Die Welt am Sonntag - 18.08.2019

(lily) #1

A


ls sich am vergange-
nen Wochenende die
Nachricht verbreite-
te, dass Jeffrey Ep-
stein in seiner Ge-
fffängniszelle in Man-ängniszelle in Man-
hattan Selbstmord
begangen hatte, war die erste Reaktion
vieler seiner Opfer Wut. Epstein hatte
einen Pädophilen-Ring betrieben –
mehr als 90 minderjährige Mädchen
waren von ihm zum Sex gezwungen
worden. Er war bisher beinahe straflos
davongekommen, weil ihm Alexander
Acosta (der später Donald Trumps Ar-
beitsminister wurde) als Bundesstaats-
anwalt für den südlichen Distrikt in

Florida 2008 einen einzigartigen Deal
verschafft hatte: Epstein hatte sich
schuldig bekannt, mit einer minderjäh-
rigen Prostituierten verkehrt zu haben,
war im Bundesstaat New York als Sexu-
alverbrecher registriert worden, hatte
1 3 Monate unter luxuriösen Bedingun-
gen in Florida abgesessen und nahm da-
nach sein altes Leben wieder auf.
Jener Deal verstieß gegen geltendes
amerikanisches Recht, denn Vergleiche
dieser Art dürfen nur geschlossen wer-
den, wenn alle Opfer über sie infor-
miert wurden. Staatsanwalt Acosta hat-
te den Vergleich aber peinlichst geheim
gehalten. Als sich nun die für ihre Ag-
gressivität berühmte Staatsanwalt-
schaft des südlichen Distrikts von New
YYYork für Epstein interessierte, hofftenork für Epstein interessierte, hofften

seine Opfer auf so etwas wie verspätete
Gerechtigkeit. Sie hofften, dass sie vor
Gericht ihrem Vergewaltiger ins Ge-
sicht sehen würden, der seine Macht
verloren hatte. Epsteins Selbstmord
muss da wie eine letzte Flucht erschei-
nen: Der Mann hat ein letztes Mal über
seine Opfer triumphiert. Sich feige da-
vongemacht in den Tod. Natürlich blü-
hen die Verschwörungstheorien. Die
Rechten behaupten, Epstein sei von den
Clintons ermordet worden (Bill Clin-
ton kannte Epstein). Präsident Trump
verbreitete diese Mutmaßung sogar per
Twitter. Die Linken wiederum gaben
Trump und seinem Justizminister Wil-
liam Barr die Schuld (auch Trump
kannte Epstein).
In Wahrheit haben wohl eher Überar-

annte Epstein).
n Wahrheit haben wohl eher Überar-

annte Epstein).

beitung und veritable Schlamperei dazu
geführt, dass Epsteins Zelle nicht wie
vorgeschrieben alle halbe Stunde kon-
trolliert wurde. New Yorks oberste Ge-
richtsmedizinerin Barbara Sampson er-
klärte am Freitag nach Abschluss der
AAAutopsie, Epstein habe sich offenkun-utopsie, Epstein habe sich offenkun-
dig selbst erhängt. Seine Anwälte äu-
ßern Zweifel und wollen eine eigene
Untersuchung durchführen lassen.
Doch unterdessen dringt langsam ins
Bewusstsein der amerikanischen Öf-
fffentlichkeit, dass die große Enthüllungentlichkeit, dass die große Enthüllung
im Fall Epstein noch bevorsteht – und

