Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.09.2019

(Ron) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft MITTWOCH, 4. SEPTEMBER 2019·NR. 205·SEITE 15


Das Umweltbundesamt kritisiert,


dass Miet-Roller den Verkehr kaum


umweltfreundlicher machen.Seite 17


Der Chef des kalifornischen


Softwareunternehmens Box wird


auf Twitter oft politisch.Seite 20


Der Pharmakonzern profitiert vom


Geschäft gegen die Falten. Doch


die Politik bereitet Sorgen.Seite 22


Ökobilanz von E-Scootern


D


ie Angst geht um unter den Sparern: Noch vor
Sonnenaufgang quälen sich viele Menschen in
der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires aus dem
Bett, um ihre Konten zu räumen, warten mit müden


Gesichtern darauf, dass sie ihr Geld abheben und mit
nach Hause nehmen können. Einmal mehr steckt der


südamerikanische Staat in großen Schwierigkeiten,
der in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrere
schlimme Schuldenkrisen durchlitt. Gerade hat die Re-
gierung die Devisenkäufe eingeschränkt, um die Lan-
deswährung zu stützen und zu verhindern, dass zu viel
dringend benötigtes Kapital ins Ausland abfließt; seit

Mitte August hat der Peso gegenüber dem amerikani-
schen Dollar merklich an Wert verloren. Das
erschwert argentinischen Schuldnern, in Dollar auf-
genommene Kredite zu tilgen. Die Anleger an den
Finanzmärkten sorgen sich – und viele Argentinier
fürchten schlicht und einfach um ihre Einlagen. F.A.Z.

Aaron Levie bietet Trump Paroli


Lange Schlangen vor Argentiniens Banken


Merz auf Wachstumskurs


A


lle Zeichen deuten darauf, dass
der Münchener Triebwerksher-
steller MTU Aero Engines noch im
September den Essener Stahlkonzern
Thyssen-Krupp im Dax ablöst. Es
müsste schon ein Wunder geschehen,
dass der Berliner Wohnungskonzern
Deutsche Wohnen es doch noch statt
MTU in den höchsten deutschen Ak-
tienindex schafft. Doch die Berliner
Politik arbeitet seit Monaten heftig
daran, dass dieses Wunder nicht ge-
schieht. Seit Juni sind die Anleger aus
der Aktie geflohen, der Kursverlust
der Deutschen Wohnen betrug seit-
dem bis zu 30 Prozent – während
MTU kräftig zulegen konnte.
Damit verpasst Berlin eine symbol-
trächtige Chance: Die Deutsche Woh-
nen wäre der erste Berliner Börsen-
wert im führenden deutschen Aktien-
index, seitdem der von Bayer übernom-
mene Pharmakonzern Schering 2006
aus dem Dax herausfiel. Damit ist Ber-
lin seit vielen Jahren die einzige wichti-
ge Hauptstadt weit und breit, die kein
einziges Unternehmen aus dem führen-
den nationalen Börsenindex beher-
bergt. Das liegt auch an der besonde-
ren Geschichte Berlins, aber 30 Jahre
nach dem Fall der Mauer erstaunt die-
ser offenbare Mangel an Wirtschafts-
kraft doch. Gerade an der Wohnungs-
politik lässt sich ablesen, dass die rot-

