Die Welt am Sonntag - 18.08.2019

(lily) #1
DPA

/ ALBERTO LINGRIA

Oben


ohne


Pferde sind sehr soziale Wesen, das
hat sich inzwischen herumgespro-
chen. Sie wissen, wie man sich in
Gruppen verhält, in Hierarchien
sortiert und aufeinander achtet. Sie
können, heißt es, Stimmungen bei
Menschen erkennen, bevor diese
sich selbst darüber im Klaren sind.
Und sie werden neuerdings gern
herangezogen, um Managern Füh-
rungsqualitäten beizubringen. Es
gibt jede Menge Geschichten von
legendären Pferden, die ihren Rei-
tern so treu ergeben waren, dass sie
ihnen Siege und Leben retteten.
Aber es gibt auch Pferde, die
wollen einfach nur gewinnen. Wie
Remorex zum Beispiel. Der neun-
jährige Wallach trat am vergange-
nen Freitag beim legendärem Palio
de Siena an, einem der härtesten
Pferderennen der Welt, das jedes
Jahr im Sommer mitten in der ita-
lienischen Stadt stattfindet. Seinen
Reiter hatte er nach der Hälfte des
Rennens in einer Kurve unsanft
zurückgelassen. Derart befreit, stei-
gerte er sich in wenigen Sekunden
vom vierten auf den ersten Platz.
Zum Sieg brauchte Remorex den
Jockey nicht, auch reiterlose Pferde
können gewinnen, so wollen es die
Regeln des Rennens. Die Methode
hatte er bereits im vergangenen
Jahr getestet; auch damals gewann
er das Rennen ganz ohne Reiter. Der
diesjährige nahm Remorex den
Alleingang übrigens nicht übel.
Sturz hin oder her: „Ein großartiges
Pferd!“ JENNIFER WILTON

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16


18.08.1918. AUGUST 2019WSBE-HP


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16 LEBEN * WELT AM SONNTAG NR.33 18.AUGUST