zzzwar aus Gründen, die mit der Art sei-war aus Gründen, die mit der Art sei-
nes Todes nichts zu tun haben.
Ein Teil des Epstein-Skandals waren
Geheimhaltungsverträge. Laut dem
prominenten Anwalt David Boies gibt
es Dutzende Frauen, die über Epstein
aaaussagen könnten, aber den Mund nichtussagen könnten, aber den Mund nicht
aaaufmachen dürfen, weil sie – gegen ba-ufmachen dürfen, weil sie – gegen ba-
res Geld – ihre Unterschriften unter
Dokumente gesetzt haben, die ihnen
dies untersagen. Niemand weiß, wie
viele solcher Geheimhaltungsverträge
geschlossen wurden.
Ein Milliardär wie Epstein konnte
sich auf diese Weise das Schweigen sei-
ner Opfer erkaufen; ein armer Schlu-
cker könnte dies nicht. Aber mit seinem
Tod sind alle Geheimhaltungsverträge
hinfällig. Jetzt können seine Opfer re-
den – und nicht nur über Epstein, son-
dern auch über seine „nicht beschuldig-
ten Mitverschwörer“. Also die anderen
prominenten Kunden seines Pädophi-
len-Rings. Der denkwürdige Deal, den
Staatsanwaltschaft Alexander Acosta
mit Epsteins Anwälten schloss, nennt
vier von ihnen namentlich, bezieht aber
aaauch andere ein, die anonym bleiben.uch andere ein, die anonym bleiben.
WWWer mag das sein?er mag das sein?
Einen Vorgeschmack auf das, was
bald kommen könnte, bieten Gerichts-
dokumente, die einen Tag vor Epsteins
Selbstmord enthüllt wurden. Es geht
dort um eine Aussage von Virginia Giuf-
fffre, die als 15-Jährige in Donald Trumpsre, die als 15-Jährige in Donald Trumps
Club in Florida arbeitete. Sie sagt, sie
sei Epstein von dessen Vertrauter Ghis-
laine Maxwell zugeführt worden. Der
Milliardär habe sie vergewaltigt, später
hätten er und Maxwell sie als Sexskla-

vin an mächtige Leute vermietet – un-
ter anderem an Prinz Andrew, an den
fffrüheren Gouverneur von New Mexico,rüheren Gouverneur von New Mexico,
Bill Richardson, an Epsteins Verteidiger
AAAlan Dershowitz sowie „einen anderenlan Dershowitz sowie „einen anderen
Prinzen“, einen „ausländischen Präsi-
denten“, einen „bekannten Premiermi-
nister“ und andere mehr. Natürlich be-
teuern alle Genannten, die Vorwürfe
seien aus der Luft gegriffen. Keiner von
ihnen ist auch nur angeklagt worden.
In der vergangenen Woche hat je-
doch Jennifer Araoz formal Anklage ge-
gen Ghislaine Maxwell erhoben. (Ghis-
laine ist die Tochter des 1991 verstorbe-
nen britischen Medienmoguls Robert
Maxwell.) Araoz sagt aus, Epstein habe
sie wiederholt sexuell bedrängt, als sie
111 4 und 15 Jahre alt war, und schließlich4 und 15 Jahre alt war, und schließlich
in seinem Haus in Manhattan vergewal-
tigt. Maxwell und drei weitere Frauen
hätten dieses Verbrechen möglich
gemacht – und neue Opfer für Ep-
steins Pädophilen-Ring rekrutiert.
Bestimmt werden wir in den kom-
menden Wochen und Monaten wei-
tere solche Geschichten hören. Man-
che von ihnen könnten zu Gerichts-
verfahren führen. Andere werden
verpuffen, sei es, weil sie sich nicht
beweisen lassen, sei es, weil die Ver-
brechen, um die es geht, längst ver-
jährt sind. Epstein hatte ein kleines
schwarzes Notizbuch, in dem er auf
9 2 Seiten die Namen, Adressen und
Telefonnummern von Freunden und
Zufallsbekanntschaften notierte.
Neben manchen Namen steht das
WWWort „witness“, Zeuge. Das Büchleinort „witness“, Zeuge. Das Büchlein
liest sich wie ein Who is who der