rot-grüne Berliner Politik dafür zumin-
dest mitverantwortlich ist. Gut einen
Monat ließ sich der sozialdemokrati-
sche Bürgermeister Michael Müller
Zeit, um den Vorstoß der Bürgerinitia-
tive „Deutsche Wohnen & Co. enteig-
nen“ abzulehnen, also die Vergesell-
schaftung größerer privater Woh-
nungskonzerne zu kritisieren. Der sich
nun deutlicher abzeichnende Mieten-
deckel macht es nicht viel besser: Mie-
ter sollen sogar auf geringeren Zahlun-
gen bestehen dürfen, wenn politisch
festgelegte Grenzen überschritten wer-
den. Mieterhöhungen sollen für – min-
destens – fünf Jahre faktisch untersagt
werden. Und wessen Miete 30 Prozent
des Nettoeinkommens übersteigt, soll
bei den Behörden Mietminderungen
beantragen können.
Das klingt nach einer absurden Woh-
nungspolitik, die jedenfalls nicht zu
neuen Wohnungen führt. Ob die rot-
rot-grünen Vorhaben juristisch Be-
stand haben werden, ist wegen ihrer ei-
gentumsfeindlichen Ausrichtung unge-
wiss. Investoren schreckt das ab, damit
fehlt auch Geld für klimapolitisch wich-
tige Gebäudesanierungen. Berlin bleibt
für junge, gut ausgebildete Menschen
auch weiterhin höchst attraktiv. Wel-
che Chancen hätte die Hauptstadt,
wenn sie von ihrer wirtschaftsfeindli-
chen Politik lassen würde?

W


ährend der Machtkampf zwi-
schen Parlament und Regierung
um den Brexit-Kurs in London tobt,
steckt die britische Wirtschaft in einer
Zwickmühle. Wen soll sie unterstüt-
zen? Die Regierung von Boris John-
son, die einen harten Brexit nicht aus-
schließt, der für die Wirtschaft sehr
schmerzhaft würde? Oder die Opposi-
tion, die einen harten Brexit verhin-
dern will? Die Wirtschaft will keinen
chaotischen EU-Austritt. Viele Unter-
nehmer wissen aber nicht, was sie
mehr fürchten sollen, einen Chaos-
Brexit oder eine Regierung unter La-
bour-Chef Jeremy Corbyn. Denn der
Sozialist Corbyn hat ein Wirtschafts-
programm vorgelegt, das Großbritan-
nien in die siebziger oder gar in die
fünfziger Jahre zurückwerfen könnte.
Für viele in der Wirtschaft ist Corbyn
ein rotes Schreckgespenst.
Sein Programm lässt sich in weni-
gen Schlagworten zusammenfassen:
mehr Staatsausgaben, höhere Steuern
und teilweise Verstaatlichung der Un-
ternehmen. Investitionen in Infrastruk-
tur, Schulen und Gesundheitsdienst
fänden viele Unternehmer gut. Aber
Corbyn will auch Energiekonzerne, Ei-
senbahnen, Post, Wasserwerke und Tei-
le der Stahlindustrie enteignen und in
öffentlichen Besitz nehmen. Zudem
hat er angekündigt, größere Unterneh-

men sollten zehn Prozent ihres Kapi-
tals an die Belegschaft übertragen
(oder an Fonds, die bis zu 500 Pfund
Dividende an Mitarbeiter ausschütten,
alles darüber kriegt der Fiskus). Dieses
Enteignungprogramm könnte die Wirt-
schaft 300 Milliarden Pfund kosten.
Außerdem will Corbyn die Körper-
schaftsteuer und die Einkommensteu-
er für Besserverdiener erhöhen.
Mehr als drei Jahrzehnte war Cor-
byn eine Art marxistisches Fossil im
britischen Parlament. Nun könnte er
in den Brexit-Wirren zum Premier-
minister aufsteigen, wenn es ihm ge-
lingt, die Liberaldemokraten und
Tory-Abweichler auf seine Seite zu zie-
hen. Seine altlinken Ansichten und sei-
ne Antisemitismus-Skandale waren
bisher ein Hindernis dafür, dass die
Opposition geeint gegen Johnson
Front machte. Der Ärger über die Ver-
tagung des Parlaments schweißt nun
aber Opposition und Tory-Rebellen
langsam zusammen. Johnson hält der-
weil eisern am Brexit-Datum Ende Ok-
tober fest. Er will so den Druck auf die
EU erhöhen und Zugeständnisse bei
der irischen Grenzfrage (Backstop) er-
reichen. Noch vor dem 31. Oktober
könnte es indes Neuwahlen im König-
reich geben. Dann müssen sich Wähler
und Wirtschaft entscheiden, zu wem
sie halten.

