Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1
14 Weltwoche Nr. 32.
Bilder: Alessandro della Valle (Keystone), Tamboly Photodesign (Aurora, Keystone)

E


ben hat das Bundesgericht bestätigt: Der
Bankier Oskar Holenweger bekommt vom
Staat keinen Rappen. Obwohl die Bundes­
anwaltschaft durch einen falschen Anfangs­
verdacht dessen Bank und Ruf ruiniert hat.
Für staatliches Unrecht trägt niemand die
Verantwortung.
Sind Sie auch Unternehmer? Wenn
eine Baufirma einen Auftrag der öffent­
lichen Hand will, muss sie die Straf­
registerauszüge der Mitarbeiter ein­
senden und nachweisen, dass man die
berufliche Vorsorge und die AHV be­
zahlt hat, obwohl die AHV eigene Revisionen
durchführt. Zu belegen ist auch, dass die Min­
destlöhne sowie die Gleichstellung von Frau
und Mann garantiert sind. Nichts darf älter
sein als sechs Monate, sonst kommt die Firma
nicht in die Offertrunde. Ein Konsortium von
Schweizer Bankunternehmern mit reicher Er­
fahrung will eine Bank in der Schweiz kaufen.
Es ist ihnen klar, dass die Finanzaufsicht die
Transaktion daraufhin prüft, ob alle regulato­
rischen Vorgaben eingehalten sind. Aber die
Behörde will auch den Businessplan beurtei­
len und stellt Fragen zum geschäftlichen Vor­
gehen. Für den international erfahrenen Zür­
cher Wirtschaftsanwalt Wolfram Kuoni, der
die Transaktion betreut, ist es höchst fragwür­
dig, wenn der Regulator bei der Ausübung sei­
nes aufsichtsrechtlichen Ermessens auch be­
triebswirtschaftliche und geschäfts politische
Überlegungen anstellt, deren Beurteilung
eigentlich den Wirtschaftsakteuren obliegt.
Wenn ein Geschäftsinhaber in der Stadt
Zürich den öffentlichen Grund mit einigen
Zentimetern eines Schriftzuges oder einer von
der Wand abstehenden Sonnenstore bean­
sprucht, bezahlt er happige Gebühren. Näm­

lich für die sogenannte öffentliche Luftsäule.
Ein Tankstellenshop mit 24­Stunden­Öff­
nungszeit muss der Gemeinde eine Gebühr
von 1500 Franken für die «Kontrolle der
Ladenöffnungszeiten» bezahlen.
Sind Sie Autofahrer? Das Strassenverkehrsge­
setz («Via sicura») kriminalisiert prak­
tisch jeden Lenker. Der Erwerb des
Fahrausweises wurde erschwert, die
Promillegrenze gesenkt – unbeachtet
der deswegen darbenden Gastronomie
samt zugehöriger Vernichtung von Ar­
beitsplätzen. Hunderte von Millionen
an Bussgeldern gehen an den Staat. Die Toleranz­
grenze wurde mittels einfacher Verordnung von
5 auf 3 Kilometer pro Stunde reduziert. Geld,
das eigentlich dem Strassenfonds gehört, wird
für fragwürdige Sicherheitsmassnahmen
zweck entfremdet. Die Strafmassnahmen im
Verkehrsbereich sind absurd: 2018 kam es zu
80 077 Fahrausweisentzügen. Selbst wegen Ba­
gatellen müssen sich Automobilisten Fahreig­
nungsuntersuchungen unterziehen und lan­
den in den Klauen einer teuren, zeitraubenden
und sinnlos aufgeblähten Verkehrsmedizin
und ­psychologie. Ärzte sind vom Berufs­
geheimnis entbunden, um ihre Patienten bei
vermuteter Fahrbeeinträchtigung an die kanto­
nalen Strassenverkehrsämter zu denunzieren.

Die Bürger staunen und zahlen
Sind Sie Landwirt? In diesem Fall drohen Sie in
einem Dschungel von Vorschriften, Formula­
ren und unzähligen Kontrollen zu ersticken.
Dabei ist der produzierende Bauer Unterneh­
mer und soll die entsprechenden Freiheiten
ebenso wie das Risiko tragen. Viel zu viel
Staatsgeld versickert in der Agrarbürokratie,
statt dass es den Bauern zugutekommt.

Sind Sie ein guter Steuerzahler? Dann sollten
Sie wissen, dass die Hälfte der Schweizer Fami­
lien keine direkten Bundessteuern bezahlt. 93
Prozent der AHV­Zahler beziehen mehr Geld,
als sie einbezahlt haben. In Zürich bezahlen
fast 70 Prozent der Steuerpflichtigen weniger
als 1000 Franken Steuern an die Stadt. Dabei
gibt diese jährlich 31 000 Franken pro Kopf der
Einwohner aus. 10 Prozent der Reichsten tra­
gen 90 Prozent der Vermögenssteuer. Über 80
Prozent der direkten Bundessteuern werden
von den obersten 10 Prozent der Lohnempfän­
ger erbracht.
Die Bürger staunen und zahlen auch, wenn
sich Beamte und Ämter bekriegen und sich ge­
genseitig beschäftigen. So streitet gegenwär­
tig der Bundesanwalt mit seiner Aufsichtsbe­
hörde. Stadt und Kanton Zürich zoffen vor
Bundesgericht über die Nutzungs gebühr des
Globus­Provisoriums. «Der Staat beschäftigt
sich mit sich selber, statt für die Bürger da zu
sein», sagt SVP­Nationalrat Alfred Heer, Präsi­
dent des Bundes der Steuerzahler.
Haben Sie betagte Eltern? Unsere staatliche
Kinder­ und Erwachsenenschutzbehörde
(Kesb) richtet sich zunehmend gegen jene, die
sie eigentlich schützen und betreuen will: die
Bürgerinnen und Bürger. Sogenannte Gefähr­
dungssituationen werden oft aus falschen
Motiven vom Umfeld gemeldet, die behördli­
che Verbeiständung empfinden viele Betagte
und deren Angehörige als demütigend und be­
vormundend. Die Übernahme von administra­
tiven und finanziellen Aufgaben bis hin zur
Führung von Firmen durch Staatsbeamte führt
oft zu absurden Leerläufen und wirtschaftli­
cher Wertvernichtung.
Drangsaliert ein immer mächtigerer Staat
immer machtlosere Bürger? Ist der Staat zum

Schweiz


Der Staat, dein Feind


Von Beat Gygi und Christoph Mörgeli _ Die öffentliche Hand tritt zunehmend masslos auf. Sie lenkt,
besteuert und bestraft die Bürger immer intensiver. Die wirtschaftlichen Leistungsträger werden
zurückgebunden, die Beamten hätscheln sich selber.

Wachsender Apparat: Vertreter von Stadt und Kanton Bern im Bundeshaus. Happige Gebühren: Gastronomiebetrieb in der Stadt Zürich.
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