amerikanischen High Society. Manche
der Namen sind keine Überraschun-

merikanischen High Society. Manche
er Namen sind keine Überraschun-

merikanischen High Society. Manche

gen: Epstein kannte etwa Woody Allen
und Kevin Spacey, die mittlerweile sel-
ber beschuldigt werden, sie hätten sich
sexueller Übergriffe schuldig gemacht.
Andere hatten gar nicht so viel mit dem
Monster zu tun. Wenn dieses Notiz-
buch etwas beweist, dann dieses: Ein
Ungeheuer wie Epstein versteckt sich
nicht in der Einsamkeit, sondern in ei-
ner lärmenden, fröhlichen Menschen-
menge. Es verbirgt sich nicht in der
Dunkelheit, sondern im Licht.
Eine große Frage wird wohl offen-
bleiben. Wie konnte es zu jenem Deal
mit dem Staatsanwalt kommen? Acosta
entschuldigte sich später mit dem Hin-
weis, er habe sich von Epsteins acht
Staranwälten eingeschüchtert gefühlt.
Polizisten und Ankläger in Florida be-
haupten, Epsteins Vertreter hätten
Müll durchwühlt und gestohlen und
sich als Polizeibeamte ausgegeben, um
mit den Familien der Opfer zu reden. In
einem Brief schreibt Acosta, die Anwäl-
te hätten Nachforschungen über ihn
und Kollegen angestellt, um „Kavaliers-
delikte“ zu finden, mit deren Hilfe sie
als befangen abgelehnt werden konn-
ten. Das würde zu einer Strategie der
Einschüchterung passen. Doch die
Angst hält nicht ewig.

VVVirginia Giuffre mit einemirginia Giuffre mit einem
Bild von sich als 16-Jähriger.
Etwa in jener Zeit habe
EEEpstein begonnen, sie zupstein begonnen, sie zu
missbrauchen, sagt sie

ABACA

/DPA PICTURE-ALLIANCE / MIAMI HERALD/TNS/ABACA

DAS NOTIZBUCH


DES MILLIARDÄRS


LIEST SICH WIE EIN


WHO‘S WHO DER


ELITE. HINTER


MANCHEN NAMEN


STEHT DAS WORT


,ZEUGE’


,,


Nach Epsteins Tod


endet das Schweigen


Der Milliardär gab seinen Vergewaltigungsopfern Geld, damit sie nicht


gegen ihn aussagten. Nach seinem Suizid sind diese Verträge hinfällig.


Jetzt könnten noch mehr prominente Verbrecher enttarnt werden


VONHANNES STEIN
AUS NEW YORK

WAMS_DirWAMS_DirWAMS_Dir/WAMS/WAMS/WAMS/WAMS/WSBE-HP/WSBE-HP
18.08.1918.08.1918.08.19/1/1/1/1/Pol8/Pol8MPOLLMAN 5% 25% 50% 75% 95%

Abgezeichnet von:
Artdirector

Abgezeichnet von:
Textchef

Abgezeichnet von:
Chefredaktion

Abgezeichnet von:
Chef vom Dienst

9


18.08.1918. AUGUST 2019WSBE-HP


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1 8.AUGUST2019 WELT AM SONNTAG NR.33 POLITIK 9


Zu: „Gute Schweine, schlechte Schweine“vom 11. August

E


ine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch würde nur der Staatskasse helfen.
Da sie nicht zweckgebunden ist, könnte sie für alles Mögliche verwendet
werden. Bei den Bauern und den Tieren würde davon kein einziger Cent
ankommen. Wer das Tierwohl wirklich verbessern will, muss dafür sorgen, dass
Fleisch, Wurst und auch Milch in den Geschäften nicht so verramscht wird. Es
kann doch nicht sein, dass ein Kilo Fleisch weniger kostet als ein Brot. Fleisch
muss teurer werden, aber das Geld müssen die Erzeuger bekommen, die es nach-
weisbar zum Wohle der Tiere verwenden. Früher war Fleisch noch etwas be-
sonders, heute muss bei manchen Menschen jeden Tag Fleisch auf den Tisch.
Durch Menschen, die so ein Essverhalten an den Tag legen, kommt es ja erst zu
den Massentierhaltungen. Erst wenn wir unsere Essgewohnheiten ändern, wird es
besser werden. Petra Petereit, per E-Mail

LESERBRIEFE


Jeden Tag Fleisch?


