Weltwoche Nr. 35.19 9
Bild: Christian Mang (Imagebroker, Keystone)
N
ur ein Gedankenspiel: Hätte Johnson
Dwayne, ein polynesischer Häuptling
ehrenhalber, im Sägemehlring der braven Eid-
genossen Griff gefasst, vor ein paar Jahren, als
er noch voll im Saft war, wäre er vielleicht
König geworden. Aber er war zu jener Zeit der
mit allen Wassern gewaschene Wrestler «The
Rock» und nicht Schwinger, und er litt nie am
schwingerschen Zwiespalt mit dem Kommerz.
Wrestling ist die grosse Oper des Kampfes
Mann gegen Mann, orchestriert und choreo-
grafiert, Gut gegen Böse, brutal geschauspie-
lert als fake fight. Johnson, eine Postur mit den
Massen und der Masse wie der Stucki-Chrigu,
ist bereits 47. Schon sein Grossvater, der vom
Südsee-Eiland Samoa stammte, war Ringer,
dann auch der Vater. Dwayne kam in Kalifor-
nien zur Welt, erlebte eine chaotische Wander-
jugend, unterwegs mit seiner Mutter, einer
Afroamerikanerin, und wurde als Teenager
straffällig wegen Diebereien und Raufereien.
Zur Schule ging er eine Weile in Neuseeland,
die High School beendete er in Honolulu. In
Miami kam er mit einem Stipendium als Foot-
ballspieler gross heraus, den Bachelor machte
er in Kriminalistik und Sport. Nach einer
schweren Knieverletzung war er nicht mehr
Football-tauglich, versuchte sich nun wie die
Väter als Wrestler und avancierte als verschla-
gener Kraftbolzen zum Publikumsliebling
dieses in den USA äusserst populären TV-Spek-
takels. Mit seinem Charisma schaffte er den
Übersprung auf die Kinoleinwand, zuerst als
aus serirdischer Gladiator, später als unwider-
stehlicher Action-Held, etwa in der Endlos-
schlaufe der «Fast and Furious»-Filme.
Schliesslich fightete sich Dwayne Johnson ins
Epizentrum des Kinos, als Mitproduzent und
Erfolgsbeteiligter des Franchise-Systems soge-
nannter Marvel-Superheldenstreifen, lässt aber
immer noch die eigenen Muskeln spielen. Gera-
de hat ihn das Wirtschaftsmagazin Forbes zum
bestbezahlten Darsteller der Welt ausgerufen,
89,4 Millionen Dollar jährlich, inklusive Pro-
zente an den Kinokassen, und das ohne Säge-
mehl in den Augen. Peter Hartmann
I
ch liebe Greta. Nicht wegen ihrer Zöpfe, nicht
wegen ihres Mondgesichts, nicht weil sie an
Asperger leidet und auch nicht, weil sie das
Schulschwänzen zu einem moralischen Impe-
rativ erhoben hat. Ich liebe Greta, weil sie es –
wenn auch ungewollt – geschafft hat, die west-
liche Gesellschaft als das zu entlarven, was sie
ist: abergläubisch, dekadent, dumm, hyste-
risch, infantil und süchtig nach Erlösung. Eine
beachtliche Leistung für eine Sechzehnjährige
aus einer schwedischen Mittelstandsfamilie,
die wahrscheinlich keine Zeile von Max Weber,
Karl Marx, Sigmund Freud oder Theodor
W. Adorno gelesen hat. Wozu auch?
Artefakt ohne Privatsphäre
Greta hat alle hinter sich gelassen. Über keine
Person des öffentlichen Lebens ist so viel in
einer so kurzen Zeit geschrieben und berichtet
worden. Sie hat vor dem Europaparlament ge-
sprochen, auf dem Weltwirtschaftsforum in
Davos und der Klimakonferenz in Kattowitz.
Jean-Claude Juncker hat sie umarmt, der Papst
auf dem Petersplatz begrüsst. Und sollte sie
demnächst den Friedensnobelpreis bekom-
men, wäre das nur ein weiterer Schritt auf dem
Wege zu ihrer Seligsprechung zu Lebzeiten.
Natürlich ist Greta ein Artefakt, ein «von
Menschen hergestellter Gegenstand», in der
Sprache von Archäologen, ein «unechtes, durch
Eigenschaften der Methode hervorgerufenes
Ergebnis», wie es ein Zauberer sagen würde,
der einen vollbesetzten Bus von der Bühne ver-
schwinden lässt.
Bevor sie an Bord einer Rennjacht zu einer
klimaneutralen Atlantiküberquerung auf-
brach, wurde sie auch gefragt, ob ihr eine eigene
Toilette zur Verfügung stehen werde. Worauf
Greta einen Plastikeimer ins Bild rückte, der so-
wohl ihr als auch den Mitreisenden als Sicker-
grube dienen sollte. Bei jedem normalen Men-
schen würde eine solche Aussicht für sofortige
Konstipation sorgen, Greta allerdings fand das
lustig und versicherte, der Verzicht auf den letz-
ten Rest einer Privatsphäre mache ihr nichts
aus. Die Frage, ob der Eimer, den Greta benutzt
hat, nach der Reise bei Sotheby’s versteigert
oder in den Räumen der Königlich Schwedi-
schen Akademie der Wissenschaften ausgestellt
wird, kann derzeit nicht beantwortet werden.
Ebenso unklar ist, wie sie nach ihrer Ameri-
ka-Tournee nach Schweden heimkehren will,
ob mit einem Paddelboot, einem Passagier-
schiff oder einem Heissluftballon. Es hängt
vom jeweiligen CO2-Ausstoss ab.
So wie man das Licht nur mit dem Wellen-
oder dem Korpuskelmodell erklären kann, wo-
bei das eine das andere ausschliesst, gibt es auch
für den Artefakt Greta nur zwei Auslegungen.
Im Auge
Der andere Stucki
Kommentare
Infantilisierung der Gesellschaft
Von Henryk M. Broder _ Das Phänomen Greta steht für die Verblödung
unserer Zivilisation. Die Begeisterung für die Jungen und Mädchen,
die sich auf einmal politisch engagieren, ist reine Heuchelei.
Dwayne Johnson, bestbezahlter Schauspieler.
Panzer aus Marzipan: Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg in Berlin.
››› Fortsetzung auf Seite 10