Die Weltwoche - 29.08.2019

(Chris Devlin) #1
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für private Aus gaben. Da ihr Mann wissen
musste, wie toxisch Epstein war, stellt sich
die Frage, warum er zuliess, dass Epstein das
Geld beschaffte und ihre enge Beziehung auf
diese Weise bekannt werden musste.
Die Beziehung zwischen Prinz Andrew und
Epstein, ohnehin schon belastet aufgrund der
Negativschlagzeilen, endete offenbar im Ja-

nuar 2015, als der Buckingham-Palast wäh-
rend des Weltwirtschaftsforums in Davos zu
einer Pressekonferenz einlud. Prinz Andrew
bezeichnete die Vorwürfe des Kindesmiss-
brauchs, die Virginia Louise Roberts Jahre zu-
vor gegen ihn erhoben hatte, als unzutreffend

und bestritt kategorisch, jemals eine sexuelle
Beziehung mit Roberts gehabt zu haben.
Im April 2016, während des erbitterten
US-Präsidentschaftswahlkampfs, reichte eine
Frau namens Katie Johnson Klage gegen Jef-
frey Epstein und den Kandidaten Donald
Trump ein. Sie forderte 100 Millionen Dollar
Schadenersatz. Sie gab an, sie sei dreizehn ge-
wesen, als sie den beiden Männern auf einer
Party in New York begegnete. Sie behauptete
auch, in Epsteins Haus in Manhattan geschla-
gen und von beiden Männern sexuell bedrängt

Weltwoche Nr. 35.19
Bilder: Archiv Bild, Patrick McMullan (Getty Images)


«Ich war ein kleiner Spatz.
Ich hatte keine Brüste und sah
nicht wie achtzehn aus.»

struiert, sich gegenüber Epstein als Achtzehn-
jährige auszugeben. Robson wusste auch, dass
das Mädchen eine Sonderschule besuchte und
aus einer kaputten Familie kam. Als ich diese
über ihr erstes Treffen befragte, sagte sie, sie
habe nicht älter als vierzehn ausgesehen. «Ich
war ein kleiner Spatz. Ich hatte keine Brüste
und sah nicht wie achtzehn aus.»
Epstein, kinderlos und zeitlebens
Junggeselle, starb am 10. August 2019
in der Unter suchungshaft – nur 35
Tage nach seiner Verhaftung wurde er
bewusstlos in seiner Zelle aufgefun-
den. Seitdem spekulieren viele Me dien
über die Todesursache, auch darüber,
wer aus welchem Grund ein Interesse
an seinem Tod gehabt haben könnte.
Angesichts seiner Kontakte zu Unter-
nehmern und Politikern könnte es Leu-
te geben, denen daran lag, dass es nicht
zu einem Prozess kommt.
Zeuginnen, die gegen Epstein aussag-
ten, haben die Namen einflussreicher
Männer zu Protokoll gegeben: Prinz
Andrew, Herzog von York und Nummer
acht in der britischen Thronfolge, der
ehemalige israelische Ministerpräsident
Ehud Barak, der frühere US-Präsident
Bill Clinton, der ehemalige Gouverneur
von New Mexico Bill Richardson, der
einstige Präsident der Harvard Univer-
sity, Larry Summers, der Harvard-Jura-
professor Alan Dershowitz und andere.
Was genau bot Epstein diesen Män-
nern, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit
und ihre Zeit schenkten? Sie konnten
mit seinem Privatjet um die Welt flie-
gen, er lud sie zu Treffen mit jungen
hübschen Mädchen ein, beriet sie in
Finanzdingen und stellte Investitions-
kapital zur Ver fügung. Nachdem Präsident
Clinton aus dem Weissen Haus ausgezogen
war, investierte Epstein vier Millionen Dollar
Startkapital in die neugegründete Stiftung der
Clintons, die Clinton Global Initiative (CGI).
Anfang 2004 investierte er drei Millionen
Dollar in mehrere Unternehmen von Ehud
Barak, darunter die Hightech-Firma Carbyne.
Barak soll häufig in Epsteins New Yorker
Stadtresidenz in der East 66th Street logiert
haben. Er war, wie Präsident Clinton, häufig
Gast in Epsteins Jet und in Epsteins Anwesen
auf dessen Privat insel und in Manhattan.


