Eulenspiegel - August 2019

(nextflipdebug2) #1
Trump völlig durchdreht. Und die
Abschlachtung müsse auch ordent-
lich weh tun, z.B. dem Marvin, da-
mit man sie erst nach Ausschöpfung
aller diplomatischen Mittel anwen-
det. Das sei wahrscheinlich im
Schul ministerium, Abteilung »Nah-
kampfausbildung«, das pädagogi-
sche Konzept gewesen. Er, Klausen,
würde gern noch die Expertise von
Kollegen in dieser komplexen Frage
nutzen und wieder auf mich zukom-
men.

Die folgende Woche verbrachte
ich mit einer Anti-Mobbing-Kam-
pagne im Eltern-E-Mail-Verteiler.
Ich suchte Bilder von ausgeschlage-
nen Zähnen, abgerissenen Fingern
und Bissmalen auf kindlichen
Arschbacken: das Grauen des Krie-
ges! Alles zugezogen beim Mann-
schaftssport. Weil der Mensch zum
Tier wird, wenn er im Rudel kämpft.
Und bei Versagen aus der Volksge-
meinschaft verbannt, von Sexual-
partnern geächtet und allein dem
Tod geweiht wäre.
Doch wie sieht es eigentlich auf
der Täterseite aus? Eine kanadische
Studie nennt Abwerfspiele »legali-
siertes Mobbing«. Stärkere Schüler
würden das Spiel nutzen, um schwä-
chere Klassenkameraden zu demü-
tigen und zu stigmatisieren. Und
nicht nur schwächere, eben auch pa-
zifistische Sensibelchen, wie mein
Marvin einer ist. Im Grund ent -
hielte jedes Abwerfspiel die Auffor-
derung, Pazifisten – also eigentlich
»die Mädchen« – rechtzeitig auszu-
merzen, wenn nicht das ganze Volk
zugrunde gehen soll. Und »Dodge-
ball«, die Ami-Variante vom Völ-
kerball, sei – so die kanadische Stu-
die – fast so demütigend und ent-
menschlichend wie ein Knastauf-
enthalt oder Urlaub auf einem
Kreuzfahrtschiff.
Die Resonanz meiner E-Mail-
Kampagne war riesig. Eigentlich
wollte ich nur meinen schwer an
Körper und Seele ramponierten
Marvin rehabilitieren. Aber die El-

ternschaft forderte nun »einen dis-
kriminierungsfreien, antirassisti-
schen, feministischen, barriere-
freien, quasi ayurvedischen Sport-
unterricht«, bei dem »Sieg« und
»Niederlage« keine Kategorien
mehr sein dürften und in dem so-
wieso das meiste verbal ausgetragen
werden solle.
Die Freiwilligkeit sollte oberstes
Prinzip im Sportunterricht sein.
Kein Kind dürfe gezwungen wer -
den, so einen intimen Vorgang, wie
breitbeinig über einen Bock zu
springen, öffentlich auszuführen.
Das sei Körperverletzung, zumin-
dest aber Nötigung und ein Verstoß
gegen die UNO-Charta der allge-
meinen und universellen Men-
schenrechte. Die Sportspiele der Zu-
kunft könnten heißen: Ball gegen
die Wand, Einmannschafts-Spaß-
fussball, Multibasketball (einen Ball
und einen Korb für jeden), Yoga
oder Federball ohne Bälle. Nur mit
Federn.

Marvin kam nach Hause, ver-
schwitzt und derangiert. Ich wollte
meinen Fragenkatalog abarbeiten,
aber er fiel mir ins Wort. Er habe auf
dem Schulhof so richtig krass ge-
kickt, einen Fallrückzieher gemacht
und dann – boom! – voll ins Tor und
beim nächsten Angriff – wusch! –
Vincent, dem feindlichen Torwart,
»voll in die Fresse«! Mit vier zu zwei
habe seine Mannschaft gegen »diese
Weicheier und Schwuchteln« ge-
wonnen. Ein rundum glückliches
Kind, mit leuchtenden Augen.
Trunken von seinem Erfolg knallte
er sich vier Scheiben Salami auf die
Stulle. Und ich muss sagen: Ich war
stolz. Mein Sohn, ein Siegertyp! Sol-
len die Loser doch Klavier spielen
lernen oder Entwicklungshelfer
werden!
Aus dem E-Mail-Verteiler »Für ei-
nen Sportunterricht der Achtsam-
keit« habe ich mich zurückgezogen.
Aus persönlichen Gründen.

FELICE VONSENKBEIL

l t, hört auf mit diesem Sport!


Pazifisten – also eigentlich
»die Mädchen« – rechtzeitig
ausmerzen

Sollen die Loser doch
Klavier spielen lernen oder
Entwicklungshelfer werden!

Fünftklässler im Sportunterricht – Mobbing war auch im Unrechtsstaat
DDR eine Selbstverständlichkeit.

Morgen mach
ich rüber!
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