Auf dem Anwesen der königlichen Familie Englands befindet sich der
Print Room, die grafische Sammlung des Schlosses. Und zu ihr gehört
eines der erstaunlichsten Werke dieses außergewöhnlichen Menschen.
Das ledergebundene Album gelangte im späten 17. Jahrhundert in die
prächtige Sammlung. Der Buchrücken ist sechseinhalb Zentimeter breit
und mit Goldornamenten verziert. Der Einband ist fleckig und abgenutzt
von den Fingern derer, die es voller Neugier betrachtet haben. Niemand
weiß genau, wie das Werk nach England kam, doch seine Herkunft ist
eindeutig: „Disegni di Leonardo da Vinci Restaurati da Pompeo Leoni“
ist auf dem Ledereinband zu lesen: „Zeichnungen des Leonardo da Vinci,
wiederhergestellt von Pompeo Leoni“.
Leoni, ein italienischer Bildhauer, erwarb die Zeichnungen da Vincis
vom Sohn Francesco Melzis, dem treu ergebenen Schüler des Künstlers,
und stellte sie zu mindestens zwei Alben zusammen.
Martin Clayton, Leiter der grafischen Sammlung des Royal Collection
Trust, legt eine Auswahl der Blätter auf den Tisch. Und offenbart so die
ungemeine Themenvielfalt da Vincis: Botanik, Geologie, Hydraulik, Ar-
chitektur, Militärtechnik, Kostümskizzen, Geometrie, Kartografie, Optik,
Anatomie. Da Vinci zeichnete, um Unbekanntes zu verstehen.
In Florenz ist man bis
heute stolz auf Leo-
nardo da Vinci und sein
Genie. Der Meister
ist überall. Hier ist ein
Straßenkünstler im
Kostüm als Da-Vinci-
Standbild unterwegs zu
den Uffizien, um sich
dort von Touristen
fotografieren zu lassen.
In einem einzigen
Augenblick prallen
die Jahrhunderte
aufeinander.
Draußen vor
Schloss Windsor
machen Touristen
Selfies. Drinnen
führt uns Leonardo
da Vinci zurück in
die Renaissance.
LEONARDO DA VINCI 43
Text: CLAUDIA KALB
Fotos: PAOLO WOODS UND
GABRIELE GALIMBERTI