SEITE 16·MITTWOCH, 4. SEPTEMBER 2019·NR. 205 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
FRANKFURT, 3. September
A
ls Thorsten Försterling noch
kein Innovations-Manager war,
sondern einfacher Student,
musste er ziemlich oft laufen.
Dreißig Minuten zu Fuß in seinen Nach-
barort. Försterling erzählt, dass er sich da-
mals mit wenigGeld in der Tasche die Mie-
ten in seiner Universitätsstadt nicht leisten
konnte und aufs Land gezogen war. „Ir-
gendwann hat sich dann mein altes Auto
endgültig verabschiedet, und ich war auf
den Bus angewiesen.“ Deshalb der halb-
stündige Fußmarsch – er führte zur Bushal-
testelle im Ort nebenan. In seinem Dorf
fuhr der Bus nur selten, im Nachbarort im
15-Minuten-Takt. „Damit kommt man ja
eigentlich nie zu spät“, sagt Försterling im
Rückblick recht begeistert: „Der Weg hat
sich für mich gelohnt.“
Aus dieser Zeit, sagt er, kommt sein In-
teresse an der Frage, wie Mobilität im länd-
lichen Raum aussehen soll. Doch die gro-
ßen Mobilitätsdebatten arbeiten sich bis-
her an anderen Dingen ab: an chaotischen
Innenstadtstraßen und Fahrverboten, an
E-Rollern, die auf Gehwegen liegen gelas-
sen werden, und Fahrradwegen, die zu
Schnellstraßen werden sollen. Die Zu-
kunft der Mobilität wird in der Stadt ge-
schmiedet. Auf dem Land dominiert das
private Auto, allen Abgesängen zum
Trotz. Dort ist sein Anteil am Verkehrsauf-
kommen mit 55 Prozent am höchsten, wäh-
rend der öffentliche Nahverkehr gerade
einmal auf fünf Prozent kommt. In den
Städten ist er viermal so hoch.
Im Wahlkampf in Ostdeutschland ent-
deckten die Parteien das Thema gerade
wieder. Allen voran die Grünen, die den
spärlich ausgebauten Nahverkehr kritisier-
ten und kürzlich eine „regionale Mobili-
tätsgarantie“ forderten. Um das zu errei-
chen, sollen Regionen zum Beispiel stillge-
legte Bahnstrecken wiederbeleben. Thors-
ten Försterling hat dafür ein Konzept ent-
wickelt. Im vergangenen Jahr hat er mit
den „Country Cabs“ den Deutschen Mobi-
litätspreis gewonnen. Und am Anfang der
Idee lag tatsächlich eine alte Bahntrasse.
Die Deutsche Bahn hatte sie aufgegeben,
ein Eisenbahnverein pflegt die Strecke seit-
her und nutzt sie ab und an für historische
Loks. Sie liegt in der Region Nordlippe –
ländlich geprägt, dünn besiedelt und mit
den Auswirkungen einer schrumpfenden
Bevölkerung konfrontiert.
Försterling will Trasse und Region neu-
es Leben einhauchen und gleichzeitig et-
was konzipieren, das so bequem ist wie ein
Auto. Wo Fahrgäste sich sicher fühlen, tele-
fonieren, ihre Lieblingsmusik abspielen
oder arbeiten können. Die Idee: kleine, au-
tonom fahrende Privatkabinen, die über
eine App für den nächsten Haltepunkt re-
serviert werden und den Fahrgast ohne
Zwischenstopp ans Ziel bringen. Förster-
ling nennt das „individuellen Personen-
nahverkehr“, kurz IPNV. Damit das auf der
vorhandenen Strecke funktioniert, machte
sich der Ingenieur zwei alte Techniken zu-
nutze: Paternoster und Gyroskope. So kön-
nen die Waggons konstant in Bewegung
bleiben – und auf einer Trasse in beide
Richtungen gleichzeitig fahren. Die Kabi-
nen nennt er „Monocabs“, sie fahren ein-
zeln, nur auf einer Schiene, und passen so-
mit aneinander vorbei. Das Gyroskop, ein
Kreiselinstrument, wie es auch in Segways
zum Einsatz kommt, sorgt für die Balance.
„Das Problem ist nicht, dass die Ideen
nicht da sind“, sagt Försterling. „Wir se-
hen, dass der ländliche Raum mit großen
strukturellen Problemen zu kämpfen hat.“
Das habe auch mit fehlender Anerken-
nung zu tun. Berichten Leute aus dem
ländlichen Raum, wie sie ihr Nahverkehrs-
angebot finden, sind die Antworten recht
eindeutig. Für die Studie „Mobilität in
Deutschland“ des Bundesverkehrsministe-
riums gaben von denen, die außerhalb der
Metropolen leben und trotzdem täglich
Bus und Bahn nutzen, selten mehr als 50
Prozent an, zufrieden zu sein. Je dörflicher
die Region, desto unzufriedener sind die
Bewohner mit dem ÖPNV.
