Die Weltwoche - 08.08.2019

(Ben Green) #1

38 Weltwoche Nr. 32.19
Bild: Franz Hanfstaengel (IBA-Archiv, Keystone)


‹So – werf ich den Brand / in Walhalls prangen-
de Burg.›» Tatsächlich gibt es in Merkels und
Hitlers Politik Kongruenzen, die in Wagners
wahnhaften Visionen eine unheilige Gemein-
samkeit haben.
August Kubizek, Hitlers Schulfreund aus
Linz, beschreibt in seinen Erinnerungen, wie
eine Aufführung von Wagners «Rienzi» den
sechzehnjährigen Hitler in einen «Zustand
völliger Entrückung» versetzte: «In grossarti-
gen, mitreissenden Bildern entwickelte er mir
die Zukunft des deutschen Volkes. Er eignete
sich die Persönlichkeit Wagners an, ja, er er-
warb ihn so vollkommen für sich, als könnte
dieser Teil seines eigenen Wesens werden.»
Wagners «Volkstribun» Rienzi – als dessen
Reinkarnation Hitler sich selbst sah – wendet
sich am Ende enttäuscht von seinem Volk ab
und schmäht angesichts des Todes das
« elende» Rom, «unwert dieses Mannes»: «Ver-
flucht, vertilgt sei diese Stadt! / Vermod’re und
verdorre, Rom! / So will es dein entartet Volk!»
Rienzis wütende Verfluchung Roms ist die un-
heilvolle Antizipation von Hitlers «Nerobe-
fehl», seiner verheerenden Politik der ver-
brannten Erde: «Wenn der Krieg verloren
geht, wird auch das deutsche Volk verloren
sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundla-
gen, die das deutsche Volk zu seinem primi-
tivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu
nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst
diese Dinge zu zerstören.»


Bankrotterklärung in Bern


Am 3. September 2015, einen Tag bevor die
«Wagner-Kanzlerin» (Bild) eigenmächtig und
ohne die erforderliche parlamentarische Zu-
stimmung die europäische Migrantenkatastro-
phe in Gang setzt, indem sie die deutsche
Grenze nicht schützt, nimmt Angela Merkel
den Ehrendoktor der Universität Bern entge-
gen. Bei der anschliessenden Fragerunde mel-
det sich eine Frau aus dem Publikum: «Sie
haben vorhin die Verantwortung für diese gan-
ze Geschichte mit den Flüchtlingen angespro-
chen. Eine der Verantwortungen ist es ja doch
aber auch, uns hier in Europa zu schützen.»
Sie spricht weiter von einer «grossen Angst»
vor der fortschreitenden Islamisierung und
schliesst mit der Frage: «Wie wollen Sie Europa
in dieser Hinsicht und unsere Kultur schüt-
zen?» Die Antworten der Kanzlerin offenbaren
gespenstische Parallelen zu Hitlers selbstzer-
störerischem Defätismus vor dem Niedergang
des Dritten Reichs.
Als Erstes gibt Merkel Europa eine Mit-
schuld am «Islamismus und islamistischen
Terror», die «leider Erscheinungen sind, die
wir ganz stark natürlich in Syrien, Libyen und
Irak haben, aber zu denen leider die europäi-
sche Union eine Vielzahl von Kämpfern beige-
tragen hat, und wir können nicht sagen, das ist
ein Phänomen, das uns nichts angeht, sondern
das sind zum Teil sehr junge Menschen, die in