Simit mit


Butter


AAAls ich zwölf war, schick-ls ich zwölf war, schick-
ten mich meine Eltern
nach Istanbul – allein.
Meine Familie lebte in Kahramanma-
raş im Südosten der Türkei. In Istan-
bul begann ich eine Ausbildung in ei-
ner Konditorei, das hatte mein Vater
so entschieden. Am Anfang durfte ich
nur aushelfen, ich musste Backbleche
schleppen und Zutaten besorgen. Der
Meister war aufbrausend. Immer,
wenn ich etwas falsch machte, schrie
er mich an. Die ersten zwei Jahre wa-
ren hart. Ich war ja ganz allein in der
Großstadt, meine Familie weit weg.
Das war damals bei uns so üblich. Mit
zzzwölf mussten die meisten Kinder ar-wölf mussten die meisten Kinder ar-
beiten. Nach und nach zeigte mir der
Meister, wie man feines türkisches
Gebäck herstellt und wie man Teig
knetet, bis er geschmeidig ist. Dafür
braucht man Fingerspitzengefühl. Ich
fffand bald Gefallen an der Sache.and bald Gefallen an der Sache.
In meinen Lehrjahren lieh mich
der Meister einmal an eine Eismanu-
faktur aus. Die stellte Maraş-Eis her,
eine türkische Spezialität. Das Eis ist
klebrig und fest wie Kaugummi. Es
bleibt an der Eiszange haften. Wenn
der Kunde nach dem Eis greift, zieht
der Eisverkäufer es in letzter Sekun-
de weg. Das gehört zum Spiel. Mir
machte das großen Spaß. In der Her-
stellung ist Eis aber weniger an-
spruchsvoll als Gebäck. Als mein
Meister in Rente ging, wurde ich
selbst Meister in seiner Bäckerei.
Zu der Zeit war Krieg im Südosten
des Landes, die türkische Armee
kämpfte gegen die Kurden. Auch mir
drohte der Militärdienst, den kann
man in der Türkei nicht verweigern.
Ich wollte nicht kämpfen. Also ging
ich nach Frankreich. Ich hatte gehört,
Franzosen seien besonders gute Kon-
ditoren. Da könnte ich noch was ler-
nen, hoffte ich. Aber schon damals
war das französische Backhandwerk
industrialisiert. Das kannte ich aus
der Türkei nicht, wo alles Handarbeit
ist. Konservierungsmittel haben wir
nie benutzt, Brot und Gebäck müssen
fffrisch sein. Also zog ich weiter.risch sein. Also zog ich weiter.
1990 kam ich nach Deutschland.
Zunächst jobbte ich in einer Döner-
bude in Hamburg. Ich vermisste Si-
mit, die Sesamkringel, die ich jahre-
lang in der Türkei gebacken hatte. In
Hamburg gab es die nicht. Eine
Marktlücke, dachte ich mir und
überredete den Inhaber der Döner-
bude, eine türkische Bäckerei zu er-
öffnen – mit mir als Bäcker. Das Kon-
zept ging auf. Klar, alle mögen Simit.
Die Deutschen, die Türken, die Dä-
nen, die zum Einkaufen nach Ham-
burg kommen. Vor dreieinhalb Jah-
ren konnte ich endlich meine eigene
Bäckerei „Kervan-Simit“ eröffnen.
Davon habe ich schon als Junge in Is-
tanbul geträumt, wenn der Meister
mich zurechtwies. Seitdem backe ich
jede Nacht von 23 bis 8 Uhr morgens.
Wenn es hoch kommt, schlafe ich
am Nachmittag fünf Stunden, oft
weniger. Ich bin eigentlich immer
müde. Aber für seine Ziele muss man
eben hart arbeiten, anders geht es
nicht. Meine älteste Tochter findet,
dass ich ein Vorbild bin. Sie ist 20
und hilft jeden Tag im Laden aus. Ich
habe drei Töchter. Sie und meine
Frau sind Vorkosterinnen, wenn ich
mal wieder ein neues Rezept kreiere.
Ich experimentiere gern. Auch das
Rezept der traditionellen Simit habe
ich verändert. Den Teig mache ich
jetzt mit Milch und Butter, das ist in
der Türkei nicht üblich. Aber so wer-
den die Simit weicher und leckerer.
Deutsche backen ja viel mit Butter,
in der Türkei nimmt man eher Son-
nenblumenöl. Das ist nicht so teuer.
Ich träume davon, eines Tages
wieder Maraş-Eis zu verkaufen.
Dann stünde ich mit einem kleinen
Wagen in der Einkaufsstraße und bö-
te den Passanten eine spektakuläre
Show. Aber das ist finanziell noch
nicht drin. Eis kann man nur im
Sommer verkaufen, Backwaren das
ganze Jahr.
AUFGEZEICHNET VON CAROLINA DRÜTEN

WIE ES IST

METIN AKSU, 49, HAT SICH IN HAMBURG
ALS TÜRKISCHER TRADITIONSBÄCKER
EINEN JUGENDTRAUM ERFÜLLT

,,


S


pektakuläre Anklage, Zeu-
gen aus der Halbwelt, du-
bioses Beweismaterial und
einen hochprominenten
Angeklagten: Der Prozess,
der am Mittwoch vor dem Frankfurter
Landgericht beginnt, enthält alles, was
für einen Thriller nötig ist. Alexander
Falk, einst einer der reichsten Männer
Deutschlands, ist der Anstiftung zum
Mord angeklagt. Dem 50 Jahre alten
Hamburger Unternehmer, Millionener-
be des Stadtplan-Verlages und einstiger
Börsenstar, wird vorgeworfen, er habe
im Februar 2010 den Frankfurter
Rechtsanwalt Wolfgang J. umbringen
lassen wollen. Angeblich aus Habgier.