Verkehrsverbünde und Gemeinden su-
chen deshalb nach eigenen Lösungen –
nicht so futuristisch wie Försterlings Coun-
try Cabs, dafür schnell und günstig einsatz-
bereit. Weil sich der normale Fahrplanbe-
trieb nicht rechnet, hat zum Beispiel der
Landkreis Leer in Ostfriesland einen „An-
rufbus“ auf die Straße geschickt. Wer eine
Fahrt braucht, ruft an, vereinbart Abhol-
zeit und Ort und kann für relativ wenig
Geld mitfahren. Innerhalb einer Gemein-
de kostet die Fahrt 3,10 Euro, in die nächs-
te und übernächste je 50 Cent mehr. In der
Uckermark will man mit dem „Kombibus“
dagegen die Fahrzeuge besser auslasten, in-
dem sie nicht nur Personen transportie-
ren, sondern auch Pakete.
In Nordhessen versucht wiederum der
Verkehrsverbund NVV auszunutzen, dass
das Prinzip „Mitfahrgelegenheit“ unter
Dorfbewohnern (gezwungenermaßen) eta-
bliert war, lange bevor Städter von der Er-
findung des „Carsharing“ schwärmten.
Das Pilotprojekt „Mobilfalt“ startete im
April 2013: Private Fahrer können zu fes-
ten Zeiten eine Mitfahrgelegenheit anbie-
ten, pro Kilometer bekommen sie 30 Cent,
die Mitfahrer zahlen innerhalb der Ge-
meinde einen Euro, für Fahrten zwischen
zwei Gemeinden zwei Euro. Seit 2013 wur-
den 48 000 Fahrten auf Mobilfalt-Linien
gezählt. Auf 2500 registrierte Mitfahrer
kommen etwa 150 Fahrer.
Das reicht aber nicht, um alle Linien
mit privaten Fahrern abzudecken. Oft
muss der Verkehrsverbund mit Taxis ein-
springen, denn entscheidend sei es, den
Fahrplan verbindlich einzuhalten, sagt Sa-
bine Herms. Sie ist Sprecherin des NVV
und betont, dass sich das Angebot darin
vom herkömmlichen Carsharing unter-
scheide: „Bei uns steht nicht der Bedarf
des Fahrers im Vordergrund. Wonach wir
gesucht haben, war ein verlässliches Ange-
bot für den Fahrgast.“ Dieses Angebot wer-
de stetig weiterentwickelt, sagt Herms.
„Gerade haben wir ein Initiativprojekt ge-
startet, das den Ein-Stunden-Takt auf dem
Land ermöglichen soll.“ „Mobilfalt“ hat
sich in der Region etabliert, was sich nicht
über alle Initiativen sagen lässt. „Das ist
das Problem an diesen kleinen Projekten“,
sagt Innovations-Manager Försterling,
„wenn alles an einer Person, an einem Eh-
renamtler, zusammenläuft, bekommen
wir die Projekte nicht in die Verstetigung.“
Damit es mit den Country Cabs weiter-
geht, braucht Försterling jetzt einen Proto-
typen. Stündlich warte er auf die Förde-
rungszusage des Bundesverkehrsministeri-
ums. Dann sei es möglich, das Konzept
über die Bahntrasse in Nordlippe hinaus
zu verwirklichen. Weil die Kabinen viel
leichter sind als normale Züge, können
Strecken auch dort gebaut werden, wo
Grund oder Statik das vorher nicht erlaubt
haben.
Bei einer Sache jedoch macht sich Förs-
terling keine Illusionen: „Von allein wird
sich dieses System unternehmerisch nicht
rechnen.“ Der ÖPNV sei in der Fläche
schon jetzt wirtschaftlich nicht tragfähig.
