Ameisen als
Klimaschützer
So klein sie auch sind, so beeinflussen
Insekten doch die großen Stoffkreisläufe
des Planeten Erde. Termitenbeispiels -
weise zählen zu den wenigen Tieren, die
dank spezieller Darmmikroben Stickstoff
aus der Luft binden können. Auf diese Wei-
se düngen sie den Boden und graben ihn
zugleich beim Bau ihrer weitverzweigten
Tunnel um. Das nützt den Savannen Afri-
kas, denn es wirkt dem Vormarsch der
Wüsten entgegen. Bei Ameisenwiederum
haben Forscher nachgewiesen, dass sie
dem Klimaschutz dienen. In einem nord-
schwedischen Forst aus Fichten und Birken
hatten die Wissenschaftler kleine Areale
abgesteckt, zu denen sie den Ameisen den
Zugang versperrten. Über einen Zeitraum
von 13 Jahren verfolgten sie, was geschah:
Kräuter wucherten, und auch die Mikro-
fauna des Bodens veränderte sich dras-
tisch. All das kurbelte die Verrottung an
und zehrte an den Kohlenstoffreserven des
Waldbodens. Am Ende war sein Kohlen-
stoffgehalt um 15 Prozent zurückgegangen.
Das ist viel, denn die Nadelwälder des Nor-
dens zählen zu den großen Kohlenstoff-
speichern der Erde. Ohne die Ameisen
würden dort enorme Mengen Treibhaus-
gas freigesetzt, die globale Erwärmung
bekäme einen zusätzlichen Schub.
Wissenschaft
Planet der Insekten
A
uf jeden Menschen kommen 200 Millionen Insekten. Sie machen
mehr als die Hälfte aller Tierarten aus. Sie waren die ersten Lebe -
wesen auf Erden, die sich in die Lüfte erhoben. Und als Termiten
begannen, Pilze zu züchten, entdeckten sie, lange vor dem Menschen, die
Landwirtschaft. »Ob Sie es mögen oder nicht: Wir leben auf dem Plane -
ten der Insekten«, sagt die norwegische Entomologin Anne Sverdrup-
Thygeson. Und doch steht es schlecht um die Sechsbeiner. Habitatverlust,
Insekti zide, Klimawandel und Intensivierung der Landwirtschaft – was
auch immer die Gründe sein mögen: Studien deuten darauf hin, dass
die Zahl der Insekten vielerorts schwindet. In ihrem Buch wirbt Sverdrup-
Thygeson nun um mehr Respekt fürs Ungeziefer*.
ten, denn deren Exkremente und sterb -
lichen Überreste befördern den Algen-
wuchs in ihrem Pelz. Und die Algen wie-
derum liefern den Faultieren lebenswich-
tige Nährstoffe, die ihre karge Blätterdiät
ergänzen. Beispiel zwei: Das Küchenkraut
Oregano lebt im Dauerkrieg mit sechs -
beinigen Fressfeinden. Zwar kann es
mit einem chemischen Kampfstoff
die meisten von ihnen in die Flucht
schlagen, nicht aber die Knoten -
ameisen der Gattung Myrmica. Den
Ameisen macht das Gift nichts
aus, ungerührt nagen sie an den Wur-
zeln der Pflanze. Diese wehrt sich,
indem sie bestimmte Schmetterlinge
als eine Art Armee zu Hilfe ruft. Die
Ameisen-Bläulingegenannten Falter
animiert der Duftstoff des Oregano zur
Eiablage. Kaum sind die Schmetterlings-
larven geschlüpft, sondern sie den typi-
schen Nestgeruch der Ameisen ab, worauf-
hin diese den vermeintlichen Artgenossen
mit in ihren Bau schleppen. Dort machen
sich die Raupen dann gierig über die Amei-
senlarven her. So sichert die Oreganopflan-
ze dem Bläuling seine Fortpflanzung – und
wird im Gegenzug mit der Vertilgung ihres
Feindes belohnt.
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Schmetterlingsarmee
im Kampfeinsatz
Die Sechsbeiner ernähren die Welt. Viele
Säugetiere und fast zwei Drittel aller Vögel
fressen Insekten. Und der Tisch ist reich
gedeckt: Die Biomasse aller Gliederfüßer
übertrifft die aller Landwirbeltiere auf
Erden. Die ökologische Rolle der Insekten
ist allerdings weit komplexer als die, nur
Nahrung für andere zu sein. Zwei von Mil-
lionen Beispielen: Lange rätselten For-
scher, warum südamerikanische Dreifin-
ger-Faultiere regelmäßig zum Waldboden
hinabklettern, um dort ihr Geschäft zu ver-
richten. Wozu die kraftzehrenden und
gefahrvollen Toilettengänge? Die Antwort
findet sich im Fell der Tiere. Dort siedeln
winzige Motten, die am Waldboden Gele-
genheit zur Eiablage finden. Die Faultiere
müssen diese Mitbewohner bei Laune hal-
* Anne Sverdrup-Thygeson: »Libelle, Marienkäfer & Co. – Die faszinierende Welt der Insekten und was sie für unser Überleben bedeuten«. Goldmann; 288 Seiten; 15 Euro.
Grillen für die Seele
Dschingis Khan, so heißt es, führte auf
seinen Feldzügen stets eine Wagen -
ladung Maden mit. Verletzten Kriegern
ließ er die fleischig-weißen Schmeiß -
fliegenlarvenin die Wunden setzen, weil
das die Kämpfer schneller wieder kriegs-
tauglich mache. Nur eine gruselige Mon-
golenstory? In jüngerer Zeit haben Ärzte
die wundreinigende Wirkung von Insek-
tenlarven wiederentdeckt: Die Tiere fres-
sen ausschließlich Eiter und abgestorbenes
Fleisch, tasten das gesunde Gewebe jedoch
nicht an. Obendrein sondern sie antibio -
tische Substanzen ab, die Wundinfektio-
nen eindämmen können. Der seelischen
Gesundheit wiederum sind Grillen der
Gattung Teleogrylluszuträglich. Bei einer
Studie in Südkorea zeigte sich, dass es die
Stimmung alter Patienten merklich hob,
wenn ihnen diese Insekten zur Fütterung