Gewagt
Zu: „Der Mann, der kein Clanchef
sein will“vom 11. August

Eine sehr gute, erhellende und ent-
larvende Reportage! Vielen Dank auch
an die mutigen Journalistinnen. Viele
Kollegen würden so etwas gar nicht
erst wagen.
Frank Vallender, WELT-Community

Ein sehr interessanter Bericht. Das war
sicher nicht einfach für die beiden
Journalistinnen. Für viele hart arbei-
tende Durchschnittsverdiener, die
regelmäßig Steuern zahlen und immer
redlich versuchen, sich regelkonform
zu verhalten, wird der Auftritt von
Herrn Rammo allerdings schwer zu
ertragen sein.
Christian Neyrinck, WELT-Community

Mit illegalen Geschäften haben es
Clans in Deutschland zu Macht und
Reichtum gebracht, und sie verbreiten
sich immer mehr. Einem behördlich
bekannten Clanchef, der vermutlich als
Drahtzieher Verbrechen organisiert
und ausführen lässt oder möglicher-
weise selbst begeht, werden in Ihrer
seriösen Sonntagszeitung zwei Seiten
gewidmet. Es ist schon sehr bedenk-
lich, dass unser Rechtsstaat keine
machbaren Gesetzesanwendungen
findet, um diesen Clan-Kriminellen
nach unserer Rechtsprechung zu ver-
urteilen. Werner Bettmann, Dortmund

Vor allem gefiel mir, dass man den
Protagonisten wörtlich zitierte und
dann immer wieder nachhakte, z.B.
was die jüdische Gemeinde betrifft
oder das Strafregister der Söhne. Dan-
ke für die Arbeit!
Tobias Georgi, WELT-Community

Wir schätzen Ihre Zeitung für die kriti-
sche und objektive Berichterstattung.
Warum jedoch ein solcher Beitrag zur
Veröffentlichung kommt, können wir
in keiner Weise nachvollziehen. Wieso
erhält jemand, der sich über die Geset-
ze unseres Landes stellt, nach seinen
eigenen Regeln lebt und mit seinem
Clan den Rechtsstaat weder anerkennt
noch akzeptiert, eine Plattform, um
sich dazustellen? Solche Berichte tra-
gen nicht dazu bei, den Glauben in die
Gleichheit vor dem Gesetz zu stärken.
Sie verstärken das Gefühl der Ohn-
macht unseres Rechtssystems gegen-
über diesen Parallelgesellschaften.
Gerhard Schwyrz, Gröbenzell

Strom kaufen
Zu: „Die grüne Null, die schaffen wir!“
vom 11. August

Mit der Energiewende schützen wir
nicht nur das Klima, sondern können
auch „unsere Stärke als Industrie- und
Wirtschaftsnation erhalten“, behauptet
Annegret Kramp-Karrenbauer. Ihr
Beitrag ist ein Symptom fortgeschritte-
ner Verkennung oder Verleugnung der
Realität. 2011 gab es in Japan einen
Tsunami. Das war Frau Merkel Anlass
genug, den deutschen Ausstieg aus der
Kernenergie zu verfügen. Kein anderer
Staat, auch nicht das unmittelbar be-
troffene Japan, sind dem deutschen
Beispiel gefolgt. Wir haben uns von
einer sicheren, günstigen und klima-
neutralen Stromquelle verabschiedet.
Bis 2038 will man nun die zweite siche-
re Stromquelle, nämlich die Kohle-

verstromung, beenden. Wer glaubt,
man könne die Stromversorgung eines
Industrielandes wie Deutschland mit
Solarpaneelen und Windrädern sicher-
stellen, der glaubt auch, man könne
mit dem Fahrrad zum Mond fahren.
Beide sind höchst unsichere Quellen,
und Stromspeicher gibt es kaum. Wir
machen uns daher zunehmend von
Atomstrom aus Frankreich und Tsche-
chien, Kohlestrom aus Polen und Gas
aus Russland abhängig. Im Übrigen
wird die beschlossene baldige Abschal-
tung von einigen Kohlekraftwerken bei
uns dem Weltklima nichts nützen, da
gegenwärtig weltweit etwa 1400 neue
Kohlekraftwerke geplant oder gebaut
werden. Kurz: Die Energiewende ist
krachend gescheitert.
Dr. Alois Baier, Swisttal-Buschhoven

