Eulenspiegel - August 2019

(nextflipdebug2) #1

Da platzen jetzt Joschka Fischer und der
Kosovokrieg auf!
Denken Sie auch an Angelika Beer, die mit ei-
nem leibhaftigen Bundeswehroffizier liiert war
und nach den Bomben auf Serbien ihren Stolz
auf unsere Soldaten in die Ohren der Welt
trommelte. Und vergessen Sie nicht das Be-
weismittel Petra Kelly, ihr Bündnis mit dem
Generalmajor Gert Bastian.
Trotzdem, liebe Nia Lauterwecke-Bose-
wich: Ein globaler Krieg, ein totaler Krieg,
wie Sie ihn mit allen Fasern wollen, kann
doch nicht ...
»Kann nicht« liegt auf dem Friedhof, und »will
nicht« liegt gleich daneben. Außerdem habe
ich noch ein kleines Argument im Tornister,
einen schmackhaften Nebeneffekt: Der Krieg,
wie Sie es nennen, sorgt dafür, dass diese sinn-
lose, giftige Konsumgüterindustrie heftig ab-
magert, mehr noch, dass Autofirmen, Chemie-
konzerne und weitere bis unter die Haut um-
weltkriminelle Branchen in Stücke gerissen
und pulverisiert werden. Das sollte uns Grüne
doch bezaubern.
Das alles sagen Sie als Mitglied einer Par-
tei, die im Zeichen der Friedenstaube ge-
boren wurde?
Wir Grünen treten seit über 20 Jahren, erwach-
sen bis in die Haarspitzen, einem verantwor-
tungslosen Pazifismus und einer Totalverwei-
gerung entgegen, die jedes Totmachen bedin-
gungslos ablehnt. Statt wie einst die Nato mit
Pauken und Trompeten zu verneinen, stim-
men wir den Auslandseinsätzen der Bundes-
wehr mit vollem Hirn zu und arbeiten im Ver-
teidigungsausschuss des Bundestages als nütz-
lich gemachtes Glied der Gesellschaft mit, las-


sen sogar schwere Rüstungsexporte ins Freie.
Wir sind auf dem richtigen Weg!
Das erinnert an die SPD seligen Angeden-
kens: Obwohl die in den 50er-Jahren die
Bundeswehr in Grund und Boden verteu-
felte, ließ sich Helmut Schmidt 1958 zum
Hauptmann der Reserve aufgeilen und
nahm an einer Bundeswehrübung teil,
woraufhin er wortwörtlich als »Militarist«
entziffert wurde und als Vorstandsmit-
glied seiner Partei abdanken musste. Und
später ...
Wurde der Militarist zum Verteidigungsminis-
ter geölt. Wie vielleicht, wenn die von mir er-
hoffte Zukunft uns einholt, Cem Özdemir!
Fein als Oberleutnant beschildert, spulte er ge-
rade fünf starke Tage bei der Bundeswehr ab.
Sie werden Kübel voller Kritik ausgießen wol-
len, aber: Die Bundeswehr ist eine Parlaments-
armee in einem demokratischen Rechtsstaat,
steht mitten in der Gesellschaft und ist der De-
mokratie verpflichtet, um als Parlamentsarmee
in einem demokratischen Rechtsstaat mitten in
der Gesellschaft zu stehen und der Demokratie
verpflichtet zu sein, weshalb die Bundeswehr
als demokratische Parlamentsarmee in einem
demokratischen Rechtsstaat – wo war ich hän-
gengeblieben?
Sie wollten beweisen, dass sich die Bünd-
nisgrünen wie einst die SPD zur Mitte hin-
bewegen, also tief nach rechts.
Und hey, dass wir alle Bürger in Uniform sind!
Mehr oder weniger. Das Gute an einem soge-
nannten Krieg ist auch, er schweißt die Men-
schen dick zusammen, überwindet die hässli-
che Spaltung der Gesellschaft, schmiedet Ge-
meinschaft, bis sie rund ist.

Aber Krieg ist kein Ponyhof, Frau Lauter-
wecke-Bosewich.
Und dazu brauchen wir die Bundeswehr. Und
die Nato. Und Russland, und China, niemand
darf sich unter dem Tisch verkriechen, wenn es
um das Schicksal des Planeten geht. Da kann es
keine finsteren Denkverbote geben, wir müs-
sen bereit sein, das Ruder herumzudrehen,
neue Wege abmarschieren! Wobei ich, das
möchte ich noch mal in den Vordergrund
schieben, statt von Krieg, gar von einem schnö-
den Dritten Weltkrieg lieber von umweltschüt-
zenden und klimarettenden Maßnahmen spre-
che, um Missverständnisse auszuschließen.
Wenn nun Ihre Vorstellungen von Um-
weltschutz und Klimarettung bis zum letz-
ten Blutstropfen realisiert werden, Frau
Lauterwecke-Bosewich ...
Ja, die steilen Umfrageergebnisse der Grünen
lassen mich hoffen!
Ist Ihnen klar, dass dann nicht nur richtige
Landstriche, ja Kontinente entvölkert wer-
den – sondern dabei auch die Bienchen
und die Bäume verglühen?
Kollateralschäden, ja. Aber: Solange die Natur
blutet, gibt es sie noch. Wenn wir aber null und
nichts tun, gibt es sie in einigen Jahrzehnten
überhaupt nicht mehr. Wir müssen uns also
sputen!
Frau Lauterwecke-Bosewich, eine letzte
Frage: Haben Sie gedient?
Ich diene der Natur, der Erde.
Frau Lauterwecke-Bosewich, wir danken
Ihnen für das Gespräch.

PETERKÖHLER
ZEICHNUNGEN: BURKHARDFRITSCHE

radikal!
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