Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1

Weltwoche Nr. 32.19 13
Bild: Thomas Padilla (MAXPPP, Keystone)


Toni Morrison (1931–2019) _ Ihr Bekennt-
nis zur Literatur liest sich wie ein humanis-
tisches Gelübde: «Ich wollte vor allem über
eines schreiben, über die schlimmsten
Folgen des Rassismus für die Schwächsten


  • eine schwarze Frau und ihr Kind.» Dieses
    Ziel verfolgte die Literaturnobelpreisträge-
    rin nicht in propagandistischer Manier
    Schwarze versus Weisse. Vielmehr setzte sie
    auf den Zauber und die Wirkung der Worte
    der Verständigung. Sie wusste, wovon sie
    schrieb, denn sie zog nach einer kurzen Ehe
    zwei Kinder allein auf. Die Schriftstellerin
    kam als Chloe Ardelia Wofford in einer be-
    dürftigen afroamerikanischen Familie mit


vier Kindern in Ohio zur Welt. Mit zwölf
Jahren animierten sie die Eltern zum Katho-
lizismus zu konvertieren, und sie nahm den
Vornamen Anthony an, nach dem heiligen
Antonius. Als Teenager erkannte sie den
Reiz der grossartigen Romane des 19. Jahr-
hunderts – von Jane Austen bis Leo Tolstoi.
Sie studierte ab 1949 an der Howard Univer-
sity von Washington D. C. Literatur. Wie-
wohl nur Schwarze zugelassen waren, er-
lebte sie dort rassistische Diskriminierung,
denn die Studenten wurden nach der Inten-
sität ihrer Hautfarbe eingeteilt.
Als eine Ausnahmeerscheinung im Litera-
turbetrieb war Toni Morrison schriftstelle-
risch wie verlegerisch tätig. Sie stieg nach
Jahren im akademischen Universitätsbetrieb
beim Verlagshaus Random House ein. Dort
entwickelte sie die bis dahin wenig beachtete
afroamerikanische Literatur etwa mit
Werken der Aktivistin Toni Cade Bambara.
Vor allem aber schrieb Morrison selbst –
Romane, Lyrik und Essays. 1970 erschien
ihr erster Roman «The Bluest Eye» mit
einem schwarzen Teenager-Mädchen im
Mittelpunkt, das sich blaue Augen wünscht,
um menschliche Zuwendung zu gewin-
nen. Den Durchbruch schaffte die Autorin
indes mit dem Epos «Song of Solomon»:
Ein Schwarzer stösst auf der Suche nach
dem Familiengold auf die Geheimnisse
seiner Herkunft. Toni Morrison erhielt
zahlreiche Auszeichnungen, darunter den
Nobelpreis und den Pulitzer-Preis. Vor al-
lem aber war sie eine prägende Stimme der
Afroamerikaner, die von allen gleichermas-
sen ernst genommen wurde. Rolf Hürzeler

Nachruf


Zauber der Worte: Nobelpreisträgerin Morrison.

würden tonnenweise «hochgiftiges Kohlendi-
oxyd» produzieren, behauptet SRF, und sorg-
ten für eine bedrohliche «Hitzeentwicklung»
in der russischen Stadt Nowosibirsk. Wir kön-
nen für Sibirien-Reisende Entwarnung geben:
Kohlendioxyd, besser bekannt als CO 2 , mag das
Klima aufwärmen, aber giftig ist das Gas nicht;
die Temperaturen in Nowosibirsk lagen in der
fraglichen Woche mit Tageshöchstwerten zwi-
schen 19 und 24 Grad sogar unter dem langjäh-
rigen Juli-Mittelwert (25 Grad). (axb)


Rainer Huber, Pensionär, hat sein politisches
Sendungsbewusstsein von der kantonalen auf
die geopolitische Ebene verschoben. Der frü-
here Aargauer CVP-Bildungsdirektor (2004–
2009) verschob sich im Amt zunehmend nach
links. Seine vom Stimmbürger verworfene Bil-
dungsreform zugunsten integrativer Schulfor-
men und der Abschaffung der Bezirksschule
kostete ihn 2008 die Wiederwahl in dem kon-
servativen Kanton. Aufmerksame Leser der
Aargauer Zeitung begegnen Huber seither gele-
gentlich als Kommentator der grossen Weltpo-
litik in den Leserbriefspalten. «Die echte Bedro-
hung» für den Weltfrieden, schrieb der «alt
Regierungsrat, Gontenschwil» kürzlich, seien
«die vorhandenen Atomwaffen der Nato in
Europa mit einem brandgefährlichen, unbere-
chenbaren US-Präsidenten auf der obersten
Entscheidungsebene». Geistig scheint der frü-
here Regierungsrat schon fast in Moskau ange-
kommen zu sein. (fsc)


Donald Trump, Inkasso-Unternehmer, hat
einen neuen Hit für seine Wahlkampfauftrit-
te. Der wahlkämpfende US-Präsident knöpft
sich seit rund einem Monat in schöner Regel-
mässigkeit die deutsche Bundeskanzlerin An-
gela Merkel vor. In perfekter deutscher Aus-
sprache ruft er jeweils mehrmals «Angela!»,
gefolgt von der Aufforderung, dass Deutsch-
land doch seine Rechnungen bei der Nato be-
gleichen möge. Auf eine Antwort aus Berlin,
wo seit kurzem Merkels Wunschnachfolgerin
Annegret Kramp-Karrenbauer als Verteidi-
gungsministerin amtiert, wartet man bislang
vergebens. (fsc)


Artemij Wladimirow, Humorist, schreibt die
Geschichte der Evolutionstheorie um – unter
Berufung auf deren Begründer Charles Darwin.
An dessen Grab in der Londoner Westminster-
Abtei habe er Kontakt zu ihm aufgenommen
und aus dem Jenseits vernommen: «Vater, lass
dich von meiner Theorie nicht in Versuchung
führen. Ich bereue sie. Du hast nichts mit einem
Bären oder einem Schwein gemein», zitierte
der russische Erzpriester Darwin. Auf den
prompt folgenden Shitstorm reagierte der wis-
senschaftsskeptische Pope mit einem Rück-
zieher: Es habe sich um englischen Humor ge-
handelt. Er liess freilich offen, wer scherzte – er
oder Darwin. (ky)


Patrick Frost
Group CEO
zum selbstbestimmten Leben

« Ich möchte nie

aufhören, Fragen

zu stellen.»
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