unseren Ländern aufgewachsen sind und wo
wir auch unseren Beitrag leisten». Merkel er-
wähnt mit keinem Wort die islamischen Terro-
ranschläge in Madrid, London oder auf die
Charlie Hebdo-Redaktion in Paris. Für die Kanz-
lerin findet «islamistischer Terror» offenbar
ausschliesslich im Nahen Osten statt, und
schuld daran sind «wir».
Merkel fährt fort, sie werfe niemandem vor,
«dass er sich zu seinem muslimischen Glau-
ben bekennt», aber dann solle man «doch auch
den Mut haben, zu sagen, dass wir Christen
sind», und «dann aber auch, bitte schön, mal
wieder in den Gottesdienst gehen». Ausser-
dem wäre es, wenn man in Deutschland Auf-
sätze darüber schreiben liesse, was Pfingsten
bedeutet, mit der «Kenntnis
über das christliche Abend-
land nicht so weit her». Und
sich dann «anschliessend zu
beklagen, dass Muslime sich
im Koran besser ausken-
nen», fände sie «irgendwie
komisch». Insofern fände sie
diese Debatte «sehr defen-
siv», und ansonsten wäre
«die europäische Geschichte
so reich an dramatischen
und gruseligen Auseinan-
dersetzungen», dass wir
«sehr vorsichtig sein sollten,
uns sofort zu beklagen,
wenn woanders was Schlim-
mes passiert». Man müsse
dagegen ankämpfen, aber
«wir haben nun überhaupt
keinen Grund zu grösserem
Hochmut, und das sage ich
jetzt als deutsche Bundes-
kanzlerin».
In dieser Bankrotterklä-
rung zeigt sich das Weltbild von Angela Merkel.
Um es zu erreichen, ist es «nicht notwendig, auf
die Grundlagen, die das deutsche Volk zu sei-
nem primitivsten Weiterleben braucht, Rück-
sicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser,
selbst diese Dinge zu zerstören.» Wagner und
Hitler im Gleichschritt mit der kinderlosen
Merkel, die an der Siegesfeier der CDU nach der
Bundestagswahl 2013 ihrem damaligen Gene-
ralsekretär Hermann Gröhe unter tadelndem
Kopfschütteln ein Deutschlandfähnchen aus
der Hand reisst und entsorgt, auf dem Weg zur
unwiderruflichen Selbstentleibung der deut-
schen Kultur.
Merkel, die dem Irrglauben anheimgefallen
ist, der deutschen Verantwortung für den mil-
lionenfachen Judenmord gerecht zu werden,
indem sie Deutschland mit Migranten flutet,
die gemäss dem Antisemitismusbeauftragten
der Bundesregierung, Felix Klein, «in Ländern
sozialisiert wurden, in denen Antisemitismus
an der Tagesordnung ist, sogar fast zur Staats-
doktrin gehört», stellt Deutschland zur Dispo-

sition, getrieben vom dissonanten Dreiklang
der europäischen Schuldkultur: Imperialis-
mus, Faschismus und Rassismus.

Geistig-ideologischer Denkmalschutz
Das «entartete Volk» der Deutschen verdient
sein Land nicht mehr, deshalb dürfen sich
auch Millionen Zugewanderte am deutschen
Sozialstaat schadlos halten. Das Christen-
tum, bei dessen Anhängern es mit der «Kennt-
nis über das christliche Abendland nicht so
weit her» zu sein scheint, ist zu schwach, sich
gegen den Islam und die Muslime, die «sich
im Koran besser auskennen», zu wehren. Das
«hochmütige» Europa hat aufgrund seiner
«gruseligen Auseinandersetzungen» nicht
nur das Recht verwirkt, sich
«zu beklagen, wenn woan-
ders was Schlimmes pas-
siert», sondern darf sich sei-
nem verdienten Untergang
durch unbegrenzte und un-
gesteuerte Einwanderung
aus kulturfernen Gesell-
schaften auch nicht wider-
setzen. Da ist es nur folge-
richtig, dass Merkel mit der
Deutschtürkin Aydan
Özoguz eine Staatsministe-
rin für Migration, Flüchtlin-
ge und Integra tion ernann-
te, die in einem Interview
betonte, eine «spezifisch
deutsche Kultur» sei, «jen-
seits der Sprache, schlicht
nicht identifizierbar».
In Deutschland wird jeder
noch so flüchtige Anschein
von mutmasslichem Antise-
mitismus von Presse und Po-
litik mit ritualisierter Em-
pörung und gesalbten Sonntagsreden
bedacht. Sogar gänzlich unschuldige Gegen-
stände wie die «Hitler- Glocke» im pfälzi-
schen Herxheim sorgen bundesweit für Auf-
sehen. Nach langem Hin und Her bleibt die
Glocke, auf der über einem Hakenkreuz die
Inschrift «Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hit-
ler» prangt, im Turm der protestantischen
Jakobskirche hängen, denn eine «Glocken-
sachverständige» kam in einem Gutachten zu
dem Schluss, die Glocke sei «als Denkmal ein-
zustufen». Unter geistig-ideologischem
Denkmalschutz steht offensichtlich auch
Richard Wagner. Weder sein eliminatorischer
Hass auf Juden noch die alljährlichen Pilger-
fahrten der Kanzlerin bringen das moralische
Gefüge der Republik ins Wanken. Matthias
Küntzel: «Die Deutschen wollen sich ihr
heiliges ‹Wagner-Unser› nicht beschmutzen
lassen.»
Dabei war Wagner, in dem Thomas Mann
eine «unauflösliche deutsche Mischung von
Dämonie und Bürgerlichkeit, von Barbaris-

«Verflucht,
vertilgt sei
diese Stadt! »

Komponist Wagner.
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