Die Weltwoche - 29.08.2019

(Chris Devlin) #1

50 Weltwoche Nr. 35.19
Bilder: Bruno Kelly (Reuters), Eraldo Peres (AP, Keystone)


Das Spektakel, das sich am 19. August am
Himmel über São Paulo bot, hatte etwas Apo­
kalyptisches an sich. In kürzester Zeit verdun­
kelte sich der Himmel mit Wolken in den selt­
samsten Farben. Das Gewitter entlud sich
allerdings nicht, es gab nur wenige Nieder­
schläge. Dafür regnete es am nächsten Morgen
Spekulationen über die Ursache. Was lag da
näher als die Waldbrände am Rande des Ama­
zonasbeckens. Seit Wochen beherrschen sie
die Schlagzeilen in Brasilien. Als dann noch
die Meldung die Runde machte, man habe
Russpartikel im Regen gefunden, schien die
Sache klar.
Nun liegt das Amazonasbecken über 2000
Kilometer nordwestlich von São Paulo. Wie
wir alle in der Schule gelernt haben, herr­
schen in dieser Gegend Passatwinde vor, und
diese strömen auf der Südhalbkugel gegen
Nordwesten. Es wäre nachvollziehbar, dass
man im Amazonasgebiet Smogpartikel aus
São Paulo messen könnte, aber kaum um­
gekehrt. Nur brennt es in Südamerika, vor
allem in dieser Jahreszeit, immer irgendwo.
Wenn es in São Paulo tatsächlich Russ regne­
te, dann könnte er eher aus Paraguay oder
Bolivien stammen. Dort brennt es zurzeit
nämlich auch ziemlich heftig.
Brandrodungen haben in Südamerika eine
lange Tradition, sie wurden von den Indianern
praktiziert, bevor die Spanier und Portugiesen
kamen. Auch im Reich des Evo Morales wird
gerade in diesen Tagen wieder illegal gebrand­
schatzt. Doch seltsamerweise ist nur von
Brasilien die Rede.


Die schlimmsten Brände in Brasilien wurden
2005 registriert. Lula da Silva war damals seit
eineinhalb Jahren an der Macht. Damals fiel
es niemandem ein, die sozialistische Regie­
rung dafür verantwortlich zu machen. Bei
Jair Bolsonaro ist das nun ganz anders. Doch
ist es möglich, dass er in den acht Monaten,
seit denen er nun amtiert, Brasilien derart
verändert hat? Nicht einmal seine eifrigsten
Anhänger hätten ihm das zu­
getraut.
Bolsonaro seinerseits machte
linke Gruppen und NGOs für
einen Teil der Brände verant­
wortlich. Von den Mainstream­
Medien wurde das sofort als
Ablenkungsmanöver gebrand­
markt. Doch so abwegig, wie es
auf den ersten Blick erscheinen
mag, ist dieser Vorwurf nicht.
Ein Teil der Brände, nament­
lich im Bundesstaat Rondônia
an der Grenze zu Bolivien, wur­
de zweifellos von Mitgliedern
der Landlosenbewegung MST
(Movimento dos Sem Terra) gelegt, die von
der politischen Linken gehätschelt wird. Wie
fast alle Farmer in Brasilien gehen auch die
Aktivisten des MST gerne mit Streichholz
und Brennstoff ans Werk, wenn sie Land ur­
bar machen. Die Spezialität des MST sind
aber Invasionen, also gewaltsame Besetzun­
gen brachliegender Ländereien, egal, ob sie
bereits einen Besitzer haben oder nicht. Dazu
gehören auch Urwälder.

Unter dem Regime der Arbeiterpartei von Lula
und Dilma Rousseff (2003 bis 2016) genossen
die linken Landbesetzer faktische Straffrei­
heit. Sie waren, zwar nicht offiziell, der be­
waffnete Arm der Regierungspartei. Bolso­
naro hat dem MST den Kampf angesagt. Er
möchte diese als terroristische Vereinigung
einstufen und entsprechend bekämpfen. Doch
just die angeblichen Umweltschützer wehren
sich dagegen.

Es brennt wie jedes Jahr
Hält man sich an die Satelliten­
bilder der Nasa, liegen die Brän­
de heuer im Rahmen der letzten
fünfzehn Jahre. In einigen Bun­
desstaaten Brasiliens und in den
Anrainerländern wurden mehr
Brandherde registriert, in an­
deren weniger. Die Bilder des
Nasa­Systems FIRMS (Fire In­
formation for Resource Manage­
ment System) zeigen, dass die
schlimmsten Brände in der Cer­
rado­Region wüten, die nicht
dem Amazonasgebiet zugerechnet wird.
Wenn nun trotzdem alle vom Amazonas
reden, dann ist es Desinformation, reine Pro­
paganda. «Der Amazonas brennt!» oder «Die
Lunge der Welt stirbt» sind zu knallige Schlag­
zeilen, als dass man auf sie verzichten möchte.
Das Verrückteste daran ist, dass diese Masche
nicht nur bei den Europäern greift, sondern
auch bei vielen Brasilianern, die es an sich bes­
ser wissen müssten.

«Deutschland aufforsten»:
Präsident Bolsonaro.

Lange Tradition: Brandrodung in Brasilien.


Verbrannte Erde


Die Buschbrände in Brasilien sind eine Folge von 25 Jahren sozialistischer Politik.
Das Gerede von der bedrohten Lunge der Welt ist eine gezielte Desinformation.
Von Flavio Morgenstern
Free download pdf