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s könnte so schön sein: Mit einer trendy
GPS-App suchst du dir deinen modernen
Gleiter in verlockend futuristischem
Design. Ein bisschen wie Pokémon-Go spie-
len. Da! Neonfarben glitzert es in der Sonne.
Kinderüberraschung: Ein High-Tech-Gad-
get! Herrlich! Die futuristische Digitalanzei-
ge verkündet, dass die Urkräfte von Sonne,
Wind und Wasser den Öko-Akku zu 100 Prozent aufgela-
den haben. Die Welt gehört dir. Wenigstens bis Paypal den
Hahn zudreht: 33 Minuten für 7,27 Euro.
Vorfreudig platzierst du dein linkes Bein auf einem
stabilen Alu-Chassis. Spielerisch lässt du das rechte Bein
schwingen, in Erwartung all der herrlichen Abenteuer
einer zeitgemäßen Mobilität. Dann stößt du dich auf
dem Asphalt ab. Lautlos nimmst du Fahrt auf. Kindheit,
hier bin ich wieder! Nachhaltigkeit, ich komme! Zwölf
Punkte auf dem internationalen Greta-Thunberg-Index.
Der laue Sommerwind weht dir durchs Haar. Schwe-
relos rollst du über breite, gut gepflasterte Boulevards,
vorbei an malerisch im Abendlicht liegenden Kaianla-
gen, interessanten Monumenten und bislang unent-
deckten Stadtgeheimnissen. Fröhlich winkst du
Radfahrern zu und scherzt mit gut gelaunten Fußgän-
gern. Nach zwei Kilometern schwebender Luftigkeits-
seligkeit stellst du deinen Stadtgleiter wieder ab, steigst
in einen gut klimatisierten Wasserstoffbus und genießt
die Aussicht auf das urbane Treiben. Aus innerstem
Frieden heraus strahlend beginnst du dein Tagesge-
schäft in einer jener spannenden Metropolen unseres
modernen Landes.
Allein, so ist es nicht.
EineFahrtmitdemE-Rollerführtmichdirekt in die
HölleeinerdurchunddurchverrottetenVerkehrspoli-
tik.Kaumstoßeichmichab,spüreichHassvon allen
Seiten.EsistderHassunserermodernenVerteilungs-
kämpfe.DiewertvollsteRessourceinunserenStädten
istPlatz.Undderwirdimmerknapper.Jetztkommt auch
nocheinaufgepimptesKinderspielzeugdazu,auf dem
erwachseneMenschensteifwiehirntoteDroiden ste-
hen.JederhasstdieneuenE-Scooter-Fahrer,willsie am
liebstenumhauenodergeradezuweglöten.
Schnelllerneich,dassichbeimÜberholenvon Rad-
fahrernambestenbeschämtzurSeiteschaue. Sonst
schüreichnurdenVolkszorn.Deristallerdings nicht
ganzunberechtigt.Selbstwennichnüchternbin, bin
ichziemlichschnell.Undlautlosnochdazu.Meine bal-
listischeKurveistschwervorausberechenbar.Ganz si-
cherbinichauchnochnichtaufdiesemGefährt. Wirk-
lichenRespektbekommeicheigentlichnur,wenn ich
aneinemKinderspielplatzvorbeigleite:„Guck mal,
Mama,einE-Roller!Willichauch!“
Nunkönnteichdurchausdamitleben,nichtder strah-
lendeHeldderneuenMikromobilitätzusein,sondern
lächerlicheHassfigur.DasistebenderPreisderAvant-
garde.SchonbaldwirdesMainstreamsein,sichdie letz-
teMeilevomZero-Energy-TownhousezumTesla-Park-
platzmiteinemlautlosenÖko-Gleiterzuversüßen.
AbermitHassundVerachtungzulebenhieße ja erst
einmal:überleben.UnddasistaufeinemE-Scooter lei-
dernichtganzeinfach.Schnellmerktman,dass man
mitdemwackeligenGefährtderschwächsteVerkehrs-
teilnehmeraufderStraßenfahrbahnist.Unddazu bin
ichauchnochsehrleichtausderBahnzuwerfen.
StephanMausist
offenfürneue
Ideen,sogarwenn
sieziemlich
schrägsind.Und
grundsätzlich
haterauchnichts
gegenFahrzeuge
mitzweiRädern.
DasCruisenmit
einemE-Scooter
hatihndennoch
anseineGrenzen
gebracht
Die deutsche Straßen-FaunaistreichanabsonderlichenErscheinungen.
Die neueste ist der E-Scooter,mitdemjetztauchstern-AutorStephanMaus
unterwegs war – undzwarwahrscheinlichzumletztenMal.
Abrechnung miteinerverfehltenVerkehrspolitik
HIGHWAY TO HELL
Illustrationen:LennartGäbel
MOBILES LEBEN
15.8.2019 45