Es ist das dritte Mal, dass Falk vor
Gericht steht. Hintergrund all dieser
Verfahren ist ein Deal Ende des Jahres


  1. Damals verkaufte Falk seine In-
    ternet-Firma Ision an die britische Fir-
    ma Energis plc. Sie verklagte Falk später
    wegen Betrugs, und 2008 verurteilte
    das Hamburger Strafgericht Falk. Er ha-
    be im Zuge der Neuen-Markt-Euphorie
    seine Firma Ision für viel zu viel Geld,
    nämlich 772 Millionen Euro, mittels
    manipulierter Scheingeschäfte und
    Luftbuchungen an die Engländer ver-
    kauft. Das Strafurteil wurde rechtskräf-
    tig, Falk zu vier Jahren Haft verurteilt.
    Zudem fand ein Zivilprozess zwischen
    Falk und Energis statt, den Falk eben-
    falls verlor. Er wurde zu Schadensersatz
    in Höhe von 209 Millionen Euro verur-
    teilt. Die Frankfurter Großkanzlei Clif-
    ford Chance, die in diesem Zivilprozess
    die britischen Interessen vertrat, ließ
    das gesamte bekannte falksche Vermö-
    gen in Deutschland, der Schweiz und
    Südafrika pfänden.
    Auch wenn dies wenig Auswirkungen
    hatte, da die Staatsanwaltschaft ohne-
    hin sein Vermögen beschlagnahmt hat-
    te, wuchs Falks Groll gegen die gegneri-
    schen Anwälte. Schließlich hält er sich
    für unschuldig. Die Briten, so Falk, hät-
    ten von allen Details, auch den Luftbu-
    chungen, gewusst. Die Sache trieb ihn
    um, er wollte beweisen, dass er im
    Recht sei. Er glaubt bis heute an die
    Existenz ihn entlastender Unterlagen,
    an die er aber nicht herankomme, da sie
    sich im Besitz der gegnerischen Anwälte
    von Clifford Chance befänden.
    Nach Überzeugung der Frankfurter
    Staatsanwaltschaft, die Falk nun wegen
    Anstiftung zum Mord anklagt, gab er
    dabei vor allem einem Mann die Schuld:
    dem bei Clifford Chance angestellten


Juristen Wolfgang J. An ihm habe sich
Falk rächen wollen. Durch J.s Tötung
habe er zudem seine Chancen in dem
Zivilprozess verbessern wollen, um wie-
der an sein Vermögen zu gelangen.

D


iese Motiv-Konstruktion be-
sticht allerdings nach Auffas-
sung der Verteidigung nicht ge-
rade durch Logik. Wenn das Mitglied ei-
nes Anwaltsteams umgebracht wird,
fragen Falks Anwälte, wieso sollten
dann die Chancen des Gegners steigen?
Hätte nicht sofort ein Teamkollege J.s
Aufgaben übernommen und fortge-
führt? Die Verteidiger geben zwar zu,
dass Falk an J.s Unterlagen herankom-
men wollte und es vergebliche Versuche
gegeben habe, dessen Computer zu ha-

cken oder zu entwenden. „Aber was hät-
te der Mord an J. unserem Mandanten
gebracht?“, fragt Verteidiger Björn Ger-
cke. Der Kölner Fachanwalt für Straf-
recht gibt sich überzeugt, gute, ja unwi-
derlegbare Argumente dagegen aufbie-
ten zu können. Denn die Anklage ent-
halte eine Reihe von Merkwürdigkeiten,
denen die Staatsanwaltschaft nicht
nachgegangen sei, und die, wären sie
sauber aufgeklärt worden, ihren Man-
danten in einem völlig anderen Licht
zeigen würden.