Unsere Vorväter
Zu: „Notre-Dame, was nun?“
vom 11. August

Warum kann man das Monument einer
vergangenen Epoche nicht als Zeugnis
jener Zeit achten und für künftige
Generationen erhalten? Unserem Zeit-
geist so fremd, beeindruckt es doch die
Menschen von heute in seiner Groß-
artigkeit. Wer es dem heutigen Stil-
willen unterwirft, zeigt nur, dass sein
Denken allein unserer Zeit verhaftet
ist. Alfred Berlich, WELT-Community

Es geht bei der Wiedererrichtung nach
historischem Vorbild nicht nur um die
Restauration eines Kunstwerks, son-
dern auch um den Respekt vor der
Tradition und der Leistung unserer
europäischen Vorväter (#touchepasà-
notredame).
Valeska Bonin, WELT-Community

Hätte es nicht gebrannt, hätte das alte
Dach Bestand, und die ganze Diskussi-
on wäre überflüssig. Warum sollte
nicht etwas erhalten werden, das über
Jahrhunderte harmonisch gewachsen
ist? Aber viele Architekten wollen sich


  • wie immer – ein Denkmal setzen. Im
    Zweifel sollten die Bürger von Paris
    entscheiden.
    Monika Hick, WELT-Community


Viele bekannte Bauwerke wurden ir-
gendwann zerstört und neu aufgebaut.
Der Turm von San Marco in Venedig
ist vor 100 Jahren komplett zusammen-
gefallen und wurde neu aufgebaut.
Praktisch alle deutschen Burgen aus
dem Mittelalter wurden im 19. Jahr-
hundert neu aufgebaut. Alle Gebäude
der Mayas in Mexiko wurden aus Stein-
haufen rekonstruiert, der Dschungel
hatte alles verschluckt. Sicher, diese
abgebrannte Kathedrale hatte auch
eine lange Geschichte, immer wieder
wurde sie ergänzt. Vom Gefühl her
würde ich auch zur Wiederherstellung
des Zustandes vor dem Brand mit glei-
chen Materialien und Techniken ten-
dieren. So ein Glasdach wäre sicher
spektakulär, aber irgendwie unpassend.
Thomas Magiera, WELT-Community

Salvini kommt
Zu: „Italien in der Sackgasse“
vom 11. August

Es lebe das Dolce Vita! Brüssel und
Europa machen sich Gedanken, wie es
mit Italien weitergehen könnte. Aber
den Eindruck, dass sich viel ändern
müsste, haben Italiener nicht. Was 65

Regierungen nicht hinbekamen, wird
auch die 66. nicht schaffen. Die Groß-
zügigkeit der EU, die viel zu hohe
Schuldenquote des Landes nicht zu
ahnden, wird von Salvini und Co. als
Schwäche der Gemeinschaft aufgefasst.
Die Lega nutzt die Gunst der Stunde,
mit fremdenfeindlicher Einstellung
Stimmen bei einer Neuwahl zu erhal-
ten. Das wird ihr wahrscheinlich auch
gelingen, einige glauben gar, dass Salvi-
ni Ministerpräsident werden könnte.
Die neue EU-Chefin von der Leyen
steht vor ihrer ersten Bewährungs-
probe. Martin Schebler, Essen

Wunderbar
Zu: „Der Stift fürs Leben“
vom 11. August

Ich liebe meine Bleistifte. Herzlichen
Dank für diese wunderbare Betrach-
tung. Ein Artikel wie ein kleines Ge-
schenk.
Heike Sylvester, WELT-Community

