Die Welt am Sonntag - 18.08.2019

(lily) #1

D


er Weg in den Gar-
ten der Engelhardts
führt nicht durch
ein Gartentor, son-
dern ausschließlich
durch die Haustür.
Was daran liegt,
dass das Haus der Engelhardts wie ein
Riegel vor einem kleinen Tal liegt.
Wenn Besucher die Diele des Fachwerk-
hauses durchquert haben und auf die
Terrasse an der Rückseite treten,
kommt es unweigerlich zum Wow-Ef-
fekt. Rechts und links Hänge, die bis zu
30 Meter aufsteigen, in der Mitte ein
Bachlauf, dazu eine überwältigende Mi-
schung aus Duft und Farbe.

Über 700 wildfremde Menschen
durften und wollten vergangenes Jahr
den Tal-Garten von Uschi und Helmut
Engelhardt in Witten im Ruhrgebiet be-
wundern. Erstmals hatte das Ehepaar
zur „Offenen Gartenpforte“ geladen.
Die „Offene Gartenpforte“ ist ein Sam-
melbegriff für Aktionen, bei denen Pri-
vatgärten für ein interessiertes Publi-
kum ihre Tore (oder Haustüren!) öffnen
und von denen es inzwischen überall in
Deutschland ganz unterschiedliche Va-
rianten gibt: von Einzelinitiativen – wie
beim Ehepaar Engelhardt – bis hin zu
kommunalen Veranstaltungen.
Es kommt einer Gartenkulturrevolu-
tion gleich, dass man heute vielerorts
nachgucken darf, wie grün das Gras bei
den Nachbarn wirklich ist. Noch in den
80er-Jahren wäre es undenkbar gewe-
sen, dass Privatbesitzer Fremden ihre
Gärten zeigen. Ohnehin wäre damals
hinter den meisten Gartenpforten nicht
viel zu sehen gewesen. Höchstens Ra-
senflächen mit langweiligen Randbe-
pflanzungen, die vor allem vor Nach-
bars Blick schützen sollten. Wer selbst
ambitioniert hobbygärtnerte und sich
von Gleichgesinnten inspirieren lassen
wollte, musste nach England oder in die
Niederlande reisen, wo man sich schon
lange vor den Deutschen eifrig um sei-
nen Garten kümmerte und diesen auch
gern an besonderen Tagen vorführte.
Hierzulande initiierte 1991 der Leiter
des Grünflächenamts Hannover die ers-
te „Offene Gartenpforte“. Seither hat
sich das Niveau der gelebten Gartenkul-
tur dem unserer europäischen Nach-
barn angeglichen. Allerdings sind es
nicht wie in England in erster Linie die
Gärten von Lords, Earls und Dukes, die
an den Tagen der offenen Pforte zu be-
sichtigen sind. In der Bundesrepublik
Deutschland findet man 2019 alles:
Schlossgärten – auch von alten Familien


  • ebenso wie sehenswerte Gärten quer
    durch alle sozialen Schichten. Ein Be-
    such bei den Engelhardts und in zwei
    weiteren Gärten deutet an, welch breite
    Palette zu besichtigen ist.


DER GÄRTNERNDE
BLUMENVERMARKTER
Jutta und Michael Bongers gehörten
dieses Jahr zu den 25 Teilnehmern der
„Offenen Gärten im Kleverland“, die

