Bonsai Focus - Juli-August 2019

(Michael S) #1


CV


Er lehrte mich alle 'Frankenstein'


Techniken


PROFIL


an Ahorngehölzen. Er pflegte verrückte
Pfropfungen an ihnen durchzuführen.
Das war ein Teil von Bonsai, den ich
liebte. Besonders, weil ich zu Anfang nur
Laubbäume hatte. So beschloss ich, dass
er mich unterrichten sollte. Er hat mich
alle Techniken gelehrt, die er als 'Fran-
kestein Style' bezeichnete. Aus verschie-
denen Gründen konnte er mich nicht
weiterhin ausbilden. Deswegen wollte er,
dass sein Sohn Taiga, meine Ausbildung
fortsetzte. Anfangs lehnte Taiga dies
ab, aber nach einer Weile akzeptierte er
mich als Auszubildenden. Das war eine
sehr harte Zeit für mich, weil Taiga sehr
streng war. Ich sehnte mich nach dem
Ende dieser Periode. Aber ich wollte nicht
gehen. Ich wollte mein Ziel erreichen und
bis zum Ende durchhalten. Es ist ein sehr
hartes System, aber es funktioniert. Er
lehrte mich viele neue Sachen, was mein
Herangehen an Bonsai völlig verändert
hat. Ich bin den Beiden sehr dankbar.
Dem Vater dafür, dass er an mich geglaubt
hat und dem Sohn dafür, dass er mir die
Chance gegeben hat, sein Auszubildender
zu werden. Sie lehrten mich Bonsai und
das Leben und Sie haben für lange Zeit
auf mich geachtet.


Was wird benötigt, um ein Meister
zu werden?
Als ich mit Bonsai begann, war mein
Ziel, die Bäume am Leben und gesund zu
erhalten. Dann wollte ich mehr lernen,
um das Niveau der Bäume zu verbessern
und um schöne Bäume für meine Samm-
lung zu erhalten. Aber am Ende wollte ich
lernen, um ein Bonsai Profi zu werden.
Ich wollte mir ein Leben gestalten, das ich
wirklich mag. Die Arbeit mit Bonsai, aber
auch das Lehren und das Verbreiten der
Kunst von Bonsai. Und ich wollte die Leu-
te nicht zum Narren halten, indem ich sie
einige wenige Sachen lehrte, die ich selbst
erst kürzlich erlernt hatte. Ich wollte ihre
Fragen beantworten. Ich wollte dies sicher
und mit Überzeugung tun. So kam ich zu
dem Schluss, dass die einzige Möglichkeit
dazu besteht, in einem System zu lernen,


dass ausschließlich darauf fokussiert ist.
Eine Ausbildung bei einem echten Profi zu
machen. Einen Abschluss zu machen und
ein Zertifikat zu erhalten, welches Sie als
Bonsai Meister kennzeichnet.

Besteht zwischen dem europäi-
schen und dem japanischen An-
satz der Bonsai Gestaltung ein
auffallend großer Unterschied?
Der Hauptunterschied besteht darin, dass
der japanische Ansatz professioneller ist.
In Japan wird Bonsai als Beruf betrach-
tet. Es ist reguliert. Es gibt ein System, es
gibt Regeln, die befolgt werden. Es gibt
eine Institution, die die Arbeit der Profis
reguliert und für ihre Rechte kämpft. Hier
wird Bonsai nicht als Beruf anerkannt.
So handelt jeder mit Bonsai, wie er kann
oder möchte. Dadurch, dass jeder von
sich behaupten kann, ein Profi zu sein,
ohne entsprechend ausgebildet zu sein,

Manuel Germade (36)
Geboren in: Cangas – Pontevedra – Gali-
zien – Spanien
Ausbildung: Pflanzenbiologe
Beruf: Bonsai Meister
Beschäftigt sich mit Bonsai seit:
1989 (seit ich sechs Jahre alt war).
Lieblingsart: Wacholder, Kiefern, Eiben
und viele Laubbäume.

entsteht jede Menge unfairer Wettbewerb.
Heutzutage sind die meisten Techniken,
die wir in Europa anwenden dieselben
wie in Japan. Mein Vorteil als Auszubil-
dender in einem schon so lang bestehen-
den System war, dass ich die Techniken
direkt studieren konnte. So erhalten Sie
ein viel besseres Verständnis. Und Sie
können durch Nachahmen lernen, wie die
Techniken funktionieren.
Die japanische Methode ist viel härter,
aber am Ende auch viel effektiver. Sie
zwingt Dich dazu, immer mehr zu geben,
um zu gewährleisten, dass Du Dich

Bonsai Focus 53

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