Die Welt am Sonntag - 18.08.2019

(lily) #1
Das hier ist die „Lederhose der Eskimo-Frau“. So nannte Finnlands berühm-
tester Designer Alvar Aalto sein 1936 entworfenes Werk: eine Vase in unregel-
mäßiger Wolkenform, die damals als revolutionär galt. Heute ist die Aalto-
Vase weltbekannt, sie steht in führenden Designmuseen rund um den Globus
und wird noch immer produziert – nach wie vor mundgeblasen.

Neulich beim


Finnen


Reiseredakteur Sönke Krügerwar im Urlaub


in Finnland unterwegs. Dort hat er Szenen und


Dinge des Alltags beobachtet. Sein kommentiertes


Fotoalbum zeichnet ein etwas anderes Bild als


ein klassischer Reiseführer


LONGDRINK

Lonkeroist Finnlands typi-
scher Sommerdrink – Gin
mit Grapefruit-Saft, auf
Eis serviert. Dank 5,5 Pro-
zent Alkoholgehalt ist das
Erfrischungsgetränk beim
Finnen sehr beliebt. Erfun-
den wurde es für die
Olympischen Sommer-
spiele 1952 in Helsinki,
doch es kam so gut an,
dass es bis heute in jeder
Bar zu haben ist.

ABHÄNGEN AM MEER

An mehreren Stellen direkt an der Ostsee stehen in Helsinki merkwürdige Holz-
gestelle rum. Man könnte sie für Trimm-dich-Geräte halten, doch tatsächlich
handelt es sich um öffentliche Teppichreinigungsstellen, wo der Finne seine
mitgebrachten Teppiche waschen, auswringen, ausklopfen, auslüften kann.

Jeden Sommer macht Finnlands Eisbrecherflotte Ferien im Hafen von Helsinki,
hier sieht man sie umzingelt von Booten und Yachten. Im Winter brechen die
Kraftpakete Schifffahrtsschneisen durch das meterdicke Eis der nördlichen
Ostsee, die regelmäßig zufriert.

Der finnische Humor
ist manchmal etwas
derb – zum Beispiel in
Helsinki, wo dieses
einem Außerirdischen
nachempfundene
Nacktmodell einen
pullernden Spring-
brunnen abgibt.

Unglaublich, dass dieses minimalistische
Wohnhaus mit seinen riesigen Fenstern
schon über 80 Jahre alt ist – es ist die Pri-
vatvilla von Alvar Aalto im Norden Helsin-
kis, die Finnlands wichtigster Architekt 1936
für sich entworfen und jahrelang selbst
bewohnt hat. Heute ist sie Pilgerziel in-
ternationaler Architektur-Fans. Hinein
kommt aber nur, wer online vorab ein
Ticket gekauft hat. Alle anderen müssen
sich damit begnügen, heimlich durch den
Garten zu latschen und das Haus von außen
abzulichten. So wie der Autor dieser Zeilen.

Helsinki ist eine Schatzkammer des Jugend-
stils, nicht schnörkelig-verspielt wie in
Mitteleuropa, sondern gradlinig-streng.
Bestes Beispiel dafür ist der Hauptbahnhof,
ein Gesamtkunstwerk aus Granit. Die halb
nackten steinernen Riesen, die den Vorplatz
seit 1919 mit Lampen in Globusform beleuch-
ten, zählen zu den meistfotografierten
Hauptstädtern.

Auf den Fähren
Richtung Finnland
wird Alkohol sehr viel
günstiger angeboten
als auf dem Festland.
Damit sich die trink-
freudige Kundschaft
beim Schleppen der
Bierpaletten keinen
Bruch holt, werden
sie an Bord mit
Einkaufstrolleys zu-
sammengeschnürt
und zum Schnäpp-
chenpreis als fahr-
bare Bierkiste ver-
kauft. Für den Fin-
nen eines der belieb-
testen Souvenirs.