Gehe es ausschließlich danach, lohne es
sich auf dem Dorf aber nicht einmal,
Stromkabel zu verlegen und Kläranlagen
zu bauen, wie Försterling sagt. „Aber
wenn ich durch eine Infrastrukturmaßnah-
me Strukturen auf dem Land erhalten
kann, habe ich doch schon gewonnen.“
Ärger um Gebrauchsspuren
Langzeitmieter müssen keinen Scha-
denersatz für „gewöhnlichen Ge-
brauch“ ihrer Wohnung zahlen. Das
geht aus einem nun veröffentlichten Be-
schluss des Landgerichts Wiesbaden
hervor. In dem Rechtsstreit hatte ein
Vermieter seinen früheren Mieter in
erster Instanz auf Schadenersatz ver-
klagt, weil dieser Kerben im Laminat
und einen verfärbten Teppichboden
hinterlassen hatte. Seiner Auffassung
nach seien diese ersatzfähig, zumal die
Lebensdauer der Bodenbeläge weit
mehr als 15 Jahre betragen würde. Das
Landgericht bestätigte das Urteil des
Amtsgerichts Wiesbaden, das übliche
Gebrauchsspuren nach mehr als 14 Jah-
re Mietdauer für nicht ersatzfähig hielt.
Das gelte insbesondere für Laminat
von einfacher Qualität, das nicht von
Fachpersonal, sondern vom Vermieter
selbst verlegt worden war. Instandhal-
tungsmaßnahmen an der Mietsache,
die in einem Zeitraum von 14 Jahren
naturgemäß anfallen, galten nach Auf-
fassung des Amtsgerichts ohnehin als
nicht ersatzfähige „Sowieso“-Kosten.
Darunter versteht das Gericht etwa
Kosten, die beim Abschleifen und La-
ckieren einer Holztreppe entstehen, die
ebenfalls Gebrauchsspuren aufweist
(Az.: 3 S 31/19). mj.
Neuer Bea-Dienstleister
Das besondere elektronische Anwalts-
postfach (Bea), über das Rechtsanwälte
mit Gerichten kommunizieren sollen,
wird ab kommendem Jahresbeginn von
einem neuen Dienstleister betreut. In
dem Vergabeverfahren für Übernah-
me, Weiterentwicklung, Betrieb und
Support des Anwaltspostfachs habe die
Bietergemeinschaft von Westernacher
Solutions und Rockenstein den Zu-
schlag erhalten, teilte die Bundesrechts-
anwaltskammer in dieser Woche mit.
Beide Unternehmen seien seit vielen
Jahren mit dem Betrieb von Fachan-
wendungen der Justiz und der öffentli-
chen Verwaltung vertraut. Der Vertrag
mit dem ursprünglichen Dienstleisters
Atos, mit dem die Anwaltskammer
über Kreuz lag, läuft zum 31. Dezem-
ber 2019 aus. Trotz vieler Updates ist
das System weiterhin sehr instabil. mj.
KÖLN,3. September. Der erhöhte Wett-
bewerbsdruck und die rasante Geschwin-
digkeit bei der Entwicklung neuer, digita-
ler Geschäftsmodelle zwingen etablierte
Marktteilnehmer zum Umdenken. Die frü-
her in vielen Bereichen undenkbare Ent-
wicklungszusammenarbeit zwischen
Wettbewerbern wird immer populärer.
Bei der Anbahnung und Verhandlung sol-
cher Kooperationen unterlaufen den
Joint-Venture-Partnern immer wieder
Fehler, die auch den wirtschaftlichen Er-
folg des Unternehmens gefährden. Je frü-
her man sich den Herausforderungen
stellt, desto besser können der Abfluss
von Know-how, Compliance-Risiken und
Konfliktpotential vermieden werden.
Zunächst stellt sich die Frage, wie eine
solche Kooperation strukturiert wird: als
bloß schuldrechtliche Vereinbarung oder
mittels förmlicher Gründung einer Joint
Venture-Gesellschaft. Letztere kann Haf-
tungsfragen vorbeugen, vor allem bei neu-
en Geschäftsmodellen, bei denen nur
schwer zu prognostizieren ist, ob sie die
gewünschte Marktdurchdringung haben
werden. Mit der Gründung einer eigenen
Gesellschaft ist aber ein nicht unerhebli-
cher Aufwand verbunden: Unter anderem
müssen sich die Parteien hierbei mit der
Ausstattung finanzieller und personeller
Ressourcen auseinandersetzen.
Ein weiterer Dauerbrenner, insbeson-
dere bei auf die Forschung und Entwick-
lung ausgelegten Kooperationen, ist die
Verteilung von Rechten an den Entwick-
lungsergebnissen. Hier sind ausdifferen-
zierte Regelungen in den Verträgen zu
empfehlen, die vor allem dann erforder-
lich werden, wenn die beteiligten Partner
die gemeinsamen Entwicklungen auch
nach Beendigung der Zusammenarbeit je-
weils für ihr eigenes Geschäft nutzen wol-
len. Wichtig ist dabei – trotz aller Eupho-
rie, die oft mit der Gründung eines Joint
Ventures in einem Zukunftsmarkt verbun-
den ist –, ausreichende vertragliche Vor-
sorge zu schaffen. Das gilt nicht nur für
die Laufzeit des Joint Ventures, sondern
gerade auch für den Zeitpunkt, zu dem
sich die Wege wieder trennen, und die
Zeit danach.