A


uf den bei Clifford Chance ange-
stellten Juristen J., der mit der
Zivilklage gegen Falk befasst war,
wurde am 8. Februar 2010 geschossen.
Doch lässt sich bezweifeln, dass dies ein
Mordanschlag war. Denn der Schuss,
der gegen 8.50 Uhr auf den Anwalt ab-
gegeben wurde, als der zu seinem Auto
ging – gezielt aus allernächster Nähe –,
traf ihn in den linken Oberschenkel. Das
wirke eher wie ein Warnschuss, argu-
mentiert die Verteidigung Falks.
Warnung aber wovor? Täter und Mo-
tiv sind bis heute unbekannt. „Hatte die
Tat überhaupt etwas mit Falk zu tun?“,
fragen dessen Verteidiger.
Wer den Schützen beauftragt haben
könnte, ist ebenfalls unklar. Kurz nach
der Tat lenkte J. in einem Telefonat mit
der Polizei den Verdacht auf Falk, da er
gegen diesen schon seit Jahren prozes-
siere. Zweimal, so erzählte J. den Beam-
ten, sei versucht worden, in sein Wohn-
haus einzubrechen, es habe seltsame
Telefonanrufe gegeben. Die Polizei
setzte verdeckte Ermittler auf Falk an,
sie ermittelte wegen gefährlicher Kör-
perverletzung. „Ohne Erfolg aller-
dings“, sagt Falks Anwalt Gercke. „Herr
Falk bestreitet, irgendetwas mit dem
Attentat zu tun zu haben.“
Ein anderer Hinweis kam Jahre später
von einem Zeugen, der in dem Prozess
eine entscheidende Rolle spielen dürfte,
Staatsanwaltschaft und Verteidigung
sind jedoch über seine Glaubwürdigkeit
völlig unterschiedlicher Ansicht: Ein
Türke namens E. wandte sich im August
2 017 an die Abteilung für die Führung
von V-Männern des Hamburger Landes-
kriminalamts und gab an, etwas über den
Anschlag auf den Frankfurter Anwalt zu
wissen. „Der Mann war offenbar in Geld-
nöten und spekulierte auf die mittler-
weile ausgesetzten 100.000 Euro Beloh-
nung für sachdienliche Hinweise“, sagt
die Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft
hingegen beruft sich auf die Aussage des
Mannes, er sei dabei gewesen, als Falk
2 009 den Auftrag erteilte, J. etwas anzu-

tun, angeblich mit den Worten: „Ich
möchte, dass er eiskalt wird, er geht mir
aaauf den Sack und bitte, diese Bazille, die-uf den Sack und bitte, diese Bazille, die-
ser Hund, ich möchte von ihm nichts
mehr hören. Du weißt, was du zu tun
hast, ihn eiskalt machen, also ihn zum
Schweigen bringen.“
E. behauptete weiter, er sei auch da-
bei gewesen, als den Tätern später Geld
dafür übergeben wurde. Es sei um ins-
gesamt 200.000 Euro gegangen. Außer-
dem sei er im Besitz eines achtminüti-
gen Mitschnitts eines Gesprächs, das in
der Türkei zwischen Falk und weiteren
Tatbeteiligten aus dem Jahr 2010 statt-
gefunden habe. Diesen Mitschnitt stell-
te E. den Ermittlern zur Verfügung.
Zu diesen angeblichen Tatbeteiligten
zählt etwa das Brüderpaar Cihan und
Niyazi B., beide ebenfalls Türken und,
wie E., keine Unbekannten in der Ham-
burger Boxszene. Falk hatte Cihan B. im
Gefängnis kennengelernt. Die Verteidi-
ger erklären die Nähe ihres Mandanten
zur Halbwelt damit, dass Falk wohl ge-
meint habe, in B. einen Freund gefun-
den zu haben. Dies sei ein schwerwie-
gender Irrtum gewesen.
Machten die Türken hinter Falks Rü-
cken gemeinsame Sache? Die Familie
Falk erhielt jahrelang Erpresserbriefe –
womöglich von E. Die Brüder B., gegen
die inzwischen ermittelt wird, behaup-
ten, unschuldig zu sein. E. hatte der Poli-
zei erzählt, dass es im September 2009
einem Hamburger „Block House“-Res-
taurant ein Treffen mit Falk gegeben ha-
be, bei dem der Auftrag besprochen wor-
den sein soll. Niyazi B. jedoch wider-
spricht in einer Erklärung durch seinen
Anwalt explizit dieser Darstellung. Das
Treffen habe erst ein Jahr später, also
nach der Tat, stattgefunden, und dabei
sei es nicht um Anwalt J. gegangen. E. lü-
ge bei fast allem, was er sage. Doch
Staatsanwaltschaft und Gericht, das die
Anklage schließlich zuließ, halten am
„Blockhouse“-Treffen im Jahr 2009 fest.
Aufgrund von E.s Aussage stuften die
Ankläger das Attentat auf J., das ur-
sprünglich als Körperverletzungsdelikt
eingeordnet war, zum versuchten Mord
hoch. „Ohne zu prüfen, um wen es sich
bei dem vermeintlichen Jackpot-Zeugen
E. handelt und was es mit dem Tonband
auf sich hat“, kritisiert die Verteidigung.
Am 14. August 2018 erging Haftbefehl,
am 4. September wurde Falk in Ham-
burg festgenommen. Seitdem sitzt er in
Untersuchungshaft. Sämtliche Anträge
der Verteidigung auf Aufhebung des
Haftbefehls scheiterten.
Wenn nun am 21. August die Haupt-
verhandlung gegen Falk vor dem Land-