NATIONALSPEISE

Vorschmack ist ein
traditionelles fin-
nisches Gericht,
für das Lamm-
fleisch mit Hering,
Zwiebeln und Ge-
würzen durch den
Wolf gedreht, ge-
braten und in Hau-
fenform serviert
wird. Schmeckt
deutlich besser, als
es aussieht. Zum
Zwischen- oder
Nachspülen emp-
fiehlt sich fin-
nischer Wodka.

Sieht dieser Schuh nicht aus wie
von Adidas? Von wegen! Die drei
Streifen sind ursprünglich eine fin-
nische Erfindung – der Sportartikelher-
steller Karhu zierte seine Produkte in den 30er-
und 40er-Jahren damit, so wie diesen histori-
schen Laufschuh. Ende der 40er verkauften die
Finnen ihr schnittiges Markenzeichen für die
lächerliche Summe von umgerechnet 1600 Euro
und zwei Flaschen Whiskey an Adidas. War wohl
nicht so schlau: Während die Deutschen mit dem
Streifenlogo Weltstars wurden, verschwand
Karhu mit dem neu geschaffenen M-Logo (Foto
unten) in der Versenkung.

WÖRTERBUCH

Der Einfluss der deutschen auf die finnische
Sprache ist bemerkenswert. Nicht nur die
Bratwursti ist nach Finnland ausgewandert,
auch die Kaffepaussi ist den Finnen ein Be-
griff, ebenso Pumppernikkeli – allerdings ist
das in Finnland kein feuchtes Vollkornbrot,
sondern ein Lebkuchen mit Zuckerguss.

FEHLENTSCHEIDUNG

VERSTECKSPIEL

HUMOR

WELTKLASSE

SÖNKE KRÜGER (14)

ARMLEUCHTER

SCHRECKSEKUNDE

Nein, wir sind hier nicht in einem Sex-Shop,
sondern in einem finnischen Supermarkt, wo
man überall Pussisfindet. Im Knabberzeug-
Regal zum Beispiel diese Retropussi– eine
Chipstüte im Retro-Design. Man bekommt in
der Haushaltswarenabteilung auch Jääpala-
pussi(Eiswürfelbeutel), und wer eine
besonders große Tüte sucht, muss nach
MegapussiAusschau halten.

MODERNE

KUNDENDIENST

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Abgezeichnet von:

Artdirector


Abgezeichnet von:

Textchef


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Chefredaktion


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Chef vom Dienst


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18.08.1918. AUGUST 2019WSBE-VP1


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64 REISEN WELT AM SONNTAG NR.33 18.AUGUST2019