Die mit der Zusammenarbeit verfolg-
ten Ziele lassen sich zudem oft nur ver-
wirklichen, wenn Know-how und Infor-
mationen gebündelt werden. An dieser
Stelle werden aufgrund neuer Rechtsent-
wicklungen neue Problemfelder relevant,
vor allem durch das Greifen der Daten-
schutzgrundverordnung (DSGVO) und
das neue Geheimnisschutzgesetz.
Grundsätzlich ist der Austausch perso-
nenbezogener Daten zwischen den betei-
ligten Partnern sowie diesen und der
Joint Venture-Gesellschaft nur erlaubt,
wenn ein gesetzlicher Erlaubnistatbe-
stand greift. Bei vielen der neuen Digital
Joint-Ventures geht es aber gerade dar-
um, Datensätze auf verschiedenen Ebe-
nen zu nutzen oder gar zu poolen, um zu-
mindest im Ansatz konkurrenzfähig ge-
genüber mächtigen Wettbewerbern wie
Google zu sein. Um den Datenaustausch
rechtssicher zu gestalten, sind besondere
Maßnahmen erforderlich, zum Beispiel
der Abschluss von Auftragsdatenverarbei-
tungsvereinbarungen, Vereinbarungen
über die gemeinsame Verantwortlichkeit
oder im Fall von Auslandsübermittlungen
EU-Standardverträgen.
Datenschutz spielt bereits in der An-
bahnung der Kooperation eine Rolle,
wenn im Rahmen der gegebenenfalls ge-
genseitig bei den Kooperationspartnern
durchzuführenden Due Diligence große
Datenmengen ausgetauscht werden.
Nicht zuletzt wegen der drakonischen
Bußgelder, die unter der DSGVO drohen,
lohnt es sich, hierauf ein besonderes Au-
genmerk zu legen – wie auch auf die Fra-
ge nach der kartellrechtlichen Zulässig-
keit der Kooperation und des Datenaus-
tausches.
Dies gilt auch für den Schutz von Ge-
schäftsgeheimnissen. Damit diese künf-
tig noch als „geheim“ geschützt sind, müs-
sen nach dem im April 2019 in Kraft getre-
tenen Geschäftsgeheimnis-Schutzgesetz
angemessene Geheimhaltungsmaßnah-
men ergriffen werden. Für die Anbah-
nung und Tätigkeit eines Joint Ventures
bedeutet dies, dass zwischen allen Betei-
ligten in Geheimhaltungsvereinbarungen
explizit vereinbart werden sollte, welche
ausgetauschten Daten als Geschäftsge-
heimnisse gelten und wie die jeweils ande-
re Partei mit diesen Geheimnissen umzu-
gehen hat.
MYRIAM SCHILLING
Die Autorinist Partnerin bei Oppenhoff & Partner.
Es droht der Verkehrskollaps.
Wie wir künftig mobil
bleiben. Teil 10
FRANKFURT, 3. September. Nach über
einem Jahr Gültigkeit der Datenschutz-
grundverordnung (DSGVO) haben die
Gerichte erste Entscheidungen zum
Schmerzensgeld bei einem Verstoß ge-
gen Datenschutzregeln gefällt. Das
Amtsgericht Diez, das Landgericht
Karlsruhe und das Oberlandesgericht
Dresden haben in drei Verfahren mit
gleichlautender Tendenz jeweils kein
Schmerzensgeld nach Artikel 82
DSGVO gewährt. Damit setzen die Ge-
richte die bisherige Rechtsprechung
zum Schmerzensgeldanspruch bei Per-
sönlichkeitsverletzungen fort.