gericht Frankfurt beginnt, wird sich das
Gericht nicht nur mit der Anklage aus-
einanderzusetzen haben, sondern auch
mit den Ermittlungen der Verteidigung,
die diese unter hohem Arbeits- und
Geldaufwand betreibt. Laut Staatsan-
waltschaft soll es sich bei E., dem Kron-
zeugen der Anklage, um eine unbeschol-
tene Person handeln, deren Bundeszen-
tralregisterauszug ohne Eintrag sei. Die
Verteidigung widerspricht dieser Ein-
schätzung. WELT AM SONNTAG liegt
ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg
vor, aus dem hervorgeht, dass E. eine
Reihe von Vorstrafen hat, darunter eine
wegen „versuchter gemeinschaftlicher
räuberischer Erpressung“. Außerdem
wegen gefährlicher Körperverletzung,
wegen Diebstahls, wegen Bedrohung so-
wie wegen Führens einer scharfen Waf-
fe.
Wie kommt ein vielfach Vorbestraf-
ter dann zu einer weißen Weste? Ist E.
etwa ein V-Mann? Falks Verteidigung
zählt die Möglichkeiten auf, unter de-
nen einer, wenn er sich etwa als V-Mann
verdinge, Vorteile für sich herausschla-
gen könne: Er kann sich für seine Diens-
te bezahlen lassen, es kann ihm Strafra-
batt gewährt werden. Oder sein Vor-
strafenregister kann auf Wunsch „berei-
nigt“ werden. Tatsächlich begleiteten
zwei V-Mann-Führer E. zur Verneh-
mung nach Frankfurt. Den Akten ist
nicht zu entnehmen, dass dies Anlass zu
Nachfragen gegeben hätte.

D


ie Verteidigung hat im Gegen-
satz zur Staatsanwaltschaft
auch den Tonmitschnitt E.s von
einem Sachverständigen untersuchen
lassen, da er kein vollständiges Ge-
spräch wiedergibt, sondern nur abrupt
beginnende oder endende Wortfetzen.
Es ist zu hören, wie Falk sich schaden-
froh über den Schuss auf Anwalt J. aus-
lässt. „Mitnichten stiftet er aber zu ei-
nem Mord an“, wendet Verteidiger Ger-
cke ein. Stefan Braun, ein Experte für
Medientechnik aus Frankfurt, machte
zwei Stellen aus, an denen das Band
zweifelsfrei geschnitten worden sei,
und zwei weitere, an denen möglicher-
weise manipuliert wurde. Dies merke
man etwa an der zerhackten Hinter-
grundmusik und an einer plötzlich ver-
änderten Atmosphäre im Raum. Was
fehlt und warum? Die Verteidigung ließ
die Qualität der Aussage des Kronzeu-
gen E. von dem Kieler Psychologen
Günter Köhnken prüfen. Das Ergebnis
ist vernichtend.
Falk stellt sich der Anklage, er will
nach Auskunft seiner Anwälte aussagen.

Heikle Anklage


Der Hamburger


Unternehmer


Alexander Falk steht


wegen Anstiftung


zum Mord vor


Gericht. Der


Vorwurf fußt auf


dubiosen Zeugen


und womöglich


manipulierten


Beweismitteln


PICTURE ALLIANCE / DPA

/DPA / ANGELIKA WARMUTH

VONGISELA FRIEDRICHSEN

Alexander Falk

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