Eulenspiegel - August 2019

(nextflipdebug2) #1

Abfac


im St


U


nter allen Berufsgruppen genießt der
Feuerwehrmann mit Abstand das
höchs te Ansehen. »Und das vollkom -
men zu Recht«, sagt Ernst Nerowski. Der Abtei-
lungskommandant der Freiwilligen Feuerwehr
Alt Gülzen hat zu einem Tag des offenen
Garagen tors geladen. Es ist fünf Uhr in der Früh,
Nerows ki wartet einsatzbereit mit gewichsten
Stiefeln und goldenem Ehrenhelm, auf dem eine
Federboa absteht, im Gerätehaus. Kurz zuvor
hat er auf Verdacht die Dorfsirene gedrückt, wie
der zeit jeden Morgen. »Wir haben Hochsaison«,
schnaubt er zufrieden. An seinem Spind klebt
ein Sticker mit einem Feuerherz und seinem
Lieblingsspruch: »Immer, wenn du denkst, es
brennt nicht mehr, kommt von irgendwo ein
Lichtlein her.«
Nerowskis Riecher hat sich wieder einmal be-
währt. Obwohl der Waldbrand in der benach-
barten Lübtheener Heide als gelöscht galt,
meldet die Leitstelle, dass über Nacht auf wun-
dersame Weise ein neues Feuer ausgebrochen
sei. Nach und nach eilen Nerowskis Kameraden
herbei. Einige tragen noch Pantoffeln, andere
ihre halbvollen Benzinkanister. Der Komman-
dant zieht seine angesengten Augenbrauen hoch
und stößt einen Seufzer aus, der unverdächtig
nach Spiritus riecht.
Der acht Mann starke Löschtrupp heizt mit
XXL-Blaulicht, Dolby-Surround-Martinshorn
und 120 Sachen im Löschfahrzeug LF 88 durch
eine Spielstraße. Bis auf den Postboten, der sich
mit einem beherzten Hechtsprung ins Gebüsch
retten kann, sind an diesem Morgen noch kaum
Leute unterwegs. Es sind Schulferien. Nach dem


tragischen Unfall auf dem Schülerzebrastreifen
ist ohnehin fraglich, ob die Sankt-Florians-
Grund schule sobald wieder eröffnet wird.
»Dumm gelaufen« sei das damals, klagt Steuer-
mann Nerowski, »wo doch jedes Kind weiß oder
zumindest wissen sollte, dass das LF 88 überall
Vorfahrt hat.«

Als sie an der Brandstelle eintreffen, erwartet
sie bereits ihr Kamerad Hansjörg Schmauch, den
wegen seiner Schnelligkeit alle nur Speedy nen-
nen. Er sei gerade zufällig in der Gegend gewe -
sen, sagt Speedy und schnippt eine Kippe ins Un-
terholz. 1200 Hektar mecklenburg-vorpomme-
rischer Nadelwald sind in den vergangenen Wo-
chen vernichtet worden. »Das klingt nach viel,
auf die Gesamtwaldfläche gesehen ist es jedoch
lediglich ein etwas größeres Lagerfeuer«, gibt Ne-
rowski zu bedenken. »Aber Rom wurde auch
nicht an einem Tag niedergebrannt.«
Als Feuerwehrmann brauche man einen lan-
gen Atem und Atemschutzgeräte, erklärt der
Kommandant. Zweites gelte allerdings nur für
Schlappschwänze und Kostverächter. Nerowski
weitet die Nasenflügel und holt umgeben von ei-
ner schwarzen Rauchwolke tief Luft. »So riecht
der Sommer«, schwärmt er. In den folgenden
Minuten rauschen die Fahrzeuge der benachbar-
ten Feuerwehren heran. Die Kommandanten
stecken ihre reich bepuschelten Helme zusam-
men zur Lagebesprechung. Rasch hat man sich
auf einen Zwei-Stufen-Plan geeinigt. Um das

Feuer durch einen überfallartigen Wasserangriff
nicht zu erschrecken, will man sich ihm zunächst
versöhnlich annähern. »Es kommt darauf an, die
Flammen gewogen zu stimmen«, erklärt Ne-
rowski und fordert seine Kameraden auf, ihre
restlichen Benzinvorräte ins Feuer zu kippen.
Während der Kommandant zusieht, wie der
Trupp seinen Befehl befolgt, outet er sich als lei-
denschaftlicher Doors-Fan: »And our love be-
come a funeral pyre. Come on, baby, light my
fire ... Try to set the night on fire. Yeah!«
Nachdem der Brand weitgehend außer Kon-
trolle geraten ist, zieht die Mannschaft aus Alt
Gülzen ab. Sie hat ihr Möglichstes getan, jetzt
sind die Profis von der Berufsfeuerwehr am Zug.
Auf der Rückfahrt hat Nerowski eine zündende
Idee: Er hält das Einsatzfahrzeug an und fährt die
Leiter aus. Nun darf jeder mal nach oben klettern
und den berauschenden Blick auf das Inferno ge-
nießen. Obwohl sich die Hitze bis hierher aus-
breitet, bekommen einige Kameraden vor Erre-
gung eine Gänsehaut, und bei manchem regt sich
auch der Schlauch in der Hose. »So muss sich Pi-
casso gefühlt haben, als er die Mona Lisa gemalt
hat«, spekuliert Schöngeist Nerowski.

Mittags beteiligt sich die Freiwillige Feuer wehr
mit einem eigenen Stand am Alt Gülzener Feri-
enprogramm. Man betrachtet die Veranstaltung
auch als Chance, Kinder für die neu gegründete
Bambini-Wehr zu begeistern. Mit der Nach-
wuchsrekrutierung kann man schließlich nicht

Es kommt darauf an,
die Flammen gewogen zu stimmen:
Come on, baby, light my fire

Mit der Nachwuchsrekrutierung
kann man nicht
früh genug anfangen
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