Jeder Person, die von einem daten-
schutzrechtlichen Verstoß betroffen ist,
steht grundsätzlich ein Anspruch auf
Schadenersatz zu. Auch Schmerzens-
geld ist ausdrücklich vorgesehen. An-
haltspunkte, wie dieser Schadensersatz-
anspruch ausgestaltet ist, sucht man je-
doch vergeblich. Das Amtsgericht Diez
entschied im November 2018 (Az.: 8 C
130/28), dass ein Verstoß gegen die
DSGVO nicht automatisch einen imma-
teriellen Schadensersatzanspruch der
betroffenen Person nach sich ziehe. Es
müsse der Person vielmehr ein spürba-
rer Nachteil entstanden sein und es müs-
se eine objektiv nachvollziehbare, mit
gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchti-
gung von persönlichkeitsbezogenen Be-
langen vorliegen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Dres-
den (Az.: 4 U 760/19) bestätigte die Aus-
führungen des Amtsgerichts weitestge-
hend. In diesem Fall nahm der Kläger
Facebook wegen einer Löschung eines
Posts und der vorübergehenden Sperre
seines Mitgliedskontos unter anderem
auf materiellen und immateriellen Scha-
densersatzanspruch nach Artikel 82
DSGVO in Anspruch. Diesen Anspruch
wies das OLG Dresden zurück, weil es
im Löschen des Beitrags und der vor-
übergehenden Sperre schon keinen Ver-
stoß gegen zwingende Regelungen der
DSGVO sah.
Darüber hinaus konnte das Gericht
keinen materiellen oder immateriellen
Schaden des Klägers erkennen. Weder
die Sperre von Daten an sich noch deren
Löschung entsprechend der Nutzungsbe-
dingungen von Facebook begründeten
einen Schaden im Sinne der DSGVO.
Die Behauptung des Klägers, er werde
durch die dreitägige Sperre in der Per-
sönlichkeitsentfaltung gehemmt, habe
allenfalls Bagatellcharakter. Solche Ba-
gatellschäden können jedoch nach An-
sicht des Gerichts nicht zu einem Aus-
gleichsanspruch führen. Auch der in der
DSGVO enthaltene Hinweis auf einen
„vollständigen und wirksamen Scha-
densersatz“ gebiete keinen solchen Aus-
gleich. Dafür spreche vor allem, dass ein
nahezu voraussetzungsloser Schmer-
zensgeldanspruch im Bereich des Daten-
schutzes ein erhebliches Missbrauchsri-
siko berge.
Diese Ansicht vertritt auch das Land-
gericht Karlsruhe (Az.: 8 O 26/19).
Nicht jeder Verstoß – welcher im Übri-
gen durch die betroffene Person nachge-
wiesen werden müsse – führe allein aus
Gründen der Generalprävention zu ei-
ner Ausgleichspflicht, so die Richter.
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld beste-
he vielmehr nur dann, wenn eine be-
nennbare und tatsächliche Persönlich-
keitsverletzung gegeben sei.
Dass die Gerichte einem Schmerzens-
geldanspruch bei Bagatellschäden im
Datenschutzrecht eine Absage erteilen,
ist begrüßenswert. Sie wenden damit
die gleichen Maßstäbe an wie im Schutz-
bereich des Allgemeinen Persönlich-
keitsrechts, wo der immaterielle Scha-
densersatzanspruch bei Bagatellschä-
den schon bislang ausgeschlossen wur-
de. Unternehmen können aufatmen, da
sie nicht unterschiedlichen Rechtsfol-
gen unterliegen je nachdem, ob neben
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
auch das Datenschutzrecht betroffen ist
oder nicht. Dass der Schmerzensgeldan-
spruch auf spürbare Schäden begrenzt
bleibt, gibt Rechtssicherheit und schützt
vor dem Risiko eines Missbrauchs. In
Zeiten zunehmend digitaler Geschäfts-
modelle hat es einen Sinn, dass Daten-
schutzverstöße nun ausdrücklich auch
bei immateriellen Schäden geahndet
werden. Wer von einem Datenschutzver-
stoß betroffen ist, soll aber nicht daran
verdienen, ohne einen wirklichen Nach-
teil erlitten zu haben.
FRANZISKA LADIGES
Die Autorinist Counsel bei SKW Schwarz Rechts-
anwälte.
RECHT UND STEUERN
Sieht so die Mobilität der Zukunft aus?Sogenannte Monocabs sollen auf dem Land für eine bessere Anbindung sorgen. Foto Landeseisenbahn Lippe
Juristische Vorsorge für das Einhorn
Regulierung erschwert Kooperationen in neuen Geschäftsfeldern
Die Daten schmerzen nicht
Gerichte geben bisher keine DSGVO-Entschädigung
Endlich Land in Sicht
Einhorn:Es symbolisiert ein extrem erfolgreiches Start-up – und ist selten. Foto dpa
Von Mitfahrgelegenheiten bis zu futuristischen Minikabinen auf der
Schiene: Kluge Mobilitätskonzepte gibt es auch auf dem Dorf. Und Bedarf.
Von Anna-Lena Niemann