vor erdrückender Armut. Die-
ser gigantische neue Exodus wurde aber auch
durch andere Entwicklungen in Gang gesetzt:
ein globalisiertes Marktsystem, das soziale Si-
cherheitsnetze zerreißt; ein gefährlich gewor-
denes Klima und schnelllebige Medien, die
menschliche Sehnsüchte hochpuschen.

Mit 25 Kilometern pro Tag schreite ich diese
Welt ab. Oft mische ich mich dabei unter die
Entwurzelten.
In Dschibuti habe ich mit Migranten an trüb-
seligen Raststätten Tee getrunken. In Jordanien

UNTERWEGS MIT MIGRANTEN 135

Dieses Projekt wurde von der National Geographic
Society und damit durch den Kauf des
NATIONAL GEOGRAPHIC-Magazins unterstützt. Weitere
Informationen über Forschungsförderung finden Sie
unter nationalgeographic.org/grants

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