Die Weltwoche - 29.08.2019

(Chris Devlin) #1
Weltwoche Nr. 35.19 65

W

ir befinden uns im Jahr der Elektroautos
von Premium-Fahrzeugherstellern:
Nach Jaguar (I-Pace), Audi (e-tron) kommt
jetzt Mercedes mit dem EQC, und Porsche
wird seinen Taycan ebenfalls noch 2019 vor-
stellen. Das wachsende Angebot an Autos, die
mit Strom statt Benzin betrieben werden, ist
erfreulich. Auch wenn nicht restlos geklärt ist,
ob das nun wirklich besser ist für die Umwelt.
Aber es gibt ein anderes Argument, das für
Elektroautos spricht: die Ruhe, welche man
darin buchstäblich erfährt, sowie eine neue,
stressbefreite Qualität des Unterwegsseins.
Für zehn Tage fuhr ich kürzlich den Mercedes
EQC – ausgesprochen «I-kiu-ssi», was so viel
wie «elektrische Intelligenz» bedeuten soll.
Jedes Mal, wenn ich in diesem Auto Platz
genommen hatte und die Türe mit diesem
unverkennbar satten Geräusch der Premium-
klasse zugefallen war, umfing mich ein wun-
derbarer Klang der Stille. Fast hermetisch
schliessen Türen und Fenster die Passagiere im
Innenraum ein.

Mercedes hat viel Aufwand und manche Idee
in die Geräuschdämmung gesteckt, der EQC
fährt deshalb so leise wie kaum ein Konkur-
renzmodell. Das ist eine Qualität, die vielleicht
mehr wert ist, als man auf Anhieb denken wür-
de. Das Auto sieht optisch nicht spektakulär
anders aus als andere SUV der Marke wie zum
Beispiel der GLC. Markant ist natürlich das
durchgehende Leuchtband am Heck, das an
der Front sozusagen wiederholt wird. Startet
man den Motor, spielt das vordere LED-Leucht-
band eine Art Lichtorgel-Sequenz ab, die lustig
auf die gegenüberliegenden Autos oder die
Garagenwand projiziert wird.
Dieses Element ist so etwas wie der
Leuchtstreifen am Horizont einer neuen Ära
des Motorfahrzeugbaus, bei dem es nicht
mehr bloss darum geht – wie im Falle von
Mercedes –, ein qualitativ hochwertiges Auto
auf die Räder zu stellen. Vielmehr sind heute
Mobilitätskonzepte gefragt, Ingenieure und
Informatiker müssen eng zusammenarbeiten.
Tesla mag nicht der beste Autobauer der Welt

sein, aber die Integration eines Schnelllade-
netzes entlang der Hauptverkehrsachsen in
eine Model-Palette mit perfekt darauf abge-
stimmten E-Mobilen ist bislang beispielhaft.
Mit dem EQC löst Mercedes die Aufgabe
ziemlich gut. Zum Auto gehört eine RFID-
Karte. Im Navigationsbildschirm gibt es ein
Symbol für Ladestationen – ein Fingerzeig, und
das System zeigt die nächstgelegene Anschluss-
stelle. Ich wähle unterwegs von Basel nach
Zürich eine Ladesäule bei der Umwelt- Arena in
Spreitenbach, halte meine Karte an den Kon-
takt, und Sekunden später fliesst der Strom.
Für die Dauer einer Vivi Kola zéro lade ich in
18 : 56 Minuten 5,597 kWh. Das reicht für 25 bis
30 Kilometer, der EQC verbraucht rund 23 bis
24 kWh auf 100 Kilometer. Bei vielen öffentli-
chen Schnelladestationen kann der EQC mit bis
zu 110kw/h geladen werden kann. Das hätte in
den 18:56 Minuten zirka 35kW oder 150km er-
geben. Wichtiger aber...ist die Erkenntnis, dass
man den Elektro-Mer cedes nicht nur entspannt
fahren kann, weil er so schön ruhig unterwegs
ist, sondern auch, weil das Laden problemlos zu
funktionieren scheint.

Auto


Der Klang der Stille


Mit dem EQC lanciert ein weiterer europäischer Premium-Hersteller
ein Elektrofahrzeug. Mercedes macht vieles richtig. Von David Schnapp

Mercedes-Benz EQC 400 4Matic
Leistung: 408 PS / 300 kW; max. Drehmoment: 765 Nm
0–100 km/h: 5,1 sec; Verbrauch (NEFZ): 21,4 kWh / 100 km
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Batterie: Lithium-Ionen 80 kWh (NEFZ)
Preis: Fr. 84 900.–, Testwagen: Fr. 105 019.–
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