Weltwoche Nr. 35.19 27
Bilder: Anthony Anex (Keystone), Gaetan Bally (Keystone)
reich», darunter «die Einführung eines
Mobility- Pricing».
Sommaruga konnte sich zurücklehnen
Als die Kommission Mitte August in Ittingen
tagte, war als special guest Simonetta Somma-
ruga geladen. Wie Teilnehmer an der Sitzung
berichten, musste die SP-Bundesrätin «in-
haltlich gar nicht gross eingreifen». Denn sie
habe gewusst, dass sie die Mehrheit auf ihrer
Seite haben würde. Der linke Triumph lenkt
die Aufmerksamkeit auf das Abstimmungs-
verhalten der bürgerlichen Politiker, vor
allem auf jene von FDP und CVP.
Nach dem klimapolitischen Wendemanö-
ver, das FDP-Chefin Petra Gössi im Wahljahr
eingeleitet hatte, standen die freisinnigen
Vertreter ganz besonders im Fokus. Gemäss
Recherchen der Weltwoche stimmten lediglich
vier von dreizehn Kommissionsmitgliedern
Gegen die extremen Massnahmen
stimmten nur vier von dreizehn
Kommissionsmitgliedern.
Verschiedene Rollen: Ständerat Vonlanthen.
gegen die extremen Massnahmen: Kommissi-
onspräsident Roland Eberle (SVP), sein Par-
teikollege Werner Hösli sowie Martin Schmid
(FDP) und Beat Rieder (CVP). Die beiden
Letztgenannten repräsentieren die Bergkan-
tone Graubünden und Wallis, also Gebiete,
deren Bewohner in speziellem Mass auf ein
eigenes Fahrzeug angewiesen sind. Für die
massiven neuen Abgaben, die Milliardenkos-
ten verursachen (siehe Artikel Seite 28), waren
neben drei Linken und einem Grünen auch
die Christlichdemokraten Pirmin Bischof
und Beat Vonlanthen, der BDPler Werner
Luginbühl und die Freisinnigen Damian
Müller und Ruedi Noser.
Besonders der Sukkurs von Noser und Von-
lanthen lässt aufhorchen, nehmen beide doch
wichtige Mandate in der Wirtschaft ein, die
sich gegen strengere Vorschriften und höhere
Abgabenlasten wehrt. Noser sitzt im Vor-
stand der Zürcher
Handelskammer und
im Verwaltungsrat
der Credit Suisse As-
set Management
(Schweiz) AG. Von-
lanthen ist Präsident
mehrerer Industrie-
verbände, darunter
Cemsuisse (Zement)
und Chocosuisse
(Schokolade). Er
kommt zudem aus
dem Kanton Freiburg, wo es, wie er selbst
sagt, «viele Bauern gibt, die ihre Milch mit
dem Subaru in die Käserei bringen müssen».
Wie passt das zusammen?
Widerspruch
Besucht man die Website des Zementver-
bands, fällt auf, dass er sich alle Mühe gibt,
das eigene Wirtschaften als ökologisch zu ver-
kaufen. Fast wähnt man sich angesichts der
vorherrschenden Themen auf der Seite eines
Umweltverbands. Kratzt man allerdings et-
was am grünen Lack und liest genauer,
kommt eine durchaus kritische Haltung ge-
genüber wirtschaftsfeindlichen Eingriffen
zum Vorschein. So heisst es: «Der dominante
Schutzgedanke in der Raumpolitik erschwert
den Abbau von Kalkstein und Mergel in der
Schweiz enorm und gefährdet die Industrie
akut. Dadurch entstehen grosse Unsicherhei-
ten hinsichtlich der Investitionssicherheit.
Eine ausgewogene Interessenabwägung zwi-
schen Schutz und Nutzung auf Augenhöhe
tut not.»
Auch Präsident Vonlanthen rief anlässlich
der GV vom 3. Juni zu umweltpolitischem
Masshalten auf. Wörtlich sagte er: «Ja, der
Klimafaktor – und damit verbunden der
CO 2 -Faktor pro Tonne Zement – ist wichtig.
Aber er darf aus ökologischer Sicht nicht die
einzig massgebende Kennzahl werden bezie-
hungsweise sein. Ansonsten ist weder ökolo-
gisch noch sozial noch ökonomisch etwas ge-
wonnen.» Nur gut zwei Monate später
stimmte Vonlanthen nun in der Urek für um-
fangreiche Interventionen, die ausschliess-
lich auf den «CO 2 -Faktor» setzen. Ist das
nicht ein Widerspruch?
Bürgerliche Ja-Sager rechtfertigen sich
Angesprochen auf seine verschiedenen Rol-
len, verteidigt der ehemalige Umwelt- und
Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Frei-
burg das CO2-Paket. Es sei grundsätzlich
richtig und wichtig, «jetzt ehrgeizige Mass-
FDP-Präsidentin Gössi.