Aktuell
◄ Gefahr: Auch nicht
rezeptpflichtige
Medikamente bergen
Suchtpotenzial
A
ngefangen hat alles mit
einem Autounfall vor ei-
nem Dreivierteljahr. Ich
erlitt ein Schleudertrauma. Und
der Arzt verschrieb mir daraufhin
Schmerztabletten. Allerdings lin-
derten sie meine Beschwerden
nicht vollständig – hinzu kam, dass
mich richtige Panikattacken
befielen. Ich hatte Angst, mich wie-
der hinters Steuer zu setzen. Selbst
als Fußgängerin schreckte ich vor
jedem Wagen, der um die Kurve
schoss, zurück.
Ich erzählte meinem Arzt da-
von. Daraufhin bekam ich stärke-
re Medikamente. Und auch etwas
gegen die schlechte Stimmung,
gegen meine Ängste. Wochenlang
fühlte ich mich wieder gut! Dann
waren jedoch die Tabletten auf-
gebraucht. Ich ging wieder zum
Arzt. Doch er wollte mir keine
neuen Rezepte ausstellen und
meinte, körperlich sei wieder
alles in Ordnung. Wenn ich weiter-
hin psychische Probleme hätte,
sollte ich mich an einen Thera-
peuten wenden. Aber ich bin doch
nicht verrückt! Stattdessen glaube
ich, dass ich mittlerweile süchtig
nach Schmerztabletten bin. Ich
fahre längst wieder Auto – sogar
kilometerweit, um mir in Apothe-
ken, wo ich noch nie war, und in
Orten, in denen mich keiner
kennt, Pillen zu besorgen. Auch
wenn es nur die leichteren, nicht
verschreibungspflichtigen Mittel
sind – sie geben mir das Gefühl,
dass es mir besser geht...
Karla B. (52)
„Ich bin süchtig
nach Schmerzmitteln“
Plötzlich stellte er keine
Rezepte mehr aus
Sicherlich ist es keine große Überraschung,
wenn an dieser Stelle festgehalten wird:
Medikamente können keine Probleme lösen.
Sie schaffen vielmehr neue – wenn kein be-
wusster und kritischer Umgang mit den Arz-
neimitteln gewährleistet ist. Mit einer Abhän-
gigkeit ist nicht zu spaßen. Dabei geht „Die
Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren“
(DHS) davon aus, dass Schmerzmittel, alkohol-
haltige Stärkungsmittel, Abführmittel,
Nasentropfen sowie muskelentspannende
Mittel – allesamt nicht verschreibungspflich-
tige Arzneien – häufig den Weg in die Sucht
ebnen. Selbst pflanzliche Beruhigungsmittel
können eine Einstiegsdroge sein! Und Klara B.
scheint sich selbst längst darüber im Klaren
zu sein, dass sie in eine Falle getappt ist.
Sich daraus zu befreien, kann langwierig sein.
Doch psychotherapeutische Einrichtungen
werden sie unterstützen. Sich Hilfe zu suchen,
ist hier nötig.
INFOS
zum Thema
Als Medikamentenmissbrauch
bezeichneten Experten, wenn
ein Medikament lange ohne
medizinischen Grund einge-
setzt wird sowie gezielte Über-
dosierungen. In jüngster Zeit
setzt sich mehr und mehr
durch, Missbrauch und Abhän-
gigkeit zu unterscheiden – in
moderate und schwere Arznei-
mittel-Einnahme. Hilfe erhal-
ten Betroffene z. B. unter der
Sucht-Hotline 089/ 28 28 22.
Anonym, unverbindlich und
kostenlos.
Experten-Rat: Medikamente lösen keine Probleme
Eigentlich sollten Karla die Medikamente nach einem Autounfall
nur vorübergehend helfen, heute kann sie nicht mehr ohne sie
Fotos: iStock. Thinkstock, Privat(2)