von der Stadt Kleve und der Gemeinde
Bedburg-Hau veranstaltet wird. Ihr
3600 Quadratmeter großer Garten ist in
die Landschaft des Niederrheins einge-
bettet. Die ist hier gar nicht so flach, wie
der Ruf vermuten lässt, und verdankt
der vorletzten Eiszeit ein paar sanfte
Wellen. Der Blick vom Haus in den Gar-
ten wird durch eine kleine Zierapfel-Al-
lee als Sichtachse geleitet. Die 16 Obst-
bäume beeindrucken im Frühling durch
ihre Blütenpracht und bringen im
Herbst, wenn sie voller roter Früchte
hängen, noch mehr Farbe in den Garten.
Darin geht es ohnehin bunt zu. Dafür
sorgen Zwiebelblumen im Frühling, Ro-
sen und Stauden im Sommer und die
Blätter der Pflanzen im Herbst.
„Unser Garten ist ein fortlaufender
kreativer Prozess der Gestaltung. Wir
haben 2008 damit angefangen, und es ist
eine befriedigende Aufgabe, neue Ideen
umzusetzen“, sagt Michael Bongers. Raf-
fffiniert gestaltete Schattenbeete und dieiniert gestaltete Schattenbeete und die
Vielfalt an Gräsern lassen erkennen, dass
der Mann vom Fach ist. Nach dem Abitur
hat er eine Gärtnerlehre absolviert und
sich danach zum Gartenbautechniker
weitergebildet. Heute ist er Geschäfts-
ffführer einer internationalen Firma fürührer einer internationalen Firma für
Blumenvermarktung und hat damit Zu-
gang zu vielen Besonderheiten und Neu-
heiten in der Pflanzenzucht. Aber prä-
gend sind in seinem Garten nicht die
Pflanzen und Gehölze, sondern die auf-
wendig gepflegten Rasenflächen. Min-
destens zweimal pro Woche wird ge-
mäht, und der grüne Teppich vermittelt
eine ruhige Weiträumigkeit, wie sie
ebenfalls in der umgebenden Landschaft
zu finden ist.
Eine Besonderheit im Bereich der
Zierapfel-Allee sind acht rechteckige
„Rasenbeete“ mit Tausenden frühblü-
henden Zwiebelblumen: Schneeglöck-
chen, verschiedene Krokussorten,
Schneeglanz (Chionodoxa), Trauben-
hyazinthen und Wildtulpen wurden mit
anderen niedrig wachsenden Zwiebel-
gewächsen kombiniert. Hier sind zarte
Bilder entstanden, die an Porzellan-
malerei erinnern. Weil die Zwiebelge-
wächse über das nach der Blüte wach-
sende Laub regenerieren, darf das Gras
auf diesen Beeten erst Ende Juni ge-
mäht werden. Bis dahin haben die stren-
gen, rechtwinkligen Beete mit dem
hochgewachsenen Gras in der ansons-
ten gepflegten Rasenfläche einen be-
sonderen Reiz.

GARTEN IST IHR HOBBY
Ein ganz anderes Konzept findet sich im
südhessischen Ort Hergershausen (Ge-
meinde Babenhausen) und war jüngst
im Rahmen der von der Deutschen Ge-
sellschaft für Gartenkunst und Land-
schaftskultur für ganz Hessen organi-
sierten „Offenen Gartenpforte“ zu se-
hen. Das Ehepaar Maren Gatzemeier
und Matthias Brendle hat sich mit allen
Konsequenzen für das Dorfleben ent-
schieden – und gärtnert nun sowohl im
Privatgarten für sich selbst als auch im
Dorf fürs Allgemeinwohl.
Beruflich sind beide in verantwortli-
chen Positionen als Teamleiter in gro-

ßen Firmen bei Frankfurt tätig. Sie er-
warben ein Fachwerkhaus aus dem 19.
Jahrhundert in dem dicht bebauten Ort.
Das nur 600 Quadratmeter große
Grundstück ist rechts und links von
weiteren Fachwerkhäusern aus der glei-
chen Bauzeit umgeben. Den Abschluss
des 55 Meter tiefen und elf Meter brei-
ten Grundstücks bildet die große, alte
Scheune eines Nachbarn.
AAAuf der kleinen Fläche hat sich dasuf der kleinen Fläche hat sich das
Ehepaar alle Gartenwünsche erfüllt: Ro-
senbeet, Teich mit Sumpfzone, Steingar-
ten, ein mit Staketenzaun eingefriedeter
kleiner Gemüsegarten, ein Gartenpavil-
lon, ein Flammkuchenofen mit Sitzplatz
und als Entspannungsbecken ein aufge-
sägtes Weinfass. In der Aufzählung
klingt es maßlos, ist aber in der Realität
eine perfekte Miniatur-Gartenland-
schaft, die trotz der gestalterischen Fülle
nicht überladen wirkt. Eigentlich sind
die einzelnen Gartenbereiche nur größe-
re Beete, und die größte einheitlich be-
pflanzte Fläche ist die Dachbegrünung
aaauf einem Anbau, der als Garage und Ge-uf einem Anbau, der als Garage und Ge-
räte-/Gartenhaus genutzt wird. Hier sind
aaauf 80 Quadratmetern trockenheitsre-uf 80 Quadratmetern trockenheitsre-
sistente Pflanzen angesiedelt, die in ih-
rer Gesamtheit einen abwechslungsrei-
chen Patchwork-Teppich bilden.
Als 2008 Hergershausen als Garten-
dorf in das südhessische Programm
„Route der Regionalgärten“ einbezogen
wurde, brachten beide ihre gärtneri-
schen Kenntnisse in den neu gegründe-
ten Arbeitskreis ein, aus dem wiederum
ein Verein hervorging. Inzwischen hat
der Verein im Dorf einen Sinnengarten
angelegt, der das bewusste Sehen, Hö-
ren, Riechen, Schmecken und Fühlen
befördert, ein Heckengang führt von
dort zu einer 800 Quadratmeter großen
Blumenwiese. „Während wir überall ei-
nen Rückgang an Arten verzeichnen,
versuchen wir hier mit einer kleinen In-
sel zu zeigen, dass es auch anders gehen
kann“, so Maren Gatzemeier.