«Riesengrosse Dummheit»


Zwischen Epstein und Prinz Andrew bestand
eine persönliche und geschäftliche Bezie-
hung. Epstein war offenbar eine Zeitlang
Finanzberater des Herzogs von York. Sarah
Ferguson, die Ex-Frau von Prinz Andrew, ent-
schuldigte sich 2011 öffentlich für die «riesen-
grosse Dummheit», ein Darlehen über 15 000
Pfund angenommen zu haben. Laut Medien-
berichten benötigte die Herzogin das Geld


worden zu sein. Die Sache wurde wegen for-
maler Fehler von einem Gericht in Lancaster,
Kalifornien, abgewiesen.
Im September 2016 reichte Johnson erneut
Klage ein, diesmal in New York. Ihr Anwalt,
Thomas Francis Meagher, war Patentanwalt in
Princeton, New Jersey. Am 4. November 2016
wurde die Klage vor dem Southern District
Court von New York freiwillig zurück-
gezogen.
Epstein unterhielt nicht nur zu ein-
flussreichen Politikern geschäftliche
Beziehungen. Er hatte enge Kontakte zu
führenden Managern von Banken wie
etwa JP Morgan Chase und (bis 2019) der
Deutschen Bank. Im Fall von JP Morgan
Chase wurde schon 2008, nach Epsteins
Verhaftung, intern geprüft, zu welchen
Klienten man die Geschäftsbeziehun-
gen abbrechen sollte. Epstein erschien
auf dieser Liste als «hochriskant».
Ein Topmanager verwarf die Emp-
fehlung der Kontrollabteilung, und
die Zusammenarbeit mit Epstein ging
noch einige Jahre weiter. Der Grund:
Epstein war für die Bank wegen seiner
Kontakte wertvoll, nicht wegen seines
Vermögens. Man war an Kunden inter-
essiert, die er der Bank vermitteln
konnte.
Als Highbridge Capital Manage-
ment, im Besitz seines Freunds Glenn
Dubin, an JP Morgan Chase verkauft
wurde, erhielt Epstein von Highbridge
offenbar fünfzehn Millionen Dollar
für die Kontaktanbahnung. JP Morgan
Chase beendete die Beziehung zu
Epstein im Jahr 2013.
Andere Freunde, die mit Epstein
Geschäfte machten, waren Leon Black,
der Gründer von Apollo Global Management,
und James E. Staley, eine prominente Figur
an der Wall Street, derzeit Vorstandsvor-
sitzender der britischen Bank Barclays. Beide
Männer traten in den 1990ern in Epsteins
Leben. Von der Beziehung zwischen Staley
und Epstein ist nur so viel bekannt, dass
Epstein ihn während dessen Zeit bei JP Morgan
Chase einigen reichen Kunden vorstellte. Staley
war auch ein häufiger Besucher von Epstein,
als dieser 2008 zum ersten Mal in Palm Beach
inhaftiert war.

Testosteron- Blocker für Pädo phile
Laut Leon Black, der als Gründer einer der
grössten Private-Equity-Firmen der Welt gilt,
stand Epstein seiner Familie jahrelang als Be-
rater in Steuerfragen zur Verfügung. Ein Ge-
schäftspartner, der Epstein um die Mitte der
1990er kennenlernte, war Glenn Dubin, Chef
der privaten Investmentfirma Dubin & Co.
und Gründer von Highbridge. Dubin ist aus-
serdem Mitbegründer der in New York ansäs-
sigen Robin Hood Foundation. 1994 heiratete

Epstein (M.) mit Donald Trump, 1997...

... und mit Unternehmerin Ghislaine Maxwell, 2005.

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