H


inter dem grassierenden Betten-
mangel auf deutschen Intensiv-
stationen steckt kein Materialpro-
blem, sondern ein Personalproblem.
Wie es aussieht, ist die Politik dabei,
das Problem zu verschlimmern, an-
statt es zu lindern. Das ist nicht gut,
weder für die Patienten noch für die
Pflegekräfte. Dabei war genau das Ge-
genteil geplant.
Wer das verstehen will, muss etwas
tiefer einsteigen. Kliniken werden mit
Fallpauschalen für ihre Leistungen
wie Operationen bezahlt. Zudem sol-
len die Länder Investitionen in Gebäu-
de und große Technik bezahlen. Weil
die Länder diese Verpflichtungen
nicht erfüllen, müssen die Kliniken
das Geld dafür selbst aufbringen. Das
geschieht, indem sie es aus den dafür
nicht vorgesehenen Fallpauschalen ab-
zwacken, womit das Geld für Pflege-
und andere Hilfskräfte fehlte. Das ist
schlecht für die verbliebenen Kräfte:
Ihr Arbeitsdruck steigt und damit die
Gefahr von Fehlern. Das wiederum ist
nicht schön für die Patienten.
Deshalb klatschten viele, als die Ko-
alition versprach, künftig festzulegen,
wie viele Krankenhauspatienten künf-
tig höchstens auf eine Pflegekraft kom-
men dürften. Dann versprach Gesund-
heitsminister Jens Spahn (CDU) noch
die Finanzierung von 13 000 neuen

Pflegestellen. Dass das Konzept ein
paar schwerwiegende Schwachstellen
besitzt, ging im allgemeinen Beifall zu-
nächst unter.
Um Personalmangel zu beheben,
braucht man zusätzliche Arbeitskräf-
te. An denen fehlt es in der Pflege
schmerzlich. Frisches Geld für neue
Klinikstellen hilft da nur wenig. Auch
die Personaluntergrenzen zeigen kurz
nach Einführung ihr hässliches Ge-
sicht: Irgendwer muss eben festlegen,
wie viele Fachkräfte mindestens auf ei-
ner Intensivstation, in der Herzchirur-
gie oder in der Stroke Unit vorhanden
sind. Jeder Patient wird sagen: Lieber
zu viele als zu wenige. Aber was sagt
der Kranke im Rettungswagen, der
vor verschlossene Türen gefahren
wird, weil er der ist, wegen dem die
Station ihre mühsam austarierte Per-
sonaluntergrenze reißen würde?
So erweisen sich die angeblich pa-
tienten- und personalfreundlichen Un-
tergrenzen als Instrument der kalten
Rationierung, das im zweifellos völlig
überbesetzten deutschen Klinikmarkt
zu unstrukturierten und chaotischen
Bereinigungen führt. Womöglich ist
das ein Grund, warum Kassen und Kli-
niken die Entscheidung über die Höhe
der Personalquoten nicht selbst tref-
fen, sondern Spahn die Verantwor-
tung dafür zuweisen.

ami. BERLIN, 3. September. In deut-
schen Krankenhäusern gibt es immer we-
niger belegbare Intensivbetten. Das liegt
nicht an den Betten, sondern am Perso-
nal. Weil die Pflegefachkräfte nicht rei-
chen, um die gesetzlichen Vorgaben für
die Mindestbesetzung zu erfüllen, müs-
sen immer mehr Stationen Betten zeitwei-
se stilllegen. Klinikdirektoren berichten,
dass sogar Rettungswagen abgewiesen
würden, obwohl Betten frei seien, denn:
Mit einem neuen Patienten rissen die Kli-
niken ihre Personalquoten.
Dies geht aus einer unveröffentlichten
Umfrage des Deutschen Krankenhausin-
stituts (DIK) hervor, die der F.A.Z. vor-
liegt. Darin haben 37 Prozent der reprä-
sentativ befragten deutschen Kranken-
häuser angegeben, Betten auf Stationen
für die intensivmedizinische Betreuung