IM TALGARTEN
Der eingangs schon kurz beschriebene
Garten der Engelhardts gleicht durch
die Geländeform einem antiken Am-
phitheater, wobei das Schauspiel auf
den Zuschauerrängen stattfindet. Dort
wird ein jahreszeitlich wechselndes
Programm geboten. Es beginnt im
Frühjahr mit einer Fülle von Zwiebel-
blumen, die die Hänge überziehen. Be-
sonders die Dichternarzissen (Narc.
poeticus)entfalten an den Steillagen ei-
ne besondere Wirkung; sie erinnern an
Ballettmädchen. Der große blühende
Kirschbaum auf halber Höhe ist zur
gleichen Zeit die Primaballerina auf
dieser Bühne. Später im Jahr verwan-
delt sich der Garten in ein deftiges
VVVolkstheater. Die massigen Bauernhor-olkstheater. Die massigen Bauernhor-
tensien (H. macrophylla)stehen in der
Mitte längs des Bachlaufs, abwech-
selnd mit großen Gruppen von Astil-
ben. Normalerweise gleichen diese auf
ebener Fläche nur einer kompakten
Masse, aber auf den Hängen werden sie
zu farbigen Wolken.
Der August bringt dann die große
Oper: überall Dahlien, Töpfe mit Fuch-

sien, reifende Apfel- und Birnbäume
und besondere Engelstrompeten (Brug-
mansien), unter anderem Abkömmlinge
eines Mitbringsels aus einem Madeira-
Urlaub. Sie wachsen, blühen und duften
in Gruppen und großen Einzelexempla-

ren, mannshoch auf den verschiedenen
Höhenstufen.
Uschi Engelhardt sagt: „Was die Ma-
ler mit Farbe und Pinsel erschaffen, ge-
stalten wir mit Spaten und Pflanzen.
Unsere Vernissage ist die Gartenöff-

nung.“ Allerdings war die Resonanz zu
ihrem jüngsten Tag der offenen Tür et-
was zu überwältigend. Als Konsequenz
wird der Garten Engelhardt jetzt nur
noch für Gruppen- und Einzelbesucher
auf vorherige Anmeldung geöffnet.

VONKLAUS BENDER UND MANFRED LUCENZ

Perfekte Miniaturlandschaft: Der Garten
im hessischen Hergershausen (l.) liegt auf
einem gerade mal 600 Quadratmeter gro-
ßen Grundstück und grenzt an die Scheune
vom Nachbarn. Unten: Uschi Engelhardt
am Hang ihres Gartens in Witten

Gartenschau, ganz privat


Ist das Gras bei den Nachbarn wirklich grüner? An Tagen der offenen Gartenpforte kann man mal nachgucken. Drei Ortsbesuche


WAMS_DirWAMS_DirWAMS_Dir/WAMS/WAMS/WAMS/WAMS/WSBE-VP1/WSBE-VP1
18.08.1918.08.1918.08.19/1/1/1/1/Stil5/Stil5IKNIPP 5% 25% 50% 75% 95%

Abgezeichnet von:
Artdirector

Abgezeichnet von:
Textchef

Abgezeichnet von:
Chefredaktion

Abgezeichnet von:
Chef vom Dienst

61


18.08.1918. AUGUST 2019WSBE-VP1


  • :----ZEIT:BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -ZEIT:-BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -ZEIT:-BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ---ZEIT:---BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: :BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: ZEIT:BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE: -BELICHTERFREIGABE:
    BELICHTER: BELICHTER: FARBE:BELICHTER:


1 8.AUGUST2019 WELT AM SONNTAG NR.33 STIL 61


Hurtigruten GmbH • Große Bleichen 23 • 20354 Hamburg
* Limitiertes Kontingent, BASIC-Tarif. Gültig für Neubuchungen
bis 31.08.2019. Weitere Informationen unter http://www.hurtigruten.de

Im Reisebüro oder Tel. (040) 874 090 45

© ERIKA TIREN

NORWEGEN 2020


DIE SCHÖNSTE SEEREISE DER WELTDIE SCHÖNSTE SEEREISE DER WELT


34 Häfen, über 100 Fjorde


12 Tage
Reise ab

Flug


inklusive






1.690 € P. P.*


ANZEIGE

M
ARION NICKIG (2)

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT am SONNTAG-2019-08-18-ab-24 07d1f0b890465a7f3c9d456686d918b1

RELEASED BY "What's News" VK.COM/WSNWS TELEGRAM: t.me/whatsnws
Free download pdf