Die Weltwoche - 29.08.2019

(Chris Devlin) #1

42 Weltwoche Nr. 35.19
Bild: The Dalton School


Der New Yorker Investor Jeffrey E. Epstein war
ein Mann wie kaum ein anderer – schlau, ambi-
tioniert und etwas unreif, ein Multimillionär
mit einer Begabung für Musik und Zahlen. Ge-
fangen in seiner Vorliebe für sexualisierte Mas-
sagen von minderjährigen Mädchen, umgab er
sich die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens
mit mächtigen Freunden, schönen Mädchen
und einflussreichen Politikern. Dank seinen
grosszügigen politischen Spenden und kost-
spieligen Zuwendungen hatte er einiges zu bie-
ten. Zwei sehr enge Freunde, die britische Ge-
sellschaftsdame Ghislaine Maxwell und der
Milliardär Leslie Wexner, verschafften ihm im
Lauf der Jahre Zugang zu den Reichen und
Mächtigen. Maxwell, die als Epsteins «Beschüt-
zerin, Zuhälterin und Madame» bezeichnet
wird, soll minderjährige Mädchen für seinen
Sexring rekrutiert haben.
In den frühen 1990ern lernte ich Epstein
über einen gemeinsamen Bekannten in mei-
nem Haus in Connecticut kennen. Der Be-
kannte lud ihn zu mir ein. Die beiden tauchten
unangemeldet bei mir auf. Nach dieser ersten
Begegnung lief ich ihm in New York einige
Male über den Weg. 1993 zog ich mit meinen
Kindern nach Europa.


Was genau bot Epstein diesen Männern?


Zwischen 1993 und 2004 sah ich Epstein bei
verschiedenen Anlässen und Abendgesell-
schaften. So entwickelte sich eine Bekannt-
schaft zwischen uns. Nachdem er Ghislaine
Maxwell in New York nach dem Tod ihres
Vaters (dem britischen Verleger, Unterneh-
mer und Labour-Politiker Robert Maxwell)
begegnet war, sahen wir uns öfter. Ich ver-
mute, das Schicksal wollte es so. Aber nicht
aus den Gründen, die Sie jetzt erwarten.
Epstein war charmant und hatte eine ge-
naue Vorstellung von seinen Opfern. Mehrere
Frauen berichteten mir davon, und Ge-
richtsakten bestätigten das. Haley Robson,
eine seiner wichtigsten Mädchenbeschaffe-
rinnen im Jahr 2005, die vor Epsteins erster
Verhaftung in Palm Beach verhört wurde,
sagte, sie habe nach strikten Kriterien vorge-
hen müssen: Die Mädchen mussten blutjung
sein, minderjährig, hellhäutig, aus unter-
privilegierten Familien kommen und, falls
sie auspacken würden, einen unglaubwürdi-
gen Eindruck machen.
Die erste Zeugin, die gegen Epstein aus-
sagte, bestätigte dies. Das Mädchen, damals
erst vierzehn, wurde von Haley Robson in-


Die Epstein-Saga


Wer war der Mann, der mit minderjährigen Mädchen handelte und mit Prinzen und Präsidenten


verkehrte? Conchita Sarnoff ist die erste Journalistin, die Licht in Jeffrey Epsteins Netzwerk brachte.


Hier schildert sie Aufstieg und Fall von «Ikarus».


Schlau, ambitioniert, unreif: Jeffrey Epstein an der Dalton Academy, 1975.
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