zumindest zeitweise stillgelegt zu haben.
Weitere sechs Prozent der befragten Klini-
ken hätten das in Aussicht gestellt.
Mit den Untergrenzen reagiert wieder-
um der Gesetzgeber auf das knapp vor-
handene Pflegepersonal: So sollen Patien-
ten vor unzureichender Betreuung, Pflege-
kräfte vor Überarbeitung und Fehlern ge-
schützt werden. Krankenkassen und Klini-
ken sollen diese Untergrenzen eigentlich
festlegen. Weil sie sich aber auch dieses
Jahr nicht einigen können, legt der Ge-
sundheitsminister Jens Spahn (CDU) die
neuen Quoten fest. Seit Januar gilt auf In-
tensivstationen die Regel, dass tagsüber
mindestens eine Fachkraft auf 2,5 Patien-
ten kommt, nachts ein Pfleger auf 3,5 Pa-
tienten. Wird die Quote unterschritten,
drohen der Klinik Strafmaßnahmen. Den
Kassen geht das nicht weit genug. Sie wol-
len, dass eine Fachkraft für höchstens
zwei Patienten zuständig ist, nachts für
drei. Die Kliniken hingegen sagen voraus,
dass dies das Personalproblem nur noch
mehr verschärfen werde.
Solche Politik gehe am Ende zu Lasten
der Patienten, sagt der Hauptgeschäftsfüh-
rer der Deutschen Krankenhausgesell-
schaft (DKG), Georg Baum. „Die Unter-
grenzen gefährden die medizinische Ver-
sorgung.“ Ein großer Teil der Kranken-
häuser reagiere auf die Vorschriften, in-
dem sie Betten sperrten „oder ganze Sta-
tionen abmelden“. Dabei müsse doch si-
chergestellt sein, dass zum Beispiel nach

einem Unfall oder in anderen Notfallsitua-
tionen Patienten „so schnell und so nah
wie möglich versorgt werden sollten,
auch wenn die Personaldecke durch zu
großen Patientenandrang einmal nicht op-
timal ist“. Krankenhäuser dürften nicht
auch noch bestraft werden.
Ingo Morell ist einer der Vizepräsiden-
ten der Krankenhauslobby, die kommuna-
le, private und gemeinnützige Klinikbe-
treiber eint. Morell vertritt als Geschäfts-
führer der Gemeinnützigen Gesellschaft
der Franziskanerinnen zu Olpe die katho-
lische Seite. Nach eigenem Bekunden hat
er die Grenzen befürwortet, als der frühe-
re Gesundheitsminister Hermann Gröhe
(CDU) sie aufbrachte, weil Kliniken zu
viele Pflegestellen abgebaut hatten. Doch
seit das System scharf geschaltet wurde,
kennt Morell die Schattenseiten – in allen
seinen Kliniken seien Intensivbetten we-
gen Personalmangels stillgelegt worden.
Würden die Personaluntergrenzen weiter
verschärft, dann brauche er auf zwei gro-
ßen Stationen wieder zehn Kräfte mehr,
„die krieg ich aber nicht“.
Morell kann über viele Einzelfälle be-
richten. Einer aus Bergisch Gladbach
geht so: Alle drei örtlichen Kliniken leh-
nen die Anfrage eines Rettungswagens
ab, der eine ältere Patientin mit multire-
sistenten Keimen aufgenommen hat.
„Alle sind voll.“ Dann erbarmt sich ein
ärztlicher Direktor, nimmt die Frau auf,
legt Patienten zusammen, macht einen

