National Geographic Germany - 09.2019

ermöglichte ihm, ein Konzept vom Muster des Blutflusses und vom Öffnen

und Schließen der Klappen zu entwerfen. Die moderne Forschung schaff-

te es erst in den Sechzigerjahren da Vincis Beobachtungen zu bestätigen.

Mehr als alles andere waren es da Vincis Skizzen, die Wells’ Begeisterung

für die Logik der Struktur und Mechanik des Herzens weckten. Im Royal

Papworth Hospital steht Wells in seinem Operationssaal vor der geöffne-

ten Brust eines Patienten und zeigt, was ihn so fasziniert: „Sehen Sie? Ist

das nicht ganz erstaunlich?“, sagt er und zeigt auf die Mitral klappe. „Stel-

len Sie sich mal die komplexen Prozesse vor, die der Körper durchlaufen

muss, um diese Klappe zu bilden.“

WELLS LÄSST SICH BEI SEINER ARBEIT von einer Maxime da Vincis leiten:

Jedes Teil des komplexen Aufbaus der Klappe – bis hin zu Sehnenfäden

und Papillarmuskeln – hat genau an dieser Stelle Sinn und ist konstru-

iert, den dort herrschenden Kräften standzuhalten. „Sehen Sie das kleine

Ding in meiner Pinzette? Das ist ein gerissener Sehnenfaden“, sagt Wells.

Er könnte nun die Klappe entfernen und durch eine künstliche ersetzen.

So würden viele Chirurgen vorgehen. Doch Wells ersetzt akribisch jeden

Sehnenfaden durch Goretexfäden, um so viel wie möglich von der Struk-

tur zu erhalten.

Da Vinci entdeckte, wie die Strömungsverhältnisse des Blutes an den

Herzklappen und des Koronarsystems funktionierten. Und er lehrte die

Da Vinci war ein
begabter Musiker, der
die Akustik erforschte,
sang und auf seiner Lira
da Braccio (ein Sai-
teninstrument der
Renaissance) Melodien
improvisierte. Er ent-
warf auch eine Reihe
von Musikinstrumen-
ten, darunter Trom-
meln, Glocken und
Holzblasinstrumente.
Außerdem sammelte er
Ideen für eine Kombi-
nation aus Tasten- und
Saiteninstrument. Der
polnische Pianist Sławo-
mir Zubrzycki baute
anhand der Skizzen da
Vincis die Viola Orga-
nista. Es sei ein „perfek-
tes Instrument“, urteilt
der Musiker.
FOTO: VENERANDA BIBLIOTECA
AMBROSIANA/BRIDGEMAN IMAGES

LEONARDO DA VINCI

Der

Musiker

HEUTE

Hier bespielt Zubrzycki

die Viola Organista da

Vincis: Ein Pedal akti-

viert kreisförmige, mit

Pferdehaar bespannte

Bögen. Sie streichen

über Saiten und erzeu-

gen auf diese Weise

harmonische Klänge.

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