Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1
34 Weltwoche Nr. 32.19
Bilder: zVg

Peter Marti ist Mitinhaber der
Marti Communications AG und Autowerber.

D


ie Frage ist die übliche: Wer soll das be-
zahlen? Der Bund hat sich auf die
Autoimporteure festgelegt. Doch diese sind –
auch aufgrund der sehr knappen Margen-
struktur in der Schweiz – dazu schlicht nicht
in der Lage. Sie werden die Bussen auf die End-
verkaufspreise von Fahrzeugen umlegen müs-
sen. Das Resultat ist eine Erhöhung der Neu-
wagenpreise von bis zu 15 Prozent.
Am 1. Dezember 2017 hat der Bundesrat die
Botschaft zur Totalrevision des CO 2 -Gesetzes
2021–2030 sowie diejenige zur Genehmigung
des Abkommens zwischen der Schweiz und
der Europäischen Union über die Verknüp-
fung der Emissionshandelssysteme (EHS)
verabschiedet. Im Verkehr sollen die Emissio-
nen durch eine Erhöhung des Anteils an er-
neuerbaren Treibstoffen sinken. Parallel da-
zu ist geplant, die CO 2 -Emissionsvorschriften
für neue Fahrzeuge im Einklang mit jenen
der EU schrittweise weiter zu verschärfen.
Der Anteil an Emissionen aus Treibstoffen,
der von den Treibstoffimporteuren kompen-
siert werden muss, kann bis auf 90 Prozent
erhöht werden, wobei mindestens 15 Prozent
der CO 2 -Emissionen aus dem Verkehr in der
Schweiz zu kompensieren sind. Angerechnet
wird dabei auch der Einsatz erneuerbarer
Treibstoffe. Zum Beispiel kann der Range
Rover Velar gegen den Hybrid-Pionier des
gleichen Importeurs, den Toyota Prius, auf-
gerechnet werden.
Das ist aber kaum umsetzbar, denn die Her-
steller in Japan, Indien, China oder Deutsch-
land interessiert das Schweizer Gegenrech-
nungsprinzip nicht. Das Ganze geht zu Lasten
der Autoimporteure, die für Service, Garan-
tien, günstige Leasing-Bedingungen und so
weiter geradestehen müssen. Die Tausenden
von Garagen, die diese Leistung erbringen,
verdienen kaum noch Geld mit Neuwagen-
verkäufen. Sie überleben, wenn überhaupt,
dank Werkstattumsätzen und Gebraucht-
wagenhandel.

Ahnungsloses Parlament
Den Importeuren bleibt nichts anderes übrig,
als die von der EU diktierten und vom Schwei-
zer Volk gewünschten Zielsetzungen zu er-
füllen. Leidtragende sind die Konsumenten,
einerseits wegen der deutlich höheren Neu-
wagenpreise, andererseits aber auch wegen

einer Reduktion der Modellpaletten. Beispiel
Su baru: Da wird der Kultrenner WRX STi
nicht mehr angeboten; andere Modelle gibt es
nur noch in schwächeren, grenzwertkompa-
tiblen Motorisierungen. Die nationalen Gross-
importeure Emil-Frey-Gruppe und Amag
Schweiz versuchen, das Bedürfnis ihrer Kund-
schaft nach grossen Sport Utility Vehicles
(SUVs) zu stillen. Das können sie aber nur, so-
lange die Hersteller überhaupt noch solche
Fahrzeuge nach Europa ausliefern. Was wiede-

rum nur dann geschieht, wenn die Nachfrage
den Aufwand rechtfertigt. Klar, dass um Tau-
sende von Franken höhere Preise da nicht be-
sonders hilfreich sind.
Die Automobilimporteure sollten die Preise
unbedingt so kommunizieren, dass ihre Kun-
den auf einen Blick erkennen, was die EU-
Richtlinien für sie bedeuten. Der Listenpreis
eines Porsche Cayenne beträgt beispielsweise
101 2 00 Franken, die CO 2 -Busse des Bundes
10 000 Franken. Der Autokäufer zahlt also
112 000 Franken.
Der Konsument will sich – zu Recht – frei
fühlen, dasjenige Fahrzeug zu fahren, das sei-
nen Bedürfnissen und Wünschen entspricht.

Die CO 2 -Abgaben soll aber er tragen, nicht
der Autoimporteur. Da ist es nichts als kor-
rekt, dass man ihm mitteilt, welch unsinnige
Bussenregelung für den happigen Aufpreis
verantwortlich ist. Bundesrat und Parlament
waren unter der Federführung von Doris
Leuthard völlig ahnungslos, was ihre Be-
schlussvorlagen für die Automobilindustrie
und ihre Hauptakteure in der Schweiz bedeu-
ten. Das ist typisch für ein Gremium, das Ent-
scheidungen fällt, ohne über ausreichende
Sachkenntnisse zu verfügen. Fakt ist: Es dau-
ert ziemlich genau sieben Jahre, bis ein neues
Automodell oder ein neuer Motor entwickelt
und produziert ist. Auf Druck der EU gab das
Parlament der Automobilindustrie genau
zweieinhalb Jahre Zeit für die Umsetzung.
Ein Ding der Unmöglichkeit. Den Beschluss
von 2017 hätte man frühestens auf 2024 ter-
minieren dürfen.

Schwacher Trost
Die Schweiz steht mit diesem Problem nicht
alleine da. Die deutschen Hersteller wanken
bedenklich. BMW und Mercedes haben bereits
entsprechende Massnahmen angekündigt. In
Grossbritannien entlässt Ford 12 000 Mitarbei-
tende und schliesst sechs Werke.
Europa steckt in einer veritablen Automo-
bilkrise, die EU-Turbos in Brüssel und an-
derswo verursacht haben. Betroffen sind
nicht zuletzt einige wichtige Schweizer Zu-
lieferer. Beispielsweise die EMS Chemie, die
bereits eine Gewinnwarnung publiziert hat,
nachdem von Januar bis Juni dieses Jahres der
Umsatz um 3,5 Prozent auf 1,16 Milliarden
Franken gesunken war, ein Ergebnis, das
sogar deutlich unter den Erwartungen der
Analysten lag. Das Geschäft mit den Auto-
bauern macht rund 60 Prozent des Umsatzes
der EMS Chemie aus.
Noch ist es nicht zu spät, und der Bundesrat
hätte alle Möglichkeiten, den Zeitplan zu ver-
schieben. Aber er stellt sich – Stand heute –
taub. Auch auf meine diesbezügliche Anfrage
habe ich noch keine Antwort bekommen. Ver-
mutlich ist ihm das Dossier vor den Wahlen
zu heiss.

Automobilkrise dank EU-Turbos.

Politik


Weniger Auswahl, höhere Preise


Die meisten in der Schweiz verkauften Automarken werden
nicht in der Lage sein, die irrwitzigen CO 2 -Vorschriften
von 95 g/km einzuhalten. Ab 1. Januar 2020 gibt’s Bussen
in der Grössenordnung von über 700 Millionen Franken pro Jahr.
Von Peter Marti
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