Raum als Isolierzimmer für die hochanste-
ckende Patientin frei und bekommt am
nächsten Morgen von der Pflegedienstlei-
tung zu hören: „Aber Sie wissen schon,
dass wir in der Schicht die Vorgaben der
Personaluntergrenzen gerissen haben?“
Dabei war die Schicht gut geplant und aus-
reichend besetzt gewesen – eben bis der
Notfall reinkam.
Die Pflegeleitungen kennen andere
Notfälle, von Krankmeldungen bis hin zu
Versetzungswünschen, weil den Pflegern
die ständige Rufbereitschaft gewaltig auf
die Nerven geht. Die Bürokratie wächst
durch das ständige Erfassen und Bilanzie-
ren überdies. Dies gerade auch zum Ärger
des Personals, das seine Zeit besser nut-
zen könnte. Neue Pflegekräfte zu finden
sei denn auch sehr schwierig, beklagt Mo-
rell. „Der Pflegemarkt ist leergefegt, wir
stellen ein, was geht.“ Man müsse zur
Kenntnis nehmen, dass fast jedes Kran-
kenhaus in Deutschland den Mangel in
der Pflege verwalte. „Durch zusätzliche
schärfere Vorgaben schaffe ich keine ein-
zige Stelle mehr.“ Beim Rettungsdienst in
Bergisch Gladbach gebe es einen neuen
Tatbestand, der es den Kliniken erlaube,
die Annahme von Patienten zu verwei-
gern: die Personaluntergrenze. Doch Mo-
rell sagt auch: „Was mache ich, wenn der
Rettungsdienst in der Auffahrt steht und
sagt: Ich habe da einen Schlaganfall. Du
bist für die Versorgung zuständig, ich fah-
re hier nicht mehr weg.“

Brexit-Johnson oder Sozialismus-Corbyn


Von Philip Plickert, London

Kein Berliner Wunder


Von Michael Psotta

Kalte Rationierung im Krankenhaus


Von Andreas Mihm

Foto Reuters

ami./tko. BERLIN/FRANKFURT,



  1. September.Zumindest in der Bewer-
    tung der Klimapolitik als potentieller Kil-
    ler der gemeinsamen Regierung sind sich
    die Berliner Koalitionspartner einig: Nach-
    dem Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) den
    Fortbestand der schwarz-roten Koalition
    mit Fortschritten in der Klimapolitik ver-
    knüpft hatte, nannte der CSU-Landesgrup-
    penvorsitzende Alexander Dobrindt das
    Zustandekommen des gemeinsamen Kli-
    mapaketes mit der SPD nun einen „Lack-
    mustest“ für das Bündnis. Mit der Präsen-
    tation eines Forderungspapiers machte
    die CSU auch gleich klar, auf welcher Ba-
    sis sie am 20. September im „Klimakabi-
    nett“ Einigungschancen sieht.
    „Gesundes Klima, saubere Umwelt,
    emissionsfreie Zukunft“ hat sie als Über-
    schrift für ihren „neuen gesellschaftlichen
    Klimapakt“ gewählt. Darin tauchen viele
    Bekannte aus den Debatten der vergange-
    nen Wochen auf, darunter manche, die
    der SPD wenig gefallen dürften – etwa der
    mit einer Preisobergrenze, aber keiner Un-
    tergrenze ausgestattete „sektorübergrei-
    fende Emissionshandel“ zur Minderung
    des Kohlendioxidausstoßes. Der Handel
    mit den staatlich ausgegebenen Rechten
    dürfe nur übergangsweise national organi-


siert werden. Eine von der SPD präferier-
te Steuer auf CO 2 -Emissionen, „die nur zu
Preiserhöhungen an der Zapfsäule führt,
lehnen wir entschieden ab“.
Im Gegenzug zu einer Bepreisung der
CO 2 -Emissionen müsse die Ökostromum-
lage zur Finanzierung von Wind- und Pho-
tovoltaikanlagen nach dem Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG) „deutlich“ redu-
ziert werden. Und klimarelevante Investi-
tionen in Gebäude sollten steuerlich ge-
sondert abgeschrieben werden dürfen.
Die Pendlerpauschale müsse steigen, da-
mit Pendler auf dem Land nicht zu den
Verlierern des Klimaschutzes gehörten.
Um den Umstieg auf die Bahn anzureizen,
sollen deren Fahrkarten nicht mehr mit 19
Prozent, sondern nur noch mit 7 Prozent
Umsatzsteuer belegt werden. Förderung
verspricht die CSU für den Ausbau des
Schienennetzes, alternative Antriebe wie
Elektromotoren in Pkw und Dienstwagen,
die elektrisch oder mit Hybridantrieben
ausgestattet sind. Eine ökologische Re-
form der Kfz-Steuer rundet das Paket ab.
Um Investitionen in neue Technologien zu
bezahlen, solle der Staat sich schließlich
verschulden: Bürger, die diese Klima-An-
leihe zeichnen, sollten einen garantierten
Zins von 2 Prozent bekommen. In den

