National Geographic Germany - 09.2019

(Ann) #1

Der Einsatz ist nichts Besonderes: eine einwö-


chige Patrouille per Schneemobil entlang der


baumlosen Küste auf der King-William-Insel,


inklusive GPS-Training, militärischen Schieß-


übungen, Such-und-Rettungs-Simulationen –


und reichlich Jagen und Eisfischerei.


Ich stehe etwas abseits und reibe mir Eis von


den Wimpern. Es ist zu kalt zum Mitschreiben.


Also betrachte ich die Gesichter und die Erfrie-


rungsnarben. Sie gleichen kleinen Ehrenabzei-


chen, die vom Überleben in einer der unwirt -


lichsten Landschaften der Erde berichten.


Die Besprechung dauert nicht lange. Atqittuq


kommt herüber und fragt, ob mir warm genug


sei. Er ist groß, breitschultrig und lacht gern. Vor


seiner Wahl zum neuen Kommandanten war er


lange Jahre Ranger. In freundschaftlichem Ton


rät er mir noch, auf der bevorstehenden Fahrt


nicht einzuschlafen.


Es kommt tatsächlich vor, dass Leute vom
Schneemobil fallen und dann vermisst werden.
Atqittuq weist darauf hin, dass es derzeit weder
auf der Insel noch irgendwo sonst im Territo-
rium Handyempfang gebe.
Mit einer Fläche von 2,1 Millionen Quadratki-
lometern ist Nunavut ungefähr sechsmal so groß
wie Deutschland. „Falls etwas schiefgeht und du
von der Gruppe getrennt wirst, bleib einfach
ruhig an der Stelle, bis dich jemand findet“, sagt
er. „Und halt dich ja von Eisbären fern.“
Die Ranger sind „Kanadas Augen und Ohren
im Norden“. Ihre Einheiten patrouillieren seit
den Vierzigerjahren in den entlegensten Teilen

des Landes. Meist sind es indigene Freiwillige,
die als Scouts fungieren, an Militärübungen teil-
nehmen und den Berufssoldaten zeigen, wie
man Iglus baut, sich in der Tundra zurechtfindet
und nicht erfriert. (Weiter auf Seite 94)

WETTLAUF IM EIS 89
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