Genau so ist es! Ich verwende den
Bleistift zwar „nur“ zum Schreiben,
genauer zum Exzerpieren, seltener um
Gedanken aufzuschreiben, aber das
Schreiben mit dem Bleistift kann durch
nichts ersetzt werden.
Edit Szegedi, WELT-Community

Umweltfreundlich ist das treue
Schreibgerät obendrein: Im Härtegrad
H zum Schreiben noch gut geeignet,
muss nur selten (natürlich elektrisch!)
angespitzt werden und hält im Büro
monatelang, besonders wenn man ihn
bis zum Ende aufbraucht, unterstützt
von einem völlig aus der Mode gekom-
menen Bleistiftverlängerer. In ge-
schäftlichen Meetings gilt man mit-
unter als Sonderling, aber da steht der
Bleistiftschreiber drüber.
Pierre Schmitz, WELT-Community

Gold wert
Zu: „Weg von zu Hause“
vom 11. August

Ein Auslandsjahr macht sich in der
späteren beruflichen Entwicklung
mehr als bezahlt. Egal, ob es jetzt et-
was kostet. Wenn es zu stemmen ist,
sollte man es tun. Sowohl die Sprach-
kompetenz als auch alles andere sind
Gold wert. Und man ermöglicht sich
später vieles – etwa einfacheren Zu-
gang zu den dortigen Universitäten
und der Arbeitswelt, weil der Kultur-
schock gering ausfällt. Es ist meiner
Meinung nach eine der besten Möglich-
keiten, sein Kind zu fördern. Wenn
möglich am besten in zwei Ländern
und zwei Sprachen.
Kristian Kowollik, WELT-Community

Ich habe das 11. Schuljahr an einer dort
renommierten Privatschule an der
australischen Ostküste verbracht. Ge-
troffen bin ich dort auf eine streng
hierarchisch gegliederte Schülerschaft
nach klassisch-britischem Vorbild.
Nach unten treten, nach oben buckeln.
Das Ganze in einer rüden, kalten Ellen-
bogengesellschaft. Vom Umgangston
her wie Berlin, nur auf die Größe eines
Kontinents aufgeblasen. Das war eine
wichtige und lehrreiche Erfahrung! Hin
muss ich da aber nicht wieder.
Jens Lahme, WELT-Community

Schlimme Fehler
Zu: „Russische Konjunktur“
vom 28. Juli

Das Verhältnis Russlands zum Westen
ist problematisch, Sie haben es aus-
führlich beschrieben. Und wenn jetzt
wieder ein atomares Wettrüsten ein-
setzt wie in den 1970er-Jahren, dann
sitzen wir wieder auf einem Pulverfass.
Die Frage ist, war diese Entwicklung
unabänderlich? Schließlich hatten wir
nach 1989 alle geglaubt, diesen Horror
hinter uns zu haben. Gorbatschow
sprach von einem Platz für Russland
im Hause Europas. Im ersten Irakkrieg
haben die USA und Russland zusam-
men gegen Saddam Hussein gekämpft.
Russland hat eine Neuordnung Ost-
europas zugelassen und selber mi-
litärisch abgebaut. Es sah so aus, als ob
für Diktaturen eine schlechte Zeit an-
brechen würde. Sie konnten nicht
mehr auf Unterstützung rechnen. Und
heute? Wir haben wieder eine ähnliche
Situation wie im Kalten Krieg mit der
Sowjetunion. Wie konnte das gesche-
hen? Die Voraussetzungen damals
waren eigentlich sehr positiv. Es müs-
sen schlimme Fehler gemacht worden
sein. Und nachdem der Westen die
Führung übernommen hatte, muss er
an dieser Entwicklung beteiligt gewe-
sen sein. Reiner Püschel, Lohr

Leserbriefegeben die Meinung unserer Leser wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das Recht der
Kürzung vorbehalten. Aufgrund der sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei uns eingehen, sind wir nicht in der Lage, jede einzelne Zuschrift zu
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