10 Weltwoche Nr. 32.
Bild: Victoria Jones (EPA, Keystone)E
rlebt das Vereinigte Königreich unter Pre-
mierminister Boris Johnson nun doch
noch seine trumpsche Revolution? Dass ich
diesen Gedanken als Frage und nicht als Fest-
stellung formuliere, zeigt nur, wie vorsichtig,
wie zögerlich wir Brexiteers sind, um ja nicht
das Schicksal herauszufordern, wenn es um
den Mann geht, der sich entweder als unsere
tiefste Enttäuschung erweisen könnte oder als
Britanniens grösster Nachkriegspremier seit
Margaret Thatcher.
Diese Vorsicht erwächst aus bitterer Erfah-
rung. Können Sie sich vorstellen, wie es sich
anfühlt, wenn Sie die wichtigste demokrati-
sche Abstimmung in der britischen Geschichte
(das EU-Referendum von 2016) gewonnen ha-
ben, in den folgenden drei Jahren aber mitan-
sehen müssen, wie Ihre Hoffnungen von einerKopf der Woche
Die Zukunft ist blond
Von James Delingpole _ Als Clown abgeschrieben, hat Boris Johnson das britische Kabinett brutal
umgebaut und scheint sich von der politischen Klasse nicht einschränken zu lassen.
Es ist wie bei Shakespeare: Der ungestüme Prinz verwandelt sich in König Heinrich V.Starke Position: Boris Johnson am 24. Juli bei der Queen.arroganten, uneinsichtigen, verschlagenen
politischen Klasse zunichtegemacht werden?
Die Vorsicht hat indes auch damit zu tun,
dass Boris selbst so undurchsichtig, so wenig
fassbar, so unberechenbar ist.Brillanter, unerbittlicher Chefberater
Heute möchte ich aber von den jüngsten Ent-
wicklungen im Vereinigten Königreich berich-
ten. Dank einer radikal konservativen Regie-
rung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr
hatten, steht das Land, davon bin ich über-
zeugt, vor der erstaunlichsten und wunder-
barsten Wiedergeburt. Der Brexit, wahr-
scheinlich in seiner «harten» Form vollzogen,
wird nur der Anfang einer populistischen Re-
volution sein, die zur Zerschlagung des Beam-
tenapparats führen wird und zum Wiederauf-stieg Britanniens als einer unabhängigen,
international ausgerichteten, wirtschaftlich
starken Freihandelsnation.
Wobei Boris nur der Wegbereiter ist, der
Delegierer, der flotte Ermunterer à la Ronald
Reagan. Um zu verstehen, wie seine Regierung
agiert, muss man sich nur seine Kollegen am
Kabinettstisch ansehen: ein erzkonservatives
Team, dem die Thatcheristin Priti Patel in der
Schlüsselposition der Innenministerin ange-
hört und Jacob Rees-Mogg als Fraktionsführer
der Tories im Unterhaus. Und vor allem seine
Berater, angeführt von der grauen Eminenz
hinter dem siegreichen Brexit-Referendum,
dem brillanten, unerbittlichen und kompro-
misslosen Dominic Cummings.
Cummings (der in dem Doku-Drama «Brexit- The Uncivil War» von Benedict Cumber-