kommenden Tagen berät der Fraktionsvor-
stand der Union in Klausur. Dabei soll
auch ein gemeinsames Papier zum Klima-
schutz entstehen.
Die CDU markiert dafür ihrerseits in ei-
ner Vorlage Stichworte für „Grundsätze“.
Die scheinen aber kompatibel zu sein mit
vielen der ausformulierten Forderungen
der bayerischen Schwesterpartei: steuerli-
che Anreize für emissionsarme Alternati-
ven, technologieoffene Förderung von In-
novationen, zielgenaue Förderung nicht-
fossiler Technologien und Kraftstoffe.
Es dürfe keine sozialen Verwerfungen
geben. Zum Klimaschutz gehörten sozia-
ler Ausgleich und wirtschaftliche Entwick-
lung. „Für uns ist deshalb wichtig, dass
mit der Bepreisung Entlastungen einherge-
hen, insbesondere, dass die EEG-Umlage
schrittweise abgebaut wird.“
Mit Blick auf die Luftfahrt sind sich die
Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD in
der Klimadebatte so weit einig, dass Flie-
gen teurer werden soll. Entwürfe für Positi-
onspapiere der drei Parteien, die der
F.A.Z. vorliegen, zeigen jedoch, dass über
konkrete Maßnahmen noch Uneinigkeit
besteht: Die CSU hält in dem Entwurf ih-
rer Bundestags-Landesgruppe an der Idee
einer Steuer auf günstige Tickets fest, die

Dobrindt unter dem Schlagwort „Kampf-
preis-Steuer“ gefordert hatte. Das Wort
selbst taucht zwar nicht auf, die Rede ist
von einer „Besteuerung von Billigtickets,
die für unter 50 Euro angeboten werden“.
Ziel solle eine „faire Preisgestaltung im
Luftverkehr“ sein, denn „9-Euro-Tickets
für Flüge innerhalb Europas haben weder
mit Marktwirtschaft noch mit Klima-
schutz etwas zu tun“. Die CDU scheint in-
des einen Aufschlag auf die seit 2011 gel-
tende nationale Luftverkehrsteuer zu favo-
risieren. „Die Kosten und Belastungen ei-
nes Fluges müssen sich im Ticketpreis ab-
bilden“, heißt dort. Man spreche sich für
„eine Erhöhung der Ticketabgabe“ aus.
Auch die SPD will Billigtickets verhin-
dern und „Fliegen europaweit einen ange-
messenen Preis“ geben. So sollen Tickets
in der EU nicht mehr zu einem Preis unter-
halb der Kosten der anwendbaren Steuern
und Gebühren, Zuschläge und Entgelte
verkauft werden dürfen. In der Flugbran-
che sorgt die Debatte für Missstimmung.
Ein Auslöser dafür ist, dass der Branchen-
verband BDL Dobrindts „Kampfpreis-
Steuer“ nicht konsequent zurückgewiesen
hatte. Einige Branchenvertreter meinen,
dass solch eine Steuer eine Hilfe für Luft-
hansa im Kampf gegen Ryanair wäre.

Intensivstationen in höchster Not


Die Klimapolitik wird zur Nagelprobe für die Koalition


Weniger Ökostromumlage, neue Anleihen mit 2 Prozent Zinsen, Emissionshandel: CDU und CSU formieren sich


Der Personalmangel


setzt deutschen


Krankenhäusern zu:


Rettungswagen


werden abgewiesen,


Abteilungen geschlossen.


Was ist da los?

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