RRRumäniens Wälder waren immerumäniens Wälder waren immer
schon riesig, bis heute ist gut ein Vier-
tel des Landes baumbestanden. In Eu-
ropa ist Rumänien das einzige Land,
in dem es tiefe Wälder gibt, in die
noch nie ein Mensch eingegriffen hat.
Eigentlich unvorstellbar, aber wer Ru-
mänien schon einmal bereist hat, mit
all seinen Pferdefuhrwerken, Bauern-
häusern und aus der Zeit gefallenen,
ländlichen Idyllen, der kann das gut
verstehen. Leider reihen sich seit eini-
gen Jahren Skandale um illegale Ab-
holzungen und um fehlende Kontrol-
len aneinander wie Baumstämme in
der Flößerei. Ganz aktuell soll in den
Südkarpaten nun auch noch ein ein-
zigartiger Buchenwald verschwinden.
Für den Bau einer Straße, deren Nut-
zen höchst umstritten ist.
Holz ist in Rumänien allgegen-
wärtig. Mit einer einzigartigen
Holzarchitektur und Schnitzkunst
gründet sich in Maramures, im Nor-
den des Landes, eine ganze Kultur
darauf. Die Holzkirchen der Region
gehören seit 1999 zum Unesco-Welt-
kulturerbe. Und überall findet man
bis heute prächtige, hölzerne Hoftore,
üppig mit Schnitzereien verziert. Je-
des Dorf hatte seinen eigenen Holz-
schnitzer, den cioplitsori, der sein Wis-
sen an die nächste Generation weiter-
gegeben hat.
Kein Wunder also, wenn Holz das
beliebteste Material ist, wenn es um
die Produktion von Haushaltswaren
und Souvenirs geht. Der Klassiker
sind die aus einfachem Pappelholz ge-
schnittenen dreibeinigen Hocker, die
es mit ihrer minimalistischen Form
locker in jeden Designshop schaffen
wwwürden. Pappelholz ist hell, leicht undürden. Pappelholz ist hell, leicht und
einfach zu bearbeiten. Manchmal
sieht man auf den Märkten Frauen
und Männer so mühelos an solchen
Hockern herumschnitzen, als würden
sie sich gerade ein Stück Brot von ei-
nem riesigen Laib abschneiden. Aus
diesem Holz sind auch andere Gegen-
stände gemacht, etwa Schalen, Brett-
chen, Besen, Löffel. Das Holz dunkelt
aaaber stark nach, was Sie vor der An-ber stark nach, was Sie vor der An-
schaffung wissen sollten.
WWWer sich in Oltenien aufhält, einerer sich in Oltenien aufhält, einer
Region nördlich von Bukarest, kann
aaaus diesem Holz auch kleine Modelleus diesem Holz auch kleine Modelle
eines dreiteiligen Skulpturen-Ensem-
bles von Constantin Brâncuși ergat-
tern. Der Bildhauer hatte es 1938 sei-

ner Heimatstadt Târgu Jiu geschenkt.
Die bekannteste Skulptur ist die „Un-
endliche Säule“ndliche Säule“ndliche Säule“, , die aus aufeinander-
gestapelten Pyramiden besteht, die
aaabwechselnd an der Basis und an derbwechselnd an der Basis und an der
Spitze miteinander verbunden sind.
Unschwer lassen sich die Wurzeln der
ländlich-bäuerlichen Holzsprache sei-
ner Heimat erkennen. Diese Form ist
tttypisch für die tragenden Säulen derypisch für die tragenden Säulen der
VVVordächer der dortigen Holzhäuser.ordächer der dortigen Holzhäuser.
Die schönsten Holzwaren findet
man auf ländlichen Märkten und in
Bukarest auf dem Obor-Markt. Hier
werden in der Non-Food-Halle im
hinteren Bereich jede Menge hölzerne
Haushaltswaren angeboten – einfache
Dinge aus rumänischen Manufaktu-
ren, die man auch bei der noblen
deutschen Warenhauskette Manu-
fffactum finden könnte. Allerdings hieractum finden könnte. Allerdings hier
zu Preisen für jedermann und nicht
nur für reiche Großstädter.
Da ich schon einige Hocker besitze,
habe ich mir auf meiner letzten Reise
eine Autositzauflage aus Holzperlen
mitgebracht. Seither klebe ich bei
sommerlicher Hitze nicht mehr auf
meinem Autositz fest. Der ADAC be-
hauptet zwar, man würde beim Brem-
sen damit vom Sitz und am Airbag
vorbeirutschen. Dafür aber ist mein
AAAuto viel zu klein. Und auf Holz zuuto viel zu klein. Und auf Holz zu
sitzen ist einfach unschlagbar.

TDie Autorin bereist für ihren
Berliner Laden „International
Wardrobe“ die Welt. Was sie dort
findet, stellt sie hier vor

Hölzerne


Highlights


SOUVENIR

Rumänien
iiist berühmtst berühmt
fffür Hand-ür Hand-
geschnitztes.
Ein Klassi-
ker sind die
Hocker aus
K Pappelholz
ATHARINA KOPPENWALLNER

VONKATHARINA KOPPENWALLNER

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