Bonsai Focus - Juli-August 2019

(Michael S) #1


Arten, verschieden Größen und unter-
schiedlichen Entwicklungsstadien zu
arbeiten. Es ist sehr gut, wenn Sie Ihren
Geist öffnen und Ihre Fähigkeiten verbes-
sern. Das habe ich in Taisho-en gelernt.
Ich genieße die Arbeit an Yamadori
Material. Genauso liebe ich aber auch die
Gestaltung von Bonsai von Anfang an.
Ich mag die Arbeit an Laubbäumen, weil
sie mich an meine Herkunft erinnern. Ich
erfreue mich daran, die Techniken anzu-
wenden, die ich von Nobuichi Urushibata
gelernt habe. Außerdem versuche ich auf
naturalistische Art und Weise zu arbeiten,
indem ich nur wenig Draht verwende.
Mittlerweile habe ich ebenfalls Spaß an
der Arbeit mit typischen Bäumen aus der
Region, in der ich lebe, wie Quercus, Pru-
nus, Crataegus, Betula, Arbutus, Salix und
Erica, um nur Einige zu nennen.

Der japanische oder der westliche
Bonsai Stil?
Ich bevorzuge den japanischen Stil. Das
ist der, den ich gelernt habe und den ich
kenne. Viele der Bäume, die ich hier sehe,
verstehe ich nicht. Ich habe gelernt, dass
viele Bäume, die ich zu sehen bekom-
me, nicht ausbalanciert sind. Ich denke,
dass jeder, bevor er mit der Gestaltung
von Bäumen beginnt, die grundlegenden
Techniken erlernen sollte. Um Bonsai

gestalten zu können, müssen Sie den
japanischen Ansatz verstehen. Welchen
Standards und grundlegenden Prinzipien
er folgt. Sobald Sie diese Kenntnisse und
Techniken erlangt haben, können Sie
eine andere Richtung einschlagen, um zu
Ihrem eigenen Stil zu gelangen, welcher
sich oftmals unbewusst entwickelt.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Ich wünsche mir einen Ort, an dem ich
meine Ideen und Projekte verwirklichen
kann. Einen Ort, an dem ich jeden Tag an
dem arbeiten kann, was ich am meisten
mag. Aber auch einen Ort, an dem ich
mein Wissen weitergeben kann. Deswe-
gen arbeite ich jeden Tag hart, um diese
Pläne zu verwirklichen. Ich bin immer
noch weit davon entfernt, von dem, was
ich mir vorstelle. Aber ich komme meinen
Vorstellungen immer näher.

Sie werden sich niemals verbessern, wenn Sie denken, dass


Sie schon alles wissen.


verbesserst und dass Du die Techniken
auch anwenden kannst. Der Arbeitstag ist
sehr lang, intensiv und es gibt kaum eine
Pause. Hier läuft alles viel entspannter.
Entspannung und Konformismus jedoch
gehen Hand in Hand, warum wir uns ver-
bessern müssen.


Erzählen Sie uns, wie Ihre Philoso-
phie über Bonsai aussieht?
Eine meiner Prioritäten besteht darin, das
Lernen und Lehren fortzusetzen. Ich habe
viel in Japan gelernt, aber ich lerne immer
noch jeden Tag. Ich arbeite weiterhin hart,
um mich zu verbessern. Wenn Sie allein
sind, müssen Sie die Probleme, die auftre-
ten, selbst lösen. So sind Sie gezwungen,
nach Lösungen zu suchen. Es ist immer
noch so, dass ich viele Fragen habe. Taiga
hat mich gelehrt, dass man, wenn man
das Gefühl hat, alles zu wissen oder, dass
Sie schon gut genug sind, sich niemals


verbessern wird.
Ein weiterer Aspekt meiner Philosophie
ist, dass jeder Baum zu einem Bonsai
gestaltet werden kann. Selbst, wenn er
uninteressant oder schwach ist oder
schon aufgegeben war. Wir müssen nur
einen Weg finden, dass der Baum sich
wieder erholen kann und ihn zu Schön-
heit, Natürlichkeit und Glaubwürdigkeit
führen. Unabhängig davon, ob er aus ei-
nem Samen, einem Steckling, durch eine
Pfropfung oder direkt aus einem Stamm
gestaltet wird. Eine einzige Knospe reicht
aus, um einen neuen Bonsai zu gestalten.
Das ist die Bedeutung meines Mottos:
'Gomo Bonsai'. Gomo bedeutet Ausbruch
auf galizisch. Jeder Bonsai entsteht aus
einem Trieb.


Woran arbeiten Sie am liebs-
ten?
Ich mag es wirklich, an verschiedenen


54 PROFIL Bonsai Focus

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