Eulenspiegel - August 2019

(nextflipdebug2) #1

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früh genug anfangen. Auf einer Leinwand zeigt
Nerowski Fotos von lichterloh brennenden
Scheunen, abenteuerlichen Drehleitereinsätzen
und dem Abtransport verkohlter Leichen. Die
Kinder sind hin und weg. »Sehen Sie das Feuer
in ihren Augen?«, fragt der Kommandant ent-
zückt. Ein kleiner Klugscheißer merkt an, dass
der Eindruck der Fotogalerie darüber hinwegtäu-
sche, dass der Alltag bei der Feuerwehr ja haupt-
sächlich aus Ölspuren, eingeklemmten Haustie-
ren und Fehlalarmen bestünde. »Ist das nicht
furchtbar langweilig?« Nerowski kratzt sich hin-
ter seinem Niki-Lauda-Ohr und klärt väterlich
auf: »Wie in allen anderen Berufen kommt es im-

mer darauf an, was ihr daraus macht. Ihr habt es
selber in der Hand.« Dass er währenddessen mit
einem Feuerzeug spielt, wird er gegenüber irri-
tierten Eltern im Nachhinein als reinen Zufall be-
zeichnen. Dieses ewige Misstrauen nervt den

Kommandanten. Nur weil hin und wieder einer
aus seiner Zunft eventuell ein Feuer selber legt.
»Eine Feuerwehr ohne Pyromanen ist wie Frau-
enfußball ohne Lesben«, sagt Nerowski. »Verges-
sen Sie’s!«

Wegen der durch den Klimawandel steigen -
den Waldbrandgefahr regte Mecklenburg-Vor-
pommerns Innenminister die Einrichtung einer
sogenannten Waldbrand-Taskforce an. Im Ge-
spräch sind bundesweite Stationierungen von
Lösch-, Räum- und Abfackelkommandos, die die
Feuerwehren vor Ort im Ernstfall unterstützen
können. »Klingt nach einer Art Feuerwehr-
macht«, sagt Nerowski und streicht mit seinen
Rußfingern zufrieden über den brandgerodeten
Schädel. Er macht sich ein paar Notizen für die
Manöverkritik am Abend. Beim Einsatz in der
Lübtheener Heide gibt es aus seiner Sicht nichts
zu beanstanden. Die Arbeitsteilung zwischen den
Wehren habe wieder einwandfrei funktioniert.
»Eine Hand löscht die andere«, schnurrt er.
Mit einem kameradschaftlichen Grillabend
lässt die Alt Gülzener Abteilung den Tag des of-
fenen Garagentors ausklingen. Es gibt Fleisch
aus dem Smoker und zum Nachtisch flambierten
Pudding und eine Feuerzangenbowle. Als Ne-
rowski aufbricht, ermahnt er seine Kameraden,
sich am Riemen zu reißen. Denn nach dem
Brand sei schließlich vor dem Brand. Er nimmt
zum Einschlafen noch eine Flasche Spiritus mit
und geht.
Im nächsten Jahr feiert die Freiwillige Feuer-
wehr Alt Gülzen übrigens ihr 225-jähriges Be-
stehen. Zum Jubiläum plant der Kommandant
ein großes Festbankett, ein mehrtägiges Feuer-
werk und einen feierlichen Dorfbrand.

FLORIANKECH
ZEICHNUNGEN: ARIPLIKAT

Tag des offenen Garagentors:
Grillabend und
